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       # taz.de -- Kanzler Scholz überraschend in Kyiiw: Waffenversprechen bei Blitzbesuch in der Ukraine
       
       > Überraschend reist Kanzler Olaf Scholz in die Ukraine, zum zweiten Mal
       > seit Kriegsausbruch. Vor Ort kündigt er weitere Waffenlieferungen an.
       
   IMG Bild: Kanzler Olaf Scholz in Kyjiw – Oleksandr Mischtschenko, Vize-Minister für Auswärtige Angelegenheiten, empfängt ihn
       
       Kyjiw/Berlin dpa/afp/taz | [1][Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)] ist
       überraschend zu einem Besuch in der Ukraine eingetroffen. Scholz kam am
       Montagfrüh in der Hauptstadt Kyjiw an. Es ist der zweite Besuch des
       Kanzlers seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022. Den ersten
       hatte Scholz im Juni 2022 mit [2][Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron
       und dem damaligen italienischen Regierungschef Mario Draghi] unternommen.
       
       Scholz sieht sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, die Ukraine zu
       zögerlich zu unterstützen. So wurde er wiederholt vergeblich gedrängt,
       deutsche [3][Taurus-Marschflugkörper] an die Ukraine zu liefern.
       Deutschland ist nach den USA der größte Unterstützer der Ukraine mit
       Militärhilfen.
       
       Die Debatte um Taurus-Lieferungen an die Ukraine war wieder aufgeflammt,
       nachdem die USA Kyjiw vor zwei Wochen die Erlaubnis erteilt hatten,
       US-Raketen vom Typ ATACMS gegen Ziele auch im russischen Hinterland
       einzusetzen. Die Taurus-Marschflugkörper haben eine noch größere Reichweite
       als die ATACMS.
       
       Scholz stellt der Ukraine am Montag baldige weitere umfangreiche
       Rüstungslieferungen in Aussicht. Bei seinem Treffen mit dem
       [4][ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj] werde er „weitere
       Rüstungsgüter mit einem Wert von 650 Millionen Euro ankündigen, die noch im
       Dezember geliefert werden sollen“, erklärte Scholz bei seiner Ankunft in
       Kyjiw.
       
       ## Deutschland „stärkster Unterstützer in Europa“
       
       Die Ukraine verteidige sich „auf heldenhafte Art und Weise gegen den
       erbarmungslosen russischen Angriffskrieg“, erklärte Scholz weiter. Mit
       seinem Besuch wolle er seine Solidarität mit der Ukraine ausdrücken.
       Deutschland werde „der stärkste Unterstützer der Ukraine in Europa
       bleiben“. Die Ukraine könne sich auf Deutschland verlassen, so Scholz. „Wir
       sagen, was wir tun. Und wir tun, was wir sagen.“
       
       Der Besuch wurde aus Sicherheitsgründen vorher nicht angekündigt. Kyjiw
       wird derzeit immer wieder von russischen Drohnen attackiert. [5][Die
       Ukraine steht stark unter Druck]. Im Osten des Landes erzielt die russische
       Armee seit Monaten stetig Geländegewinne. Die Ungewissheit für die Ukraine
       wird zudem durch den im Januar anstehenden Wiedereinzug von Donald Trump
       ins Weiße Haus erhöht. Der designierte US-Präsident steht den
       Milliardenhilfen für die Ukraine ablehnend gegenüber.
       
       Der Wunsch nach einer formellen Einladung in die Nato wurde der Ukraine bis
       heute nicht erfüllt. Selenskyj erhöht angesichts der russischen
       Gebietsgewinne in den vergangenen Wochen nun allerdings den Druck. „Die
       Einladung in die Nato ist eine notwendige Sache für unser Überleben“, sagte
       er am Sonntag in Kyjiw. Er machte deutlich, dass er sich einen
       entsprechenden Beschluss beim Nato-Außenministertreffen in Brüssel an
       diesem Dienstag und Mittwoch wünsche. Dass es dazu kommt, hält der Ukrainer
       allerdings für unwahrscheinlich. Als Grund nannte er explizit die Skepsis
       in den USA, Deutschland und Ungarn.
       
       Es ist sicher davon auszugehen, dass Selenskyj das Thema bei seinem Treffen
       mit Scholz anspricht. Vor allem die Länder an der Nato-Ostflanke wie Polen
       und die baltischen Staaten hatten schon im vergangenen Jahr beim
       Nato-Gipfel in Vilnius auf eine Einladung an die Ukraine gedrungen, während
       Deutschland und die USA noch nicht so weit gehen wollten.
       
       ## Ukraine als Wahlkampfthema
       
       Weitere Brisanz erhält der Besuch des Kanzlers durch den beginnenden
       Wahlkampf. Scholz hebt dabei seine [6][Doppelstrategie in der
       Ukraine-Politik] als Alleinstellungsmerkmal der SPD hervor: Einerseits
       sichert er der Ukraine weitere Waffenlieferungen für den Abwehrkampf gegen
       Russland zu. Andererseits will er verhindern, dass Deutschland und die Nato
       in den Krieg hineingezogen werden.
       
       Konkret bedeutet das, dass Scholz die schon im Mai 2023 von der Ukraine
       erbetenen Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern
       nicht liefert und auch keine grundsätzliche Erlaubnis für den Einsatz der
       von Deutschland gelieferten Waffen gegen russisches Territorium erteilt.
       Einzige Ausnahme ist die Region um die ukrainische Großstadt Charkiw nahe
       der Grenze, wo die deutschen Raketenwerfer Mars II mit einer Reichweite von
       84 Kilometern eingesetzt werden dürfen.
       
       Beim Wahlkampfauftakt der SPD warf Scholz seinem Herausforderer Friedrich
       Merz (CDU) am Wochenende vor, mit seinem Ukraine-Kurs die Sicherheit
       Deutschlands aufs Spiel zusetzen. Der Unions-Kanzlerkandidat wolle der
       Nuklearmacht Russland mit Blick auf eine mögliche Taurus-Lieferung ein
       Ultimatum stellen, sagte Scholz. „Ich kann da nur sagen, Vorsicht: Mit der
       Sicherheit Deutschlands spielt man nicht Russisch Roulette.“ Merz hatte im
       Bundestag vorgeschlagen, der russischen Führung mit der Lieferung von
       Taurus an die Ukraine zu drohen, falls sie die Angriffe auf die ukrainische
       Zivilbevölkerung nicht einstelle.
       
       Für Irritationen sorgt in der Ukraine nicht nur Scholz’ Haltung zum Einsatz
       weitreichender Waffen gegen Ziele auf russisches Gebiet, sondern auch das
       diplomatische Agieren des Kanzlers. Mitte November hatte Scholz zum ersten
       Mal seit knapp zwei Jahren wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir
       Putin telefoniert. Selenskyj sagte anschließend, Scholz habe damit die
       „Büchse der Pandora“ geöffnet.
       
       Ähnlich äußerte sich der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksij
       Makeiew, am vergangenen Freitag. „Wir haben gesehen, dass Russland und
       Putin nicht auf Gespräche setzen, sondern auf harte Taten“, sagte er der
       Deutschen Presse-Agentur. Russland müsse nun mit „harten Tatsachen“ dazu
       gezwungen werden, sich aus der Ukraine zurückzuziehen.
       
       2 Dec 2024
       
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