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       # taz.de -- Pressefreiheit unter Netanjahu: Israels Regierung boykottiert Zeitung „Haaretz“
       
       > Die israelische Zeitung „Haaretz“ stößt immer wieder Debatten an – auch
       > über die Regierung. Die will fortan nicht mehr mit ihr kommunizieren.
       
   IMG Bild: Verschiedene Zeitungen u.a. Haaretz (M) mit Protest-Schlagzeile „Ein schwarzer Tag für die israelische Demokratie“, am 25.7.2023
       
       Jerusalem taz | Israels älteste Tageszeitung Haaretz ist eine der lautesten
       Kritikerinnen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dessen
       rechtsnationalistischer Regierung. Die Analysen und Recherchen der
       Redaktion prägen über ihre direkte Leserschaft hinaus nicht nur Debatten in
       Israel, sondern auch international. Als einziges großes israelisches
       Nachrichtenmedium richtet die 1919 gegründete Zeitung seit Beginn des
       Krieges in Gaza den Blick immer wieder auf das Leid der palästinensischen
       Bevölkerung.
       
       Die israelische Regierung würde dem gerne ein Ende bereiten: Am Sonntag
       nahm das Kabinett laut Kommunikationsminister Shlomo Karhi einstimmig einen
       Vorschlag an, der allen Regierungsvertretern und Angestellten von staatlich
       finanzierten Organisationen vorschreibt, nicht mehr mit der Zeitung zu
       kommunizieren oder dort Anzeigen zu schalten.
       
       „Wir befürworten eine freie Presse und Meinungsfreiheit, aber auch die
       Freiheit der Regierung, Aufhetzen gegen den Staat Israel nicht zu
       finanzieren“, hieß es in Karhis Mitteilung.
       
       Haaretz warf der Regierung [1][in einer Stellungnahme] vor, der Boykott sei
       „ein weiterer Schritt auf Netanjahus Weg, die israelische Demokratie zu
       zerstören“. Vize-Chefredakteurin [2][Noa Landau schrieb beim Onlinedienst
       X:] „Wir werden uns nicht einschüchtern lassen.“ Im Schatten eines Krieges
       die Medien und das Justizsystem zu schwächen, entspreche dem „Handbuch
       einer jeden Diktatur“. Die Zeitung kritisierte, dass der Vorschlag im
       Vorfeld nicht auf der Tagesordnung gestanden habe und nicht wie üblich vom
       Büro der Generalstaatsanwaltschaft geprüft wurde.
       
       Die Haaretz-Redaktion hat seit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober eine
       Reihe von Recherchen über das Fehlverhalten hochrangiger Regierungsbeamter
       und Armeeangehöriger veröffentlicht und einen Waffenstillstand zur
       Befreiung der in Gaza gefangenen israelischen Geiseln befürwortet.
       
       ## Weitere Pläne für israelische Medienlandschaft
       
       Karhi rechtfertigte den Boykott mit Äußerungen des Haaretz-Herausgebers
       Amos Schocken. Dieser hatte über die völkerrechtswidrigen israelischen
       Siedlungen im besetzten Westjordanland gesagt: „(Die israelische Regierung)
       ignoriert den Preis der Verteidigung der Siedlungen für beide Seiten,
       während sie palästinensische Freiheitskämpfer bekämpft, die Israel
       Terroristen nennt.“ Er habe sich nicht auf die Hamas bezogen, erklärte er
       später. Haaretz veröffentlichte einen Leitartikel mit dem Titel
       „Terroristen sind keine Freiheitskämpfer.“
       
       Karhi dürften die Details kaum interessieren: Er hatte einen Boykott
       [3][bereits 2023 gefordert] und der Zeitung die Verbreitung „defätistischer
       und falscher Propaganda während eines Krieges“ vorgeworfen. Für die
       israelische Medienlandschaft hat er noch weitergehende Pläne: Wenige
       Stunden nach dem Boykottbeschluss, sprach sich die Regierung für einen
       Gesetzesvorschlag aus, dem zufolge der öffentlich-rechtliche Sender [4][KAN
       11 binnen zwei Jahren entweder privatisiert] oder geschlossen werden soll.
       Die Regierung soll mehr Kontrolle über das Budget des
       öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie über die Erhebung von
       Einschaltquoten erhalten.
       
       Israels Pressefreiheit dürfte das weiter schaden. Das Land liegt im
       globalen Index von Reporter ohne Grenzen bereits heute auf Platz 101 von
       180. Im Mai hatte Israel das lokale Büro des katarischen Senders Al Jazeera
       geschlossen.
       
       25 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://x.com/haaretzcom/status/1860702180342112337
   DIR [2] https://x.com/noa_landau/status/1860675458951495843
   DIR [3] https://x.com/shlomo_karhi/status/1727677351083827432
   DIR [4] https://www.timesofisrael.com/ministers-back-bill-to-privatize-kan-public-broadcaster-call-for-haaretz-boycott/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Wellisch
       
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