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       # taz.de -- Debatte über ein AfD-Verbot: Wir wissen genug
       
       > Der neue Antrag einiger Grüner für ein AfD-Verbot fordert ein Gutachten.
       > Doch das ist nicht nötig, vergeudet Zeit und birgt eine Gefahr.
       
   IMG Bild: „AfD-Verbot jetzt“: Menschen demonstrieren gegen die AfD (7.12.2024)
       
       Die AfD sollte verboten werden, darüber sind sich einige Abgeordnete
       verschiedener Fraktionen im Bundestag einig: Erst hatte der CDU-Politiker
       Marco Wanderwitz eine Initiative für ein Verbotsverfahren gestartet und
       Mitte November eingebracht. Diese Woche haben dann Abgeordnete der Grünen
       rund um Renate Künast einen eigenen Antrag vorgelegt.
       
       Während die [1][Wanderwitz-Gruppe] darauf drängt, dass der Bundestag das
       Verfahren sofort einleitet und unverzüglich alle sogenannten
       Vertrauensleute in der Partei abgezogen werden, regen die Grünen an,
       „Gutachter zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines Antrages auf Verbot der
       ‚Alternative für Deutschland‘ zu bestimmen“. Offenbar gehen sie davon aus,
       dass wir noch nicht genug wissen, um ein AfD-Verbotsverfahren einzuleiten.
       
       Im Hinblick auf die Ziele der Partei liegt längst alles auf dem Tisch. Die
       Gerichte, nicht zuletzt [2][das Oberverwaltungsgericht Münster], und auch
       die Zivilgesellschaft haben schier endlose Mengen an Material
       zusammengetragen. So dokumentiert etwa das Buch [3][„Angriff auf
       Deutschland“] von Michael Kraske und Dirk Laabs zahlreiche Belege für die
       Verfassungsfeindlichkeit der AfD.
       
       Das sind nicht etwa Ausrutscher einzelner Mitglieder. Es sind auch keine
       Probleme einzelner Untergliederungen oder Landesverbände, sondern die
       Bundespartei selbst ist in die Machenschaften verstrickt, der
       Bundesvorstand macht sich die Widerlichkeiten der anderen Ebenen zu eigen.
       
       ## Höcke ist die AfD
       
       Ein Beispiel: Dem thüringischen Landeschef Björn Höcke wird die Verwendung
       einer verbotenen Naziparole vorgeworfen. Es kommt zu einem Strafverfahren.
       Und Parteichef Tino Chrupalla spricht in diesem Zusammenhang von einem
       „Schauprozess“. Er distanziert sich nicht, sondern bagatellisiert das
       Gesagte, wenn er verlautbart: [4][„Höcke ist kein Rechtsextremist“].
       
       Damit macht sich der Bundesvorsitzende der AfD die
       Verfassungsfeindlichkeiten von Höcke zu eigen: Rassismus, Ableismus,
       LGBTQI*-Feindlichkeit, Misogynie, Demokratiefeindlichkeit, Revisionismus.
       Inhaltlich liegt alles offen zutage, es braucht also kein Gutachten für die
       Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens.
       
       Eines wissen wir freilich nicht: Wie viele Funktionstragende der AfD für
       das Bundesamt für Verfassungsschutz oder die Verfassungsschutzämter der
       Länder arbeiten und wer diese Personen sind. Die Wanderwitz-Gruppe fordert
       deshalb den sofortigen Abzug aller V-Leute aus der Partei. Denn genau daran
       ist das erste NPD-Verbotsverfahren gescheitert. Die Staatsfreiheit der
       Partei war nicht garantiert.
       
       Das Verfassungsgericht hat gesagt, dass man wissen müsse, ob die Personen,
       deren Zitate im Verfahren verwertet werden, auf der Payroll des Staates
       stehen. Das müsse man ausschließen, weil der Staat sonst durch das
       Einschleusen von Vertrauensleuten die Verbotsgründe selbst schaffen könne.
       
