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       # taz.de -- Waffenverbot im Hamburger ÖPNV: Politisches Placebo mit Nebenwirkungen
       
       > Hamburg hat ein dauerhaftes Waffenverbot in Bussen, Bahnen und
       > Haltestellen beschlossen. Es ist ein Akt politischer Scheinaktivität im
       > Wahlkampf.
       
   IMG Bild: Soll ab Montag überall hängen: Schild zum Waffenverbot am Hamburger Hauptbahnhof
       
       Es soll nach Zupacken klingen, aber das dauerhafte Waffenverbot im
       Hamburger Nahverkehrsnetz ist ein bloßer Akt politischer Scheinaktivität im
       Wahlkampf. Am Hauptbahnhof gibt es ein solches [1][Verbot seit Herbst
       2023], zur Adventszeit wurde es – befristet bis zum 1. Januar – auf
       [2][drei weitere Bahnhöfe und das S-Bahn-Netz ausgeweitet]. Das Argument:
       Im Dezember werde viel gefeiert und getrunken, da sinke die Hemmschwelle
       für körperliche Auseinandersetzungen. Ab Montag gilt das Waffenverbot in
       allen Bussen, Bahnen, Fähren und Haltestellen des Hamburger
       Verkehrsverbundes (HVV).
       
       Auf den ersten Blick mag das sinnvoll klingen. „Jedes Messer, das wir
       einsammeln, ist ein Risiko weniger“, sagt Innensenator Andy Grote (SPD).
       Die Hoffnung ist, dass ein Verbot präventiv wirkt und sich Fahrgäste
       sicherer fühlen. Es mag auch sein, dass die Maßnahme potenzielle
       Gewalttäter:innen abschreckt und ein wenig sicherer mögen sich
       Fahrgäste auch fühlen, weil der gewaltaffin wirkende junge Mann gegenüber
       gerade nach Messern durchsucht wurde.
       
       Tatsächlich entpuppt sich das Verbot aber als plumpe Symbolpolitik vor der
       Bürgerschaftswahl in Hamburg am 2. März. Die rot-grüne Koalition versucht,
       sich noch schnell als [3][Garant der inneren Sicherheit zu profilieren].
       Grote prahlt, Hamburg nutze als erstes Bundesland die Möglichkeiten des
       neuen Sicherheitspakets des Bundes.
       
       ## Urbane Gewaltkriminalität ist ein komplexes Problem
       
       Statt echte Lösungen für das komplexe Problem der urbanen
       Gewaltkriminalität zu entwickeln, greift der Senat zu einer Maßnahme, die
       bestenfalls oberflächlich wirkt – und schlimmstenfalls bürgerliche
       Freiheiten einschränkt. Denn entweder bleibt das Verbot ein zahnloser
       Tiger. Oder es führt zu jeder Menge anlassloser Durchsuchungen. Wie die
       Regeln und Kontrollen genau aussehen, wollen Grote und Verkehrssenator
       Anjes Tjarks (Grüne) am Montag vorstellen.
       
       Grundsätzlich fraglich ist, wie effektiv das Verbot in einem Liniennetz mit
       mehr als 10.000 Haltestellen umgesetzt und kontrolliert werden kann. Wer
       Gewalt ausüben will, wird sich von einem Schild nicht abschrecken lassen,
       Affekttäter:innen sowieso nicht. Und Erfahrungen aus anderen Städten
       zeigen deutlich, [4][dass Waffenverbote wenig Einfluss auf die
       Kriminalitätsrate haben]. Auch am Hamburger Hauptbahnhof, wo das Verbot
       seit einem Jahr gilt, gibt es bei Gewalttaten keine Trendwende.
       
       Das Verbot trifft aber auch alle, die zum Beispiel für die
       Selbstverteidigung ein Pfefferspray mit sich führen – aber gesetzestreue
       Bürger:innen sind. Oder Handwerker*innen, die ihren Hammer in der Bahn
       dabei haben. Wie geht man denn damit um?
       
       Vor allem birgt das Verbot die Gefahr, dass die „üblichen Verdächtigen“
       traktiert und deren Bürger:innenrechte eingeschränkt werden. Wer
       Messer finden will, muss Menschen durchsuchen. Das birgt die [5][Gefahr von
       Racial Profiling], denn die Maßnahme zielt ja implizit auf eine bestimmte
       Gruppe: jene jungen und oft migrantisch gelesenen Männer, um die auch die
       mediale Diskussion über Gewalttaten kreist.
       
       Die wahren Gründe für Gewalt und Unsicherheit im öffentlichen Raum reichen
       von sozialer Benachteiligung über mangelnde Bildungschancen bis hin zu
       fehlenden Perspektiven für junge Menschen. Ein Waffenverbot im HVV wird
       keines dieser Probleme lösen. Es ist politisches Placebo mit bedenklichen
       Nebenwirkungen.
       
       12 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Videoueberwachung-in-Hamburg/!6028669
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   DIR [3] /Sicherheit-am-Hamburger-Hauptbahnhof/!5945319
   DIR [4] https://www.dw.com/de/deutschland-was-bringen-messerfreie-zonen-wirklich/a-65281134
   DIR [5] /Polizeiforscher-ueber-Polizeistudie/!6037902
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Robert Matthies
       
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