# taz.de -- Verlegerin über den Buchmarkt: „Wir sind schon seit 20 Jahren pleite“
> In Hamburg laden kleine Buchverlage zum zweiten Mal zu einer eigenen
> Buchmesse. Es fehle an Sichtbarkeit, sagt die Verlegerin Nora Sdun.
IMG Bild: Ebenso schwer zu halten wie die unabhängigen Verlage sind unabhängige Buchhandlungen wie diese in Leipzig
taz: Frau Sdun, wie kommt man auf die Idee, einen eigenen Verlag zu
gründen?
Nora Sdun: Bei Textem ist das 20 Jahre her. Wenn man irgendwie zusammen
rumlungert, gerade fertig mit’m Studium, sich überlegt, was man noch für
Quatsch machen kann. Erst mal ging es um Künstler*innenbücher und
-kataloge. Dann kamen Essays dazu, die um Kulturproduktion kreisen, im
weiteren und engeren Sinne. Zusammengefasst: Einen Verlag gründet man nicht
aus dem Kalkül, damit Geld zu verdienen, sondern das entsteht aus
Netzwerkbegeisterung und einem Bewusstsein dafür, dass man Banden bilden
muss.
taz: Viele kleine Verlage sehen sich heute in einer existenziellen Krise.
Sdun: [1][Textem] ist schon seit der Gründung vor 20 Jahren pleite und
macht trotzdem immer weiter. Niemand, der hier arbeitet, kann davon leben.
Das ist ein grundsätzliches Problem vieler unabhängiger Verlage.
taz: Welches Problem ist momentan das größte?
Sdun: Eines, das alle haben, ist fehlende Sichtbarkeit. Das liegt an der
verschobenen Aufmerksamkeitsökonomie, die auch viel mit [2][Social Media]
zu tun hat. Viele unabhängige Verlage sind Ein-Mann- oder
Zwei-Frau-Betriebe und können das andauernde Klappern und Trommeln auf
allen Kanälen nicht leisten. Weniger Sichtbarkeit liegt auch an den
schrumpfenden Feuilletons in den Medien: Es gibt immer weniger Rezensionen.
Auch werden [3][unabhängige Buchhandlungen] weniger – wobei es da in
Hamburg ja noch schöne Beispiele gibt.
taz: Was ist mit den steigenden Papierpreisen?
Sdun: Die spielen natürlich auch eine Rolle. Wenn man vor zehn Jahren noch
Auflagen von 1.000 Stück gedruckt hat, sind es heute 300. Die
[4][Produktionskosten sind gestiegen] und es werden weniger unserer Bücher
gekauft. Um dem Preisdruck auszuweichen, drucken fast alle Verlage nicht
mehr nur in Deutschland, sondern auch im europäischen Ausland, wo es
billiger ist. Obendrein lauert Amazon an jeder Weggabelung:
Online-Zwischenhändler verdienen Geld mit saftigen Vermittlungspauschalen,
ihre Arbeit besteht aber nur darin, Bestellungen an uns weiterzuleiten.
Trotzdem ist, glaube ich, kein einziger der Hamburger Verlage nicht auch
darüber zu beziehen.
taz: Stichwort Sichtbarkeit: Die ist auch das Anliegen der unabhängigen
Buchmesse.
Sdun: Daran nehmen 40 Verlage teil. Die meisten sind in der [5][Liste
unabhängiger Verlage Hamburg (LuV)] organisiert, aber wir haben auch ein
paar befreundete Verlage dabei, unter anderem aus Berlin, Weimar und Köln.
Die Messe bietet Literatur, Krimis, Kinderbücher, Comics, plattdeutsche
Literatur, Philosophie und aktuelle Theorie. Es ist ein grandioses
Durcheinander, und es macht Spaß, die kontrastierenden Programme direkt
nebeneinander zu sehen.
taz: Und sonst noch?
Sdun: Die Messe startet am Freitag mit Kabarett von Lisa Politt. Dann
stellen die Verlage sich je eine Minute vor und es gibt Gelegenheit, ins
Gespräch zu kommen. Am Samstag wird es beim Vortrag über die Geschichte
kleiner Verlage auch um die Tücken der Professionalisierung gehen. Die
Messe feiert die kleinen Verlage für ihren Eigensinn, auch für ihre
Sturheit, und den unverbrüchlichen Glauben ans [6][Lesen] als
Kulturtechnik.
5 Dec 2024
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## AUTOREN
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