       ## Wie viele V-Leute sind in der AfD?
       
       Auch als in Münster vor dem Oberverwaltungsgericht zum Verdachtsfall AfD
       verhandelt wurde, war der Verfassungsschutz mit der Frage nach möglichen
       V-Leuten aus der Partei konfrontiert. [5][Das Amt hat daraufhin
       eingeräumt], dass „zwei der einigen Tausend Belege“, die dem Gericht dazu
       vorgelegt worden seien, „Äußerungen oder Verhaltensweisen von menschlichen
       Quellen des Verfassungsschutzes beinhalten“. Diese Belege seien aber nicht
       von Funktionstragenden auf der Bundes- und auch nicht der Landesebene
       angefallen.
       
       Wenn man nun aber das Urteil liest, fällt auf, dass das Gericht sehr
       vorsichtig ist. Wichtige Akteure von der Bundesebene werden nicht genannt,
       obschon der Verfassungsschutz im Verfahren Belege vorgelegt hat. Das
       Gericht hat sich offenbar gescheut, diese aufzugreifen. Warum?
       
       Und warum sah sich das Gericht in Münster sogar genötigt, im Urteil zu
       betonen, dass es anders als das Bundesverfassungsgericht im
       Verbotsverfahren die vom Bundesamt angeführten Belege verwerten könne,
       selbst wenn nicht nachgewiesen sei, ob die Aussagen von Personen stammen,
       die als V-Leute mit dem Bundesamt zusammenarbeiten?
       
       Das ist merkwürdig. Und es ist auch alles andere als stimmig, dass der
       Verfassungsschutz in einem Verfahren, in dem es um die AfD im Bund geht,
       behauptet, Belege aus „menschlichen Quellen“ vorgelegt zu haben, die diese
       Bundesebene gar nicht betreffen. Warum, wenn nicht um Glaubwürdigkeit
       vorzutäuschen, sollte das Amt einräumen, kontaminierte Belege von unterhalb
       der Landesebene vorgelegt zu haben, auf die es im Verfahren in Münster
       offensichtlich sowieso nicht ankam?
       
       ## Eile ist geboten
       
       Ein verfassungsrechtliches Gutachten zu den Chancen eines AfD-Verbots wird
       kein Licht in dieses Dunkel bringen können. Es käme zudem viel zu spät.
       Wenn das Gutachten irgendwann im Jahr 2025 vorgelegt wird, wird keine
       Mehrheit für einen Verbotsantrag mehr möglich sein.
       
       Den Gutachtenden werden kaum mehr Informationen zur Verfügung stehen als
       die, die bereits öffentlich ausgewertet worden sind. Denn das
       Bundesinnenministerium ist weiterhin auf dem Standpunkt, dass das Material
       des Verfassungsschutzes erst dann weitergereicht werden darf, wenn der
       Bundestag sich zur Einleitung eines Verbotsverfahrens entschlossen hat.
       
       Da aber die beiden Antragsgruppen ohnehin nur schwer auf eine Mehrheit für
       einen Verbotsantrag kommen werden, sollte die Bundesregierung sich den
       Antrag der Wanderwitz-Gruppe zum Verbotsverfahren zu eigen machen. Sie
       hätte es auch in der Hand, die Voraussetzung der Staatsfreiheit für das
       Verfahren herzustellen, indem sie dafür sorgt, dass die V-Leute aus der AfD
       abgezogen werden.
       
       Es ist unverständlich, warum die [6][Bundesinnenministerin in ihrem
       13-Punkte-Plan] gegen Rechtsextremismus nicht einmal die „Prüfung eines
       Verbotsverfahrens gegen die AfD“ erwägt. Die Verfassung weist der
       Bundesregierung eine Verantwortung für die Resilienz der Demokratie zu. Sie
       sollte ihr nachkommen, solange sie es noch kann.
       
       12 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Stellungnahme-im-Bundestag-vorgelegt/!6048523
   DIR [2] /Urteil-des-OVG-Muenster/!6007495
   DIR [3] https://www.chbeck.de/kraske-laabs-angriff-deutschland/product/37000396
   DIR [4] https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/afd-chrupalla-hoecke-rechtsextremist-prozess-104.html
   DIR [5] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-03/ovg-muenster-verfassungsschutz-v-leute-afd
   DIR [6] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/massnahmenpaket-gegen-rechtsextremismus-2259614
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Fischer-Lescano
       
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