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       # taz.de -- 250 Jahre Caspar David Friedrich: Die Welt mit Friedrich sehen
       
       > Das Jahr von Caspar David Friedrich neigt sich dem Ende zu. Die
       > Ausstellungen zu seinem 250. lockten auf eine Deutschlandreise mit dem
       > Maler der Romantik.
       
   IMG Bild: Friedrichs Kunst animiert dazu, sich auf Reisen selbst ein Bild zu machen: das Gemälde Der Wanderer über dem Nebelmeer 1818 im Dresdner Albertinum
       
       Der Mann war ein geübter Wanderer, aber seinen Bewunderern mutet er keine
       langen Wege zu. Genauer genommen ist es natürlich nicht Caspar David
       Friedrich, der einen da auf kurzem Fußweg vom Hamburger Hauptbahnhof in die
       kaum 5 Minuten entfernte Kunsthalle geführt hat, aber nett ist es allemal.
       
       Wir sind auf Deutschlandreise durch ein Jahr voller Ausstellungen, die an
       [1][die Geburt von Deutschlands romantischstem Maler] vor 250 Jahren
       erinnern. Eine Reise, die mit den weiteren Stationen Berlin und Greifswald
       zuletzt nach Dresden führt. Den Auftakt aber macht eben Hamburg mit der
       Jubiläumsausstellung „Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit“.
       
       Frisch bläst der Wind über die nahe Alster. Mehr als 100 Meter vor dem
       Eingang schon flankieren Gitter und orangerote Banner den Weg, auf dem sich
       an den Wochenenden offenbar die Besucher drängeln. [2][335.000 Besucher]
       werden die Ausstellung schließlich gesehen haben – so viele wie nie zuvor
       in der Kunsthalle. Drinnen herrscht andächtige Stille bei gedimmtem Licht,
       und es staut sich nur vor dem Hamburger Highlight, dem „Wanderer über dem
       Nebelmeer“.
       
       Der „Wanderer“ ist in der Kunsthalle zu Hause, er war nicht eigens von
       anderswo auszuleihen. Anders als andere Großwerke Friedrichs wie etwa der
       „Watzmann“, sein Bild von Deutschlands zweithöchstem Berg, aus der Alten
       Nationalgalerie in Berlin oder „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ aus
       Dresden. Überhaupt ist es so, dass es die Museen mit reichlich
       Friedrich-Bestand sind, die die großen Sonderausstellungen in dem
       Friedrich-Jahr anbieten – und nicht etwa die Pinakothek in München [3][mit
       ihren nur sechs eigenen Bildern] aus zweiter Reihe.
       
       ## Zusammenpuzzeln und verpflanzen
       
       Ergänzt wird die Hamburger Ausstellung mit Annäherungen heutiger Künstler
       an Bilder Friedrichs, etwa Fotos von Menschen in ähnlicher Kleidung und
       Pose vor demselben Hintergrund wie auf den Ölgemälden.
       
       Wobei das mit „demselben Hintergrund“ so eine Sache ist. Wer Friedrichs
       Eigenheiten nämlich nicht schon kennt, den kann die Untertitelung „Ruine
       Eldena im Riesengebirge“ durchaus durcheinander und fast dazu bringen, die
       Aufsicht auf einen doch offensichtlichen Fehler hinzuweisen. Denn diese
       Ruine, das müsste man jetzt eigentlich sagen, die stehe nicht im
       Riesengebirge, sondern auch heute noch bei Greifswald, wo der Maler 1774
       geboren wurde.
       
       So ein Hinweis wäre ein peinlicher Moment geworden. Denn wie auf einer der
       vielen Infotafeln zu lesen ist, hat Friedrich oft Dinge zusammengepuzzelt
       und hier eben die Ruine vom Meer ins Gebirge verpflanzt oder vor die
       ansonsten realitätsnahe Abbildung des Watzmanns – Friedrich war gar nicht
       am Berg bei Berchtesgaden und malte ihn nach Vorlagen – noch eine kleine
       Extrakuppe gesetzt.
       
       ## „Unendliche Landschaften“ in Berlin
       
       Drei Monate später und rund 250 Kilometer südöstlich. Es ist Frühling
       geworden, die Hamburger Ausstellung ist seit Anfang April geschlossen, nun
       ist die Alte Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel das Ziel von
       Friedrich-Fans mit der „Unendliche Landschaften“-Schau. Dort hängen die
       Werke ganz anders als in Hamburg, im großen Saal, bei voller Beleuchtung,
       nicht wie in Hamburg, wo einen das gedimmte Licht fast im Bild versinken
       lassen konnte. Im Fokus steht „Der Mönch am Meer“, wie der „Watzmann“ mit
       1,70 auf 1,10 Metern ein großformatiges Bild, auf dem eine schier winzige
       Mönchsgestalt an leerem Strand vor dunklem Meer samt leerem Horizont zu
       sehen ist.
       
       Dass das mit dem leeren Hintergrund erst gar nicht so gedacht war, zeigt
       eine kleine Extraschau im Nebenraum. Mit Röntgen- und anderer Untersuchung
       hat sich nämlich gezeigt, dass Friedrich in die Wellen voll getakelte und
       bis ins Kleinste ausgearbeitete Schiffe gemalt hatte – bloß um sie später
       wieder zu übermalen.
       
