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       # taz.de -- Die Top-Weihnachts-Episoden von Serien: Trost des Bildschirms
       
       > Weihnachten ist das Fest der multiplen sozialen Krisen. Manchmal hilft
       > die Flucht in fiktive Welten: Tipps für Lieblingsepisoden von der
       > Redaktion.
       
   IMG Bild: Ankündiger für „Dr. Who: Fest der Liebe“
       
       Dr. Who: Kapitalisten erweichen
       
       [1][Doctor Who] ist nicht nur ein zeitreisender Alien der BBC und das schon
       seit 1963. Heißt, es ist schwer, sich zwischen den vielen
       [2][Weihnachts-Specials] zu entscheiden. Jedes Jahr wieder. Alle paar Jahre
       wechseln die Darsteller*innen und auch der Charakter des Doktors ändert
       sich. Soll es der grummelige Doktor sein? Der neue? Der schottische?! Für
       mich meistens: der lustige, chaotische mit der tragischen Liebesgeschichte,
       der 11. (Matt Smith). So sollte Weihnachten sein, im Idealfall ohne
       „tragisch“ vor „Liebesgeschichte“. Aber selbst der 11. Doktor hat mehrere
       Specials.
       
       In meiner Lieblingssendung schwimmen Haie bei Nebel aus den Wolken in die
       Stadt, während der Doktor versucht, einen Ultrakapitalisten zu erweichen,
       der Schuldner*innen einfriert. Charles Dickens’ „Weihnachtsgeschichte“,
       nur mit mehr Fisch und Technik. Aber statt wie der „Geist der vergangenen
       Weihnacht“ dröge einen emotional misshandelten Jungen vorzuführen, besucht
       der Doctor – Zeitreisender! – ihn einfach jedes Weihnachten wieder und
       schenkt ihm, was allen Kindern zusteht: Abenteuer, Zuneigung und Momente
       der Hoffnung. Johannes Drosdowski
       
       „Doctor Who: Fest der Liebe“, Staffel 5, Episode 14, AppleTV 
       
       The Bear: Zusehen ist Stress pur
       
       Vielleicht ist die Weihnachtsepisode von [3][„The Bear“] die
       unweihnachtlichste, die je geschrieben wurde. Eigentlich eine ästhetisch
       Serie über einen Spitzenkoch, der den Sandwich-Shop seines verstorbenen
       Bruders in Chicago übernimmt. Doch ästhetisch ist in dieser
       Rückblicksepisode nichts. Die betrunkene Mutter (Jamie Lee Curtis) kocht
       in einer vollkommen verdreckten Küche das Weihnachtsessen für die
       Großfamilie: Die Butterbrote werden mit der Hand geschmiert, in der anderen
       muss schließlich der Rotwein gehalten werden. Es gibt kaum eine Szene, in
       der nicht mindestens drei Personen gleichzeitig schreien.
       
       Alle Traumata, Süchte, psychischen Erkrankungen und ungelösten
       Streitigkeiten der Familie Berzatto kommen auf den Tisch. Zwischendurch
       schrillt immer wieder die Küchenuhr wie eine Sirene. Neben all dem
       zwischenmenschlichen Stress will ja auch noch das „Fest der sieben Fische“
       zubereitet werden. Als Zuschauer_in muss man eigentlich alle 5 Minuten auf
       Pause drücken, um selbst nicht vollkommen den Verstand zu verlieren.
       Zusehen ist Stress pur! Zugleich kann man nicht abschalten und muss bis zum
       Ende schauen, wie der Versuch, ein Familienweihnachtsfest zu feiern,
       Schritt für Schritt eskaliert. Wenn man die 1 Stunde und 6 Minuten hinter
       sich gebracht hat, denkt man: Vielleicht ist die Weihnachtsepisode „The
       Bear“ die beste, die je geschrieben wurde. Carolina Schwarz
       
       „The Bear: Fishes“, Staffel 2, Episode 6, Disney Plus 
       
       Big Bang Theory: Problemfrage Geschenk
       
       Ach, Weihnachten: Das Fest der Liebe, der Familie – und der Panik, das
       perfekte Geschenk finden zu müssen. Für Sheldon Cooper, Genie und sozialer
       Elefant im Porzellanladen, gleicht das einem hochkomplexen physikalischen
       Experiment. Als Penny verkündet, dass sie ein Geschenk für ihn hat, ist
       Sheldon weniger erfreut als gestresst. „Du fühlst dich selbstlos, aber du
       legst mir eine Verpflichtung auf!“ Der Mann hat einen Punkt. Der
       „Badeartikel-Geschenk-Hypothese“ folgend versucht er, das perfekt
       gleichwertige Geschenk zu finden.
       
