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       # taz.de -- Regierungskrise in Südkorea: Präsident Yoon sieht rot
       
       > In einer trotzigen Fernsehansprache hat Südkoreas Präsident seine
       > Kriegsrechtsentscheidung verteidigt. Sein politisches Schicksal scheint
       > dennoch besiegelt.
       
   IMG Bild: Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol hält eine Ansprache an die Nation im Präsidialamt in Seoul, Südkorea, 12. Dezember 2024
       
       Seoul taz | Völlig unverhofft wandte sich Yoon Suk Yeol am Donnerstag an
       das südkoreanische Volk. Doch was die Leute vor den Fernsehschirmen zu
       sehen bekamen, war keineswegs ein reumütiger Präsident, der sich für die
       größte Staatskrise der letzten Jahrzehnte entschuldigen würde. Ganz im
       Gegenteil: Der 63-Jährige ging vollständig in den Angriffsmodus über.
       
       Mit selbstbewusster, firmer Mine verteidigte er seine Entscheidung von
       letzter Woche, [1][das Kriegsrecht über Südkorea verhängt zu haben]. Er
       hätte die demokratische Ordnung schützen müssen, sagte Yoon. Die Opposition
       hätte mit ihren Blockaden die Regierungsarbeit lahmgelegt. Gegen Ende
       seiner Rede fügte Yoon einen schicksalhaften Satz an, der wohl schon bald
       in Südkoreas Geschichtsbücher eingehen wird: „Ich werde bis zum Ende
       kämpfen“.
       
       Damit hat der konservative Politiker zumindest in einem Punkt Klarheit
       geschaffen: Trotz immensem öffentlichen Drucks, flächendeckenden
       Demonstrationen und laufenden Polizeiermittlungen wird Präsident Yoon Suk
       Yeol nicht aus eigenen Stücken zurücktreten. Für den langjährigen
       Staatsanwalt heißt es jetzt also: alles oder nichts.
       
       ## Neues Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon eingeleitet
       
       Sein trotziger bis siegessicherer Tonfall kann jedoch nicht darüber
       hinwegdeuten, dass Yoons politischer Niedergang de facto bereits besiegelt
       ist. In einer umgehenden Reaktion auf seine Ansprache sprach Han Dong Hoon,
       Parteichef der regierenden Konservativen, denen auch Yoon selbst angehört,
       erstmals öffentlich davon, dass dieser seines Amtes enthoben werden müsse.
       Der von der Opposition eingereichte Antrag, der am Samstagnachmittag im
       Parlament zur Abstimmung kommt, sollten auch die konservativen Abgeordneten
       unterstützen, sagte Han.
       
       Damit gilt als nahezu gesichert, dass das [2][Amtsenthebungsverfahren] die
       benötigte Zweidrittelmehrheit erhalten wird. Denn 192 der insgesamt 300
       Abgeordneten gehören ohnehin den Oppositionsparteien an. Mit Stand
       Donnerstagabend haben sich zudem bereits sieben Abgeordnete der
       Regierungspartei offen dazu bekannt, am Samstag ebenfalls für den Antrag zu
       stimmen. Es benötigt also nur mehr eine einzige weitere Stimme, damit der
       Präsident – zumindest übergangsweise bis zur finalen Entscheidung der
       Staatsanwaltschaft – seine Macht abgeben muss.
       
       Die Amtsgeschäfte würde dann Premierminister Han Duck Soo übernehmen. Der
       studierte Ökonom und langjährige Diplomat gilt als besonnener Politiker und
       bestens dafür geeignet, das Land aus seinen tiefen ideologischen
       Grabenkämpfen herauszuhieven. Am Mittwochabend erntete er große Anerkennung
       dafür, dass er trotz der Ausnahmesituation aus der Deckung ging und bei
       einer Veranstaltung der deutschen und französischen Handelskammern
       versuchte, die internationalen Unternehmensvorstände zu beruhigen.
       Südkoreas Bekenntnis zur Marktwirtschaft sei ungebrochen, sagte er.
       
       ## Präsident ist politisch handlungsunfähig
       
       Doch die derzeitige Gretchen-Frage, wer denn momentan tatsächlich die Macht
       in Südkorea habe, konnte auch er nur ausweichend beantworten: „Südkorea ist
       ein Land, in dem Rechtsstaatlichkeit herrscht. Mein Präsident übt seine
       Autorität im Rahmen der Verfassung aus, aber er würde gerne einige seiner
       Befugnisse delegieren“, sagte Han.
       
       Auf dem Papier mag Yoon Suk Yeol noch Präsident sein, doch politisch ist er
       handlungsunfähig. Und beim Volk hat der spätestens seit Mittwoch sämtliche
       Gunst verloren, als nämlich [3][die präsidialen Sicherheitskräfte die
       angerückten Polizisten bei einer angeordneten Razzia im Präsidentenbüro
       blockierten]. Mit der Durchsuchung wollte die Staatsanwaltschaft Dokumente
       konfiszieren, welche die Umstände der Kriegsrechtsentscheidung ausleuchten.
       Yoon jedoch stellte sich mit seiner Verweigerungshaltung ganz dreist über
       das Gesetz.
       
       Die Rechnung dafür bekam das Staatsoberhaupt bereits heute in Form von
       zunehmendem Volkszorn präsentiert. Die in Teilen linksradikale Gewerkschaft
       KCTU hat am Donnerstagnachmittag einen Protestzug einberufen, der sich
       seinen Weg vom Rathaus bis zum Wohnsitz des Präsidenten bahnte. „Verhaftet
       den Rädelsführer Yoon Suk Yeol!“, riefen etwa tausend Demonstranten direkt
       vor dessen Residenz. Sie besetzten ganze Straßenzüge und lieferten sich
       kleine Rangeleien mit der Polizei. Noch scheint die Lage friedlich, aber es
       dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich der Frust in Teilen der
       Bevölkerung in offene Gewalt entlädt.
       
       12 Dec 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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