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       # taz.de -- Stellenabbau bei Autobauern: Scholz macht Wahlkampf bei Ford
       
       > Der US-Autobauer wollte bei der Betriebsversammlung in Köln keine Details
       > zum Jobabbau nennen. Auch der Auftritt von Kanzler Scholz stieß auf
       > Skepsis.
       
   IMG Bild: Ford: Scholz kam zur Betriebsversammlung, um zu den Beschäftigten zu sprechen, von denen viele um ihre Jobs bangen
       
       Köln taz | IG Metall-Vertrauensmann Marco Tröscher ist nicht zufrieden.
       „Die Geschäftsführung macht immer wieder leere Versprechungen“, sagt
       Tröscher nach der Betriebsversammlung am Dienstag bei Ford in Köln. „Bis es
       Klarheit gibt, wird die Belegschaft sie gnadenlos ausbuhen.“ Zu Recht,
       findet Tröscher. Eigentlich hatte die Gewerkschaft eine Zukunftsvision für
       den Standort erwartet. [1][Denn der Ford-Konzern hatte vor etwa drei Wochen
       angekündigt, bis 2027 4.000 Arbeitsplätze in Europa zu streichen, 2.900
       davon in Köln.]
       
       Doch Geschäftsführer Marcus Wessenberg habe auch heute noch immer keine
       Details dazu benannt, kritisiert Tröscher. Er steht in der riesigen
       Werkshalle W1. Lange Reihen leerer Stühle erstrecken sich von einem bis zum
       anderen Ende unter dem gewölbten Dach aus Stahl und vergilbtem Glas.
       Winterliches Grau schimmert durch. Vorne ist eine Bühne aufgebaut, das
       Ford-Logo vor einem blauen Stoffvorhang im Hintergrund. Vor wenigen Stunden
       hat hier Olaf Scholz (SPD) gesprochen und Unterstützung für die E-Mobilität
       in Europa gefordert. [2][Denn wie auch andere Autobauer begründet Ford die
       geplanten Stellenstreichungen vor allem mit dem schwachen Absatz auf dem
       E-Automarkt.]
       
       ## Scholz fordert Unterstützung für E-Mobilität
       
       Längs der Stuhlreihen in W1 stehen Absperrgitter, die mit Bannern bezogen
       sind. „Go Electronic“ steht darauf. In den Kölner Werken produziert Ford
       zwei Elektroautomodelle, Verbrenner werden hier nicht mehr gebaut. Kanzler
       Scholz bringt als Unterstützungsmöglichkeiten die Förderung der
       europäischen Produktion oder des Verkaufs von E-Autos ins Spiel. Eine
       Verkaufsförderung gab es in Deutschland mit der sogenannten Umweltprämie
       noch bis Ende letzten Jahres. Der Einbruch der Neuzulassungen von E-Autos
       ist wohl auch auf ihr Wegfallen zurückzuführen: Laut Kraftfahrtbundesamt
       wurden in Deutschland bis einschließlich Oktober dieses Jahres rund 27
       Prozent weniger Elektroautos zugelassen als im Vorjahreszeitraum. Nicht nur
       für die Wirtschaft ist das problematisch: [3][Eine Studie, die das
       International Council on Clean Transportation letzte Woche veröffentlicht
       hat, zeigt, dass sich der Umstieg auf E-Mobilität beschleunigen muss, damit
       die Klimaziele noch erreicht werden können.]
       
       An der Straßenbahnhaltestelle Köln Niehl Fordwerke Mitte steht ein junger
       Mann in gelber Werksjacke. Er tanzt gerade zur Musik seiner
       In-Ear-Kopfhörer. Aber um über die heutige Versammlung zu sprechen, nimmt
       er sie raus. „Für mich ist das, was heute hier gelaufen ist, einfach nur
       lächerlich“, sagt der Mann mit den dunklen, langen Haaren. Seinen Namen
       möchte er nicht nennen. Er selbst sei über eine Tochtergesellschaft bei
       Ford angestellt. Aber auch er mache sich, so wie seine Kollegen von Ford,
       große Sorgen um die Zukunft. Dass sich die Geschäftsführung nicht klar zu
       ihren Plänen äußert, findet er respektlos. Den Auftritt des Kanzlers hält
       er für unauthentisch. „Wenn nicht Wahlkampf wäre, wäre der hier nicht
       aufgetaucht“, meint er und grinst spöttisch.
       
       ## E-Auto-Krise als vorgeschobener Grund
       
       Gewerkschafter Tröscher hält den Kanzlerbesuch zwar für ein Zeichen der
       Wertschätzung. Aber dass er tatsächlich etwas an der Situation der
       Belegschaft verändern kann, bezweifelt er. Denn die Gewerkschaft IG Metall
       glaubt nicht, dass es sich bei den Kürzungsplänen der Geschäftsführung
       tatsächlich um Zwänge aufgrund der schwierigen Situation auf dem
       E-Auto-Markt handelt. Stattdessen führt sie die angekündigten Kürzungen
       darauf zurück, dass Ford seit einiger Zeit auf den Bau teurer, großer Autos
       setze. Die brächten dem Unternehmen zwar mehr Umsatz, benötigten jedoch
       weniger Produktionskapazitäten und damit Mitarbeitende, so die
       IG-Metall-Einschätzung. Man wolle dem Konzern bei den geplanten
       Stellenstreichungen deshalb nicht entgegenkommen. Darauf wäre die
       Geschäftsführung allerdings angewiesen, denn bis Ende 2032 gilt eine
       Jobgarantie, die letztes Jahr vereinbart wurde. Ohne Mitwirkung der
       Gewerkschaft sind Entlassungen also eigentlich nicht möglich. Der Konzern
       müsste jetzt also mit den Arbeitnehmervertreter*innen darüber
       verhandeln.
       
       Benjamin Gruschka, Betriebsratschef von Ford Deutschland, sagt nach der
       Versammlung, in der Nacht zuvor habe er eine Einladungsmail zu einem
       Gespräch mit der US-amerikanischen Geschäftsführung erhalten. Das werde
       voraussichtlich im Januar stattfinden. Vorher gibt es wohl keine
       Neuigkeiten für die Kölner Ford-Arbeiter*innen.
       
       10 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marie Gogoll
       
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