       Nach einer peinlich genauen Analyse verlässt er den Laden mit sechs (!)
       unterschiedlich großen Geschenkkörben – für jede denkbare Schenkkatastrophe
       gerüstet. Doch Pennys Geschenk lässt Sheldons Logik zusammenbrechen: eine
       Serviette, signiert von Mr. Spock höchstpersönlich, Leonard Nimoy. Nicht
       einmal sechs Geschenkkörbe können mithalten. Am Ende kriegt Penny – kaum
       vorstellbar – eine Umarmung! Diese Folge dient als Erinnerung für alle, die
       im Weihnachts- und Konsumstress das Wesentliche aus den Augen verlieren:
       dass es am Ende um die Geste des Schenkens geht, nicht um den Wert.
       Christina Koppenhöfer
       
       „Big Bang Theory: Die Geschenk-Hypothese“, Staffel 2, Episode 11, Netflix 
       
       Alf: Melancholie weglachen
       
       Gordon Shumway, das kleinwüchsige Fellwesen mit den großen Füßen und der
       wehenden Tolle verwechselt Ostern mit Heiligabend und hat im ganzen Haus
       Eier versteckt. Außerdem hat er aufgeschnappt, dass sich die Menschen an
       Weihnachten gegenseitig eine Freude machen, und deswegen seiner
       Gastfamilie, den Tanners, eine Überraschung vorbereitet: Er hat den
       Weihnachtsbaum zu Brennholz zerhackt und fein säuberlich im Wohnzimmer
       gestapelt. Vater Willi versucht, einen neuen zu organisieren, und kommt mit
       einem Besenstiel zurück, an den er Zweige aus Plastik montiert. Das ist so
       jämmerlich, dass er sich mit Alf ins Auto setzt, um im Wald einen Baum zu
       schlagen.
       
       Da der Außerirdische höchstpersönlich die Navigation übernimmt, verfahren
       sie sich. Ob sie erst im März Weihnachten feiern oder noch rechtzeitig nach
       Hause kommen, sei nicht verraten. Ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass
       Alf es in 21 Minuten, die diese Folge dauert, schafft, jegliche
       Weihnachtsmelancholie und sonstigen Trübsal beiseitezulachen. Doris Akrap 
       
       „Alf: Oh Tannerbaum“, Staffel 1, Episode 12, YouTube 
       
       Die drei???: Schöne heile Welt
       
       Wie heiße Schokolade für die Ohren ist das Adventskalenderhörspiel „Die
       drei???“. Es gibt mehrere Weihnachtsfolgen der Kultdetektive Justus, Peter
       und Bob, aber unter Fans ist man sich einig, die von 2015 ist die beste.
       Die Story ist eher fad: Der Festredner einer Spielzeugmesse bricht auf der
       Bühne zusammen, die drei Jungs waren wie immer zur richtigen Zeit am
       richtigen Ort und müssen ermitteln.
       
       Was es hörenswert macht, ist die Atmosphäre der Nostalgie. Seit über 45
       Jahren in gleicher Synchronstimmenbesetzung lösen die drei Fragezeichen
       jeden Fall und geben einem das unerschütterliche Gefühl, dass am Ende alles
       gut wird. In welchem Setting könnte man das besser erzählen als zwischen
       tonnenweise Geschenken, Weihnachtsdekokitsch und feierlichem
       Plätzchenbacken? Eine heile Welt, in der die Protagonist*innen nie
       älter werden, nie Smartphones benutzen und die Hörenden sich einfach wohlig
       kindlich fühlen lassen. Ann-Kathrin Leclère
       
       „Die drei???: „Stille Nacht, düstere Nacht“, Spotify 
       
       Gossip Girl: Krach in Skinny Jeans
       
       Die Thanksgiving-Folgen von „Gossip Girl“ sind legendär dramatisch, an
       Weihnachten hat sich die Serie nur in ihrer Anfangszeit versucht.
       Vielleicht weil das Fest der Liebe für die Rich Kids von der Upper East
       Side zu viel Versöhnung und Frieden fordert. In der ersten Staffel ist die
       Serie noch sanfter. Wahrscheinlich klappt deswegen die entzückende
       Weihnachtsgeschichte in „Roman Holiday“: Serena und Dan sind frisch
       verliebt und wollen sich ihre Gefühle beweisen. Dafür suchen sie
       füreinander das beste Geschenk, aber es darf nicht teuer sein. Es gibt
       einen Weihnachtsbaumschmuggel, selbst gebastelte Schneeflocken und
       Teenager-Romantik.
       
