URI: 
       # taz.de -- Lateinamerika und Syrien: Assads Freunde
       
       > Die USA und „der Zionismus“ stecken hinter der Vertreibung Assads aus
       > Syrien, sagt Venezuelas Propagandaministerium. Aus Kolumbien klingt es
       > ähnlich.
       
   IMG Bild: Achtlos weggeworfen: Foto des früheren syrischen Präsidenten Assad
       
       Die Achse des Widerstands bleibt stabil. Wenn man in den vergangenen Tagen
       die Website des venezolanischen Senders Telesur besuchte, begegnete einem
       gleich zum Einstieg das übergroße Konterfei von Ajatollah Chamenei. „Es
       gibt keinen Zweifel daran, dass das, was in Syrien passiert, das Ergebnis
       eines gemeinsamen Plans der USA und des Zionismus ist“, zitiert das
       Propagandamedium der Regierung Venezuelas den iranischen Religionsführer.
       Warum die „von Israel und den USA unterstützten terroristischen Gruppen“
       den „demokratisch gewählten Präsidenten“ Baschar al-Assad gestürzt haben,
       erklärt dann das Telesur-Magazin „El Mapa“.
       
       [1][Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro] bedauerte die „schmerzhaften
       Umstände für das syrische Volk“ und warnte die „extremistischen Faschisten“
       in seinem Land, einen Bürgerkrieg gegen das Volk anzuzetteln. Wer genau das
       Volk ist, von dem er spricht, hat er nicht erläutert.
       
       Die Sympathien der venezolanischen Bevölkerung ihm gegenüber dürften sich
       in ähnlichen Grenzen halten wie die der syrischen gegenüber Assad. Beide
       Länder verbindet, dass sie ganz oben stehen auf der Liste der Staaten, aus
       denen am meisten Menschen weltweit geflüchtet sind. Die Zehntausende, die
       in den Kerkern Assads gestorben sind, dürfte Maduro auch nicht gemeint
       haben.
       
       Sei's drum. Auch das kubanische Regime will das Volk verteidigen. So
       drückte Außenminister Bruno Rodríguez kurz vor dem Fall Assads „Kubas
       Solidarität mit dem Volk und der Regierung Syriens angesichts der
       terroristischen Attacken“ aus. Darüber hinaus zeigte sich Havanna, ebenso
       wie die autoritäre Regierung Nicaraguas, zurückhaltend. Die nationale
       Souveränität des Landes müsse respektiert werden, erklärten sie.
       
       Über ähnliche Forderungen wegen der jahrelangen russischen Bombardements
       oder der militärischen Unterstützung Teherans des Terrors gegen Syriens
       Bevölkerung ist nichts überliefert.
       
       ## Die Furcht, Verbündete zu verlieren
       
       Der Sturz Assads könnte für diese Latino-Regierungen schwerwiegende
       Konsequenzen haben. Iran, einer der engsten ideologischen Verbündeten und
       wirtschaftlicher Partner, ist geschwächt. Und wie der [2][kolumbianische
       Staatschef Gustavo Petro] besorgt anmerkt, hat Russland gezeigt, dass es
       derzeit schnell mal einen Alliierten fallen lassen muss. Man könnte also
       die Reaktionen aus Havanna und Caracas als antiimperialistischen Klimbim
       abhaken, um sich der Solidarität der Partner im Kampf gegen das US-Imperium
       zu vergewissern. Nichts Neues, der Weltlage geschuldet.
       
       Ganz ohne Not erklärt dagegen die mexikanische linke Tageszeitung La
       Jornada im Editorial der Redaktion, der Fall des syrischen Regimes sei nach
       dem „sogenannten Arabischen Frühling“ eine weitere Episode der USA, um die
       Region zu destabilisieren. Auch das folgt der Logik, dass nur das Recht auf
       ein menschenwürdiges Leben hat, wer ins manichäische Weltbild passt. Für
       viele traditionelle Antiimperialisten stand der Krieg in Syrien schon immer
       – jede Evidenz und Komplexität ignorierend – in einer Reihe mit den
       US-Interventionen in Afghanistan und dem Irak.
       
       Dekolonial verbrämt schließt sich auch der puertoricanische Soziologe
       [3][Ramón Grosfoguel] diesen Thesen an. „Das war eine Invasion, kombiniert
       mit einem imperialistischen/zionistischen/Nato-Putsch“, schreibt er auf dem
       mexikanischen journalistischen Portal Pie de Página. Eine Armee von 30.000
       bis 50.000 „terroristischen Dienern“ hätte von den Imperialisten und
       Zionisten monatlich zwischen 1.000 und 2.000 US-Dollar erhalten. Woher er
       das weiß, schlüsselt Grosfoguel nicht auf.
       
       Man könnte das einfach unter „Kurioses“ abhaken, wäre Grosfoguel nicht ein
       Protagonist der lateinamerikanischen dekolonialen Theorie, die dort
       durchaus Einfluss hat. Grosfoguels Thesen, etwa über „indigene
       Palästinenser“, die von der Kolonialmacht Israel vernichtet werden sollen,
       werden in linken Kreisen gern aufgegriffen. Auch seine Bezeichnung
       „Hitlerismus“ für den Zionismus dürfte bei nicht wenigen gut ankommen. Nun
       bedauert er, dass „die Ereignisse in Syrien eine brutale Niederlage für die
       Achse des Widerstands sind, die für die Befreiung der Völker große
       Lektionen aufgeben“. Welche Völker denn nun? Und welche Befreiung?
       
       18 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Menschenrechtspreis-des-EU-Parlaments/!6044924
   DIR [2] /UN-Artenschutzkonferenz-in-Kolumbien/!6041300
   DIR [3] /Postkoloniale-Theorie-und-Antisemitismus/!5993338
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Latin Affairs
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR Baschar al-Assad
   DIR Lateinamerika
   DIR Imperialismus
   DIR GNS
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR Ausstellung
   DIR Kolumne Latin Affairs
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR USA zum Sturz des syrischen Diktators: Sorge vor dem Islamischen Staat
       
       US-Präsident Joe Biden will die Region nach dem Sturz des syrischen
       Diktators unterstützen. Donald Trump will mit Syrien nichts zu tun haben.
       
   DIR Politische Druckgrafik aus Mexiko im Met: Posterkampf für José Stalin
       
       Das Metropolitan Museum zeigt seine Sammlung mit propagandistischer
       Druckgrafik aus Mexiko. Wie landete solch antifaschistische Kunst in New
       York?
       
   DIR Hegemonie in Lateinamerika: Hamas bestimmt den linken Diskurs
       
       In bedeutenden Kreisen Lateinamerikas hat der Slogan „Free Palestine“
       popkulturellen Wert. Kritischen Blicke auf die Hamas sind in der Linken
       selten.