# taz.de -- Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York: Mörder-Model Mangione
> In New York erschoss mutmaßlich Luigi Mangione Konzernchef Brian
> Thompson. Im Netz wird er als Robin Hood gefeiert – aus Protest gegen das
> Versicherungssystem.
IMG Bild: Luigi Mangione, Verdächtiger im Fall der Ermordung des United Health-Managers Brian Thompson, am 9.12.2024
Wer [1][Mörder] heiß findet, hat Hybristophilie, auch
Bonnie-und-Clyde-Syndrom genannt. Offenbar scheint gerade eine besonders
heftige Welle dieses Phänomens über die Welt zu schwappen. Denn das
Internet ist sich einig: Luigi Mangione ist der schönste Mörder der
Stunde.
Das bezaubernde Lächeln des 26-Jährigen kennt man am besten aus einem
[2][Überwachungsvideo], das vor wenigen Tagen von der New Yorker Polizei
verbreitet wurde. Es zeigt Mangione in einem Hostel kurz bevor er am 4.
Dezember zum Hilton Hotel aufbrach, wo sich Brian Thompson, CEO der
Krankenversicherung UnitedHealthcare aufhielt. Mangione soll es gewesen
sein, der den 50-Jährigen auf offener Straße erschossen habe.
Etwa fünf Tage lang suchte die Polizei nach ihm. In einem McDonald’s in
Pennsylvania endete die Flucht. Ein Mitarbeiter hatte Mangione erkannt und
die Polizei verständigt. In seiner Tasche fand man eine 3D-gedruckte Waffe,
einen Schalldämpfer, einen Pass und mehrere gefälschte Ausweise.
Als er identifiziert war, dauerte es nicht lange, bis das Internet
überschwemmt war mit seinen Bildern, wieder mit dem bekannten Lächeln vom
Überwachungsvideo, aber auch oberkörperfreie Fotos sah man auf einmal in
den Timelines. Und das Lechzen begann.
Doch nicht nur wegen seines Aussehens wird der US-Amerikaner mit
Ivy-League-Abschluss zelebriert. Besonders Kapitalismuskritiker stilisieren
Mangione derzeit zu einem Helden.
Nachdem die Nachricht von dem Mord an Thompsons die Runden gemacht hatte,
gab es unerwartete Reaktionen. Klient_innen von UnitedHealthcare teilten
ihre Geschichten online: Davon, wie sie von der Krankenversicherung in
Notsituationen im Stich gelassen wurden. Davon, wie Angehörige verstarben,
weil UnitedHealthcare sich geweigert hatte, die Kosten für eine Behandlung
zu übernehmen. Thompson verdiente jährlich 10,2 Millionen Dollar.
## Von Unabomber Ted Kaczynski inspiriert
Der Mord wird als revolutionär gesehen, Mangione als eine Art Robin Hood.
Ermittler gaben bekannt, dass Mangione Anfang des Jahres das Manifest des
[3][Unabombers] Ted Kaczynski gelesen und in einem Kommentar verteidigt
haben soll. Der Terrorist hatte zwischen 1978 und 1995 Bomben mit der Post
verschickt. Magiones Kommentar endete mit den Worten: „‚Gewalt hat noch nie
etwas gelöst‘ ist eine Aussage, die von Feiglingen und Prädatoren stammt.“
Auch am Tatort gab es Beweise für seine Haltung: Auf Patronenhülsen, die
Ermittler dort fanden, standen die Worte „delay“, „deny“ und „depose“,
geschrieben, also „verzögern“, „verweigern“ und „absetzen“ – ein Mantra der
Versicherungsbranche, das ihre Kritiker_innen anprangernd verwenden.
Ursprünglich stammt es aus dem Buchtitel „Delay, Deny, Defend. Why
Insurance Companies Don’t Pay Claims and What You Can Do About It“ von Jay
M. Feinman über die Versicherungsindustrie.
UnitedHealthcare musste unter Social-Media-Posts, die den Tod verkündeten,
die Kommentarfunktion ausschalten, da Tausende mit lachenden oder
applaudierenden Emojis reagierten. Kritik über diese Häme ließ nicht lange
auf sich warten. Der New Yorker [4][etwa beklagte], „dass die Leute den
kaltblütigen Mord an einem hart arbeitenden Familienvater offen feiern“.
Auch wenn das mit der Selbstjustiz schwierig ist, ist etwas Genugtuung über
den Tod eines Millionärs, der mit dem Leid anderer reich werden konnte,
verständlich. Bloß verlieben sollte man sich in den Mörder nicht.
10 Dec 2024
## LINKS
DIR [1] /Thriller-Der-Killer-im-Kino/!5965512
DIR [2] https://abcnews.go.com/US/police-piece-unitedhealthcare-ceo-shooting-suspects-escape-route/story?id=116475329
DIR [3] /Amerikanischer-Unabomber-gestorben/!5939718
DIR [4] https://www.newyorker.com/news/the-lede/what-the-murder-of-the-unitedhealthcare-ceo-brian-thompson-means-to-america
## AUTOREN
DIR Valérie Catil
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