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       # taz.de -- Nach Assads Sturz: Helft Syrien jetzt!
       
       > Historische Beispiele zeigen: Das befreite Land steht jetzt vor einer
       > kritischen Phase. Und braucht dringend internationale Unterstützung.
       
   IMG Bild: Es gibt viel zu besprechen und wieder aufzubauen in Syrien
       
       Der Hilfsbedarf ist immens. [1][Die neue Regierung aus ehemaligen
       Rebellen], die nach dem Sturz der Diktatur die Macht übernommen hat, steht
       vor dem Nichts: Der Staatsapparat existiert weitgehend nur auf dem Papier,
       es gibt kaum Geld; Nahrungsmittel und Treibstoffe sind rar, die produktive
       Wirtschaft liegt am Boden, Strom- und Wasserversorgung sind in großen
       Teilen zerstört, Millionen von Menschen leben als Vertriebene völlig
       mittellos irgendwo im Land.
       
       Diese Lagebeschreibung lässt sich auf jedes Land anwenden, in dem eine
       Guerilla mit der Waffe ein brutales Terrorregime gestürzt hat. Von Vietnam
       über Kambodscha, Uganda, Afghanistan, Somalia, Äthiopien, Ruanda, die
       Demokratische Republik Kongo, die Zentralafrikanische Republik bis Libyen
       wiederholt sich diese Geschichte; dazu kommen so manche anderen
       Bürgerkriege.
       
       Jetzt erlebt es auch Syrien. Die Weltgemeinschaft müsste eigentlich darauf
       vorbereitet sein. Aber international gibt es kein Konzept zum Umgang mit
       Syrien außer ein „mal sehen, was da kommt“ aus der Ferne und „ich schütze
       meine Interessen“ vor den Nachbarn. Das ist der Lage unangemessen.
       
       Alle genannten Beispiele haben eines gemeinsam: Der Weg vom Umsturz zum
       Staatszerfall ist sehr kurz und wird in der Regel unabsichtlich
       beschritten. Meist war der Diktator der Einzige, der den Staat
       zusammenhielt, seine Gegner waren vielfältig und disparat. Nach dem Umsturz
       muss eine neue Grundlage für ein Gemeinwesen erst noch geschaffen werden.
       Überlässt man das dem spontanen Spiel der Kräfte, entscheiden allein die
       Waffen, und am Ende gibt es entweder eine neue Autokratie oder einen neuen
       Bürgerkrieg.
       
       ## Mindestmaß an Staatlichkeit
       
       Es braucht viel Weitsicht, damit das anders läuft – und viel Unterstützung
       für die Weitsichtigen. Bisher gehört Syriens neuer Übergangspräsident
       [2][Ahmed al-Scharaa] eindeutig zu den Weitsichtigen: Eine
       Übergangsregierung aus seinen eigenen Reihen soll zunächst ein Mindestmaß
       an Staatlichkeit gewährleisten und schon kommende Woche einen nationalen
       Dialog einleiten. Darin sollen alle Kräfte gemeinsam eine neue
       Verfassungsordnung entwerfen, die dann mit freien Wahlen Wirklichkeit wird.
       Vier Jahre setzt er dafür an.
       
       Nun gibt es Kritiker, denen vier Jahre viel zu viel sind. Aber vier Jahre
       sind eher wenig, wenn ein Land am Nullpunkt steht. Deutschland brauchte
       1945 ebenfalls vier Jahre bis zur Staatsneugründung, und das ging auch
       nicht ohne Hilfe. Syriens neuen Machthabern Zeit zu geben und sie auf ihrem
       Weg zu unterstützen und zu stabilisieren – das muss jetzt die Maßgabe für
       die internationalen Partner sein.
       
       1 Jan 2025
       
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