# taz.de -- Gewalt gegen queere Personen bleibt hoch: Queerfeindliche Gewalt steigt
> Der 3. Queer Monitor bringt neue Rekordzahlen. Muslime seien nicht öfter
> Täter als andere. Das Problem sind Männer.
IMG Bild: Trans-Flagge auf einer Demo zum Internationalen Frauentag
Berlin taz | Der Berliner Monitor zu queerfeindlicher Gewalt hat für das
Jahr 2023 insgesamt 588 Fälle erfasst. „Damit haben wir einen nie
dagewesenen Höchstsand erreicht“, sagt Dr. Albrecht Lüter, der als
Wissenschaftler mit dem Camino Institut den Monitor herausgegeben hat, bei
der Vorstellung am Mittwoch. Cansel Kiziltepe (SPD), die Sozialsenatorin,
die auch für Vielfalt und Antidiskriminierung zuständig ist, spricht von
einem Trend, der „wenig überraschend“ sei.
Das Monitoring ist ein mehrdimensionales Berichterstattungsverfahren, das
neben polizeilichen Statistiken auch wissenschaftliche und
zivilgesellschaftliche Daten, also Angaben von queeen Vereinen und
Initiativen, heranzieht. Zu den häufigsten Formen queerfeindlicher Gewalt
zählen mit 45,4 Prozent Beleidigungen; Körperverletzungen sind mit 11,6
Prozent auf dem zweiten Platz. Davon gesondert wurde die gefährliche
Körperverletzung mit 9,4 Prozent gezählt. Etwa die Hälfte dieser Fälle
findet im öffentlichen Raum statt, gefolgt vom öffentlichen Nahverkehr und
dem digitalen Raum.
Mehrfach betonten die Senatorin und Wissenschaftler:innen, dass keine
spezifische ethnische Personengruppe oder soziale Schicht als besonders
queerfeindlich einzuschätzen ist. „Die Zahlen und Fakten geben nicht her,
dass arabische oder muslimische Menschen queerfeindlicher sind als andere
Gruppen“ so Lüter. Welche Gruppe allerdings besonders stark als Täter zu
verzeichnen ist, seien Männer. Als Grund dafür sehen die Expert:innen
ein bestimmtes Männlichkeitsbild, welches immer noch bei Männern den Impuls
auslöse, Gruppen, von denen sie sich in ihrer Männlichkeit bedroht sehen,
gezielt anzugreifen.
## Mehr Sichtbarkeit führt zu mehr Gewalt
Beobachten lasse sich, so Lüter zur taz, „dass immer wenn queere Personen
sichtbar werden, mehr Gewalt verübt wird“. Mit 65,1 Prozent findet die
Mehrzahl der Taten in nur neun Berliner Ortsteilen statt, in denen die
meisten queeren Personen leben. Der Monat mit dem meisten Übergriffen ist
der Juli. Das kann zum einen an den CSDs liegen, aber auch an einem anderen
Ausgehverhalten im Sommer.
Der thematische Schwerpunkt dieses Monitors lag auf Bi+ Feindlichkeit. Hier
berichten Betroffene am häufigsten von einer Unsichtbarmachung oder
Verleugnung der Tatsache, dass sie mehr als ein Geschlecht begehren. Neben
Vorwürfen und Zuschreibungen als Verräter haben viele BI+ Menschen auch mit
Projektionen und Verkennungen zu tun. Vor allem weibliche BI+ Personen
sehen sich oft mit Projektionen der Promiskuität und der Hypersexualität
konfrontiert. Dies führe dann bei den Betroffenen zu Selbstzweifeln an der
eigenen Orientierung.
Zum Schluss hob die Senatorin die Wichtigkeit der neuen Kampagne „Dir
bleiben nur 48 Stunden“ hervor. Ziel sei es Menschen, die im Nahverkehr
Gewalt erleben, darauf aufmerksam zu machen, dass sie Vorfälle schnell
melden müssen. Denn nach 48 Stunden wird das Videomaterial von
Überwachungskameras automatisch gelöscht – dann entfalle die Möglichkeit,
es auszuwerten und Täter:innen zu ermitteln.
18 Dec 2024
## AUTOREN
DIR Raweel Nasir
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