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       # taz.de -- Trendanalyse der Dubai-Schokolade: Dubai sein ist alles
       
       > Sind 20 Euro für Dubai-Schokolade zu teuer? Aus der
       > Wirtschaftswissenschaft wissen wir: Beim Preisempfinden kommt es auf
       > Erwartungen und Gefühle an.
       
   IMG Bild: Dubai-Schokolade: Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie einen Grinch herausquillen
       
       „Sechzig Mark für ein Stück Schokolade!“, ruft der Boomer empört. Und
       trotzdem scheint [1][der Hype um die Dubai-Schokolade] nicht abzubrechen.
       Kein Produkt hat uns in den vergangenen Monaten so sehr in seinem Bann
       gehabt wie diese Süßigkeit. Bis zu 30 Euro soll eine Tafel kosten.
       
       Überall lauert sie, lugt hervor zwischen blauem Pueblo-Drehtabak und pinken
       Gillette-Venus-Rasierern. Hinter den Kassen gut sichtbar, aber außer
       Reichweite für die flinke Hand. „Dubai Schokolade 20 Euro“, schreit dich
       das krakelige Schild von jedem Kiosk und Supermarkt an.
       
       Und damit nicht genug: Selbst zur besinnlich-traumatischen Weihnachtszeit,
       bei Nieselregen auf dem Weihnachtsmarkt, verfolgt einen die
       Pistazie-Schoko-Variante. Nicht mal die Bratwurst [2][bleibt vom Hype
       verschont]. Dubai, das ist das neue Superfood, die neue Diät, der neue
       giftgrüne brat summer. Auf Tiktok brechen die Leute sie dann endlich
       entzwei. Pistaziencreme und knuspriges Engelshaar quillen heraus, als würde
       sich [3][der Grinch] seinen Weg ins Freie erkämpfen.
       
       ## Schokolade zwischen Erwartung und Wirklichkeit
       
       Um am Hype teilzuhaben, sind Menschen bereit, Unsummen für ein Stück Zucker
       zu zahlen. Dabei ist der Trend ein Beispiel dafür, wie wir den Wert von
       Produkten einschätzen. Wenn Boomer gewohnt sind, die Traube-Nuss im Angebot
       für 99 Cent zu kaufen, sind 30 Euro (oder 60 Mark!) pro Tafel viel zu viel
       Geld. Denn: Jede Person nimmt Preise anders wahr. Ob etwas zu teuer oder
       billig ist, hat mit Erfahrungswerten zu tun.
       
       Und damit, ob wir den Preis als Gewinn oder Verlust für uns einschätzen.
       Heißt: Wenn ich einfach eine Tafel Pistazien-Schokolade kaufen will, kriege
       ich die auch schon für drei Euro. Dann sind die 20 Euro für
       Tiktok-Schokolade ein Verlust. Doch wer in der Annahme in den Laden geht,
       diese 20 Euro ausgeben zu müssen und dann sieht, dass der Dubai-Traum
       reduziert nur 15 Euro kostet, freut sich und sieht einen Gewinn.
       
       Lindt nutzt dieses Prinzip gerade aus, um eine unglaublich kostengünstige
       Alternative, zehn Tacken pro Tafel, auf den Markt zu schmeißen. Die Chance
       für alle Wirtschaftspsycholog*innen des Landes, die wartende Menge
       vor den Filialen zu Testpersonen ihres nächsten unbedeutenden Papers zu
       machen.
       
       ## Hohe Preise bleiben im Gedächtnis
       
       Spannend ist, dass wir eben auch so fasziniert von dieser diabolisch teuren
       Dubai-Kreation sind, weil wir uns hohe Preise, beziehungsweise Verluste,
       schwerer gewichten, sie uns also eher merken. In der Verhaltensökonomie
       nennt sich das Verlustaversion. Dieses Phänomen ist auch der Grund, dass
       du, ich und deine Nachbarin das Gefühl haben, dass alles immer teurer wird.
       Den Dubai-Hype jetzt mal ausgenommen.
       
       Besonders bei alltäglichen Produkten merken wir eher, dass sie mehr Geld
       kosten. Die Brezel beim Bäcker am Montag für 3,10 Euro hat sich in mein
       Hirn gebrannt. Dass Butter, Kaffee oder Nudeln im vergangenen Jahr wieder
       günstiger geworden sind, fällt dagegen weniger auf. Auch technischen
       Fortschritt, also dass mein Laptop für weniger Geld als vor ein paar Jahren
       noch leistungsstärker ist, gewichten wir laut Verhaltensökonom*innen
       weniger stark.
       
       Das führt auch dazu, dass die gefühlte Inflation viel höher liegt als die
       tatsächliche. 2022, in dem Jahr, als durch den Angriffskrieg in der Ukraine
       schlagartig die Preise in die Höhe schossen, [4][lag die gefühlte Inflation
       im Sommer bei 34,2 Prozent]. Tatsächlich gab es eine Preiserhöhung von 7,9
       Prozent.
       
       Wir lernen: Vertraue nicht auf deine eigenen Gefühle. Und: Dubai-Schokolade
       schmeckt nicht. Also gönn dir lieber ein Stück Traube-Nuss.
       
       16 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Virale-Dubai-Schokolade/!6047213
   DIR [2] https://www.businessinsider.de/leben/nach-dubai-schokolade-kommt-dubai-bratwurst-wir-testeten-sie/
   DIR [3] /!1200537/
   DIR [4] https://static.iu.de/studies/Inflation_Kurzstudie.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anastasia Zejneli
       
       ## TAGS
       
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