       Knapp drei Stunden im Regionalexpress und etwa 175 Kilometer weiter
       nördlich geht die Reise nach Greifswald ins Vorpommersche Landesmuseum.
       Klein, aber äußerst fein zeichnet eine Ausstellung hier seinen Werdegang
       nach. Und führt dabei mit vielen Skizzen und Pinselzeichnungen klar vor
       Augen, dass Friedrich schon 33 Jahre war und damit sein Leben bereits halb
       gelebt hatte, bevor er anfing, in Öl zu malen und seine bekannten Bilder zu
       schaffen.
       
       Die Erinnerung an Friedrichs Geburt vor 250 Jahren beschränkt sich in
       Greifswald aber durchaus nicht auf das Museum. In der ganzen Stadt finden
       sich immer wieder gelbe Hinweisschilder auf sein Treiben in seinem
       Geburtsort, den er mit 20 zum Studium in Kopenhagen verließ, um vier Jahre
       später nach Dresden umzuziehen, wo er den Rest seines Lebens verbrachte.
       Nicht ohne Stolz ist auf einem Banner über dem örtlichen Fluss Ryck zu
       lesen, nur in der Landschaft Greifswalds habe Friedrich zu so einem tollen
       Maler werden können. Und manche seiner Motive lassen sich hier weiter
       begucken: fünf Extrakilometer am Fluss entlang etwa führen zur bereits
       erwähnten Klosterruine im Vorort Eldena.
       
       ## Zum Schluss nach Dresden, wo alles begann
       
       Es ist Herbst geworden, als unsere Deutschlandreise 340 Kilometer südlich
       von Greifswald in Dresden ankommt, wo Friedrich ab 1798 den Großteil seines
       Lebens verbrachte. Noch bis zum 5. Januar kann man hier einen Eindruck
       davon bekommen, welche Künstler ihn angeregt haben dürften. Denn im
       Albertinum haben die Ausstellungsmacher für die Schau „Wo alles begann“
       seine Werke mit den wichtigsten Landschaftsbildern aus der Gemäldegalerie
       ergänzt, die auch Friedrich selbst bei seinen Museumsbesuchen dort gesehen
       hat.
       
       Auch sein „Hünengrab im Schnee“ hängt dort. Laut Infotafel ließ sich
       Friedrich dabei von einem Hünengrab bei Gützkow inspirieren. Gützkow? Zu
       dumm: Das ist bei Greifswald, da hätte man ja auf dem Weg nach Dresden
       einen Abstecher, um das mal in echt … Doch da wäre nichts zu sehen gewesen:
       „…wurde 1819 zur Steingewinnung gesprengt“, heißt es in der Bild-Info
       weiter.
       
       Hamburg, Berlin, Greifswald, Dresden. Das sollte es eigentlich gewesen sein
       mit der von Friedrich angeleiteten Deutschlandreise.
       
       ## Der Kreis zurück zum Start
       
       Aber wenn schon in Dresden, warum dann nicht noch einen Abstecher dorthin
       machen, wo auch der Maler wanderte und skizzierte, in die Sächsische
       Schweiz? Mit S-Bahn und Bus ist es über Pirna kaum eine Stunde bis zum
       Beginn des Malerwegs, einer in den vergangenen Jahren auch international
       bekannt gewordenen Wanderroute. Von dort geht es bald in den Uttewalder
       Grund, einen tiefen Einschnitt zwischen Felswänden, der mit seinen moosigen
       Steinblöcken auch die Kulisse für so manchen Märchenfilm abgeben könnte.
       
       Enger und enger wird der Weg, bis er durch einen Spalt führt, über dem sich
       ein irgendwann mal abgestürzter Brocken verklemmt hat. Urzeitlich wirkt
       das, Dresden und Albertinum und sämtliche Museen scheinen hier draußen
       Lichtjahre entfernt.
       
       Doch was steht ein paar 100 Meter weiter am Wegesrand? Eine kleine Tafel,
       die [4][eine Pinselzeichnung dieses Felsentors] zeigt – samt der Info,
       Friedrich habe hier „einst mehrere Tage lang einsam in dem wilden Felsental
       verbracht, um dessen düster-romantische Stimmung aufzunehmen“.
       
       Und als ob sich der Kreis zurück zum Start der Friedrich-Deutschlandreise
       wieder schließen will: Ein paar Kilometer weiter elbaufwärts wird die
       Kaiserkrone sichtbar. Es ist einer der für diese Gegend so typischen
       Tafelberge und ein Caspar-David-Friedrich-Motiv – und eben auch der Felsen,
       auf dem in Hamburg der „Wanderer über dem Nebelmeer“ steht.
       
       21 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Geburtstag-von-Caspar-David-Friedrich/!6030808
   DIR [2] https://www.hamburger-kunsthalle.de/de/rekordergebnis
   DIR [3] https://www.br.de/nachrichten/kultur/250-jahre-caspar-david-friedrich-der-romantiker-in-muenchen,UNON0ty
   DIR [4] https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Caspar_David_Friedrich_-_Felsentor_im_Uttewalder_Grund.jpg
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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