       Ganz ohne Drama geht es aber nicht: Blair versucht ihren Vater durch eine
       Intrige von seinem Partner zu trennen und bei den Humphreys kommt es zum
       Familienkrach. Nebenbei bietet „Gossip Girl“ modische Inspiration und zwar
       topaktuelle, die Rüschentops, Faltenröcke und Ballerinas von 2007 kommen
       zurück. Falls auch die Skinny Jeans es noch mal schaffen sollten, kann man
       hier schon mal nachgucken, wie sie getragen werden. Luisa Faust
       
       „Gossip Girl: „Roman Holiday“, Staffel 1, Episode 1, Netflix 
       
       Shaun das Schaf: Aufgefangen im Kollektiv
       
       Einsamkeit ist das Großthema unserer Zeit. Ich erinnere mich in diesen
       dramatischen Tagen an ein Gespräch mit einem aus Syrien geflüchteten
       Bekannten, der in Deutschland krank wurde. Er sei, sagte er, in Syrien
       schlicht nie länger als ein paar Stunden allein gewesen, hier in
       Deutschland plötzlich tagelang.
       
       Der Bauer in dieser schon 15 Jahre alten Folge von „Shaun das Schaf“
       versorgt als Weihnachtsmann liebevoll seine Tiere und zappt sich dann, noch
       im Kostüm, frustriert durch das TV-Programm, bevor er tief traurig ins Bett
       schlurft. Bitzer, dem sensibelsten Hund der Welt, kommen die Tränen, als er
       sein Herrchen so vollkommen verlassen sieht. Shaun, das klügste Schaf der
       Welt, belässt es nicht bei der Trauer, sondern wird aktiv. Und wie! Die
       ganze Herde hilft mit. Teil einer Herde zu sein, das ist die Botschaft
       dieser Episode, ist eben das Schönste; zumindest an Weihnachten. Ambros
       Waibel
       
       „Shaun das Schaf: Fröhliche Weihnachten“, Staffel 2, Episode 40,
       ARD-Mediathek 
       
       Black Mirror: Resilienzbooster Mind Fuck
       
       Eine einsame Hütte mitten im Schnee. Holzvertäfelte Wände, eine kleine,
       funktionale Küche und ein bisschen rotes Lametta. Matt (Jon Hamm) und Joe
       (Rafe Spall) wohnen dort seit fünf Jahren. Der US-Amerikaner und der
       Engländer kommen sich am 25. Dezember beim Weihnachtsessen endlich näher.
       Um das Eis zu brechen, erzählt Matt, wie er früher Männern online dabei
       half, Frauen zu verführen. Ganz langsam öffnet sich auch Joe. Er erzählt
       von einer gescheiterten Beziehung, die in einem Block endete: eine ins
       echte Leben übertragene Funktion, die man von Social Media kennt. Sie
       verursacht, dass man Menschen nur noch als graue Silhouetten sieht.
       
       Die Hütte wirkt immer klaustrophobischer, das Gespräch bedrohlicher. Wie
       waren die Männer dort hingekommen? Woher kennen sich Matt und Joe
       eigentlich? Obwohl die Folge bereits zehn Jahre alt ist, wirken die „Black
       Mirror“-typischen Technologien noch so dystopisch wie damals. Wer an
       Weihnachten neben dem Mindfuck Familie auch den von dieser Serie aushält,
       für den lohnt sich ein Rewatch. Valérie Catil
       
       „Black Mirror: White Christmas“, Staffel 2, Episode 4, Netflix 
       
       Sopranos: Verbotene Gefühle
       
       Weihnachten ist die Zeit der Beisinnlichkeit. Diese Feiertagsfloskel hat
       für einen Mafioso eine ganz besondere Bedeutung. Für Tony Soprano heißt
       innere Einkehr, sich beim Blick auf die tosenden Wellen des Atlantiks an
       einen guten alten Freund zu erinnern, dessen Leiche er in ebendiesen Wellen
       entsorgt hat. Pussy, wie dieser Freund hieß, hatte schließlich mit dem FBI
       kooperiert – weshalb Tony und sein Team sich vor fünf Jahren genau an
       diesem Ort, auf der Promenade von Asbury Park in New Jersey, mit ihm
       getroffen hatten, um eine Bootsfahrt zu unternehmen, von der der gute alte
       Freund nie wieder zurückkehrte. Verrat ist harter Tobak.Doch ein Mafiaboss
       darf selbst an Weihnachten nicht verzeihen.
       
       Tony ist nicht irgendein Mafiaboss. Schließlich arbeitet er sich in einer
       Psychoanalyse nach und nach zu jenen Gefühlen durch, die aus Sicht eines
       Mafiabosses eigentlich nicht sein dürfen. Deshalb blickt er nun auf der
       Promenade von Asbury Park versunken aufs Meer, erinnert sich an einen
       Freund, den er geliebt hat, und spürt so etwas wie: Sehnsucht. Volkan Ağar
       
       „Sopranos: Save Us All from Satan’s Power“, Staffel 3, Episode 10, WOW
       
       12 Dec 2024
       
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   DIR Ann-Kathrin Leclere
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