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       # taz.de -- Erschossener Geflüchteter Mouhamed Dramé: Revision gegen Freisprüche
       
       > Staatsanwaltschaft und Nebenklage akzeptieren nicht, dass niemand für den
       > Tod Mouhamed Dramés bestraft werden soll. Sie legen Revision ein.
       
   IMG Bild: Dortmund, 14. Dezember: Protest gegen das Gerichtsurteil im Fall Mouhamed Dramé vor dem Hauptbahnhof
       
       Bochum taz | Im Fall des von der Polizei in Dortmund erschossenen
       Geflüchteten Mouhamed Dramé hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.
       Diese beziehe sich allerdings allein auf den Freispruch des Einsatzleiters
       Thorsten H., für den die Ermittler:innen eine Bewährungsstrafe von zehn
       Monaten gefordert hatten, so deren Sprecher Henner Kruse zur taz. Für die
       vier weiteren angeklagten Polizist:innen hatte die Staatsanwaltschaft
       Anfang Dezember [1][auf Freispruch plädiert] – auch für den Todesschützen
       Fabian S.
       
       Anwältin Lisa Grüter, die Dramés Familie als Nebenklägerin vertritt,
       kündigte an, ebenfalls in Revision gehen zu wollen. „Ich tendiere
       allerdings dazu, gegen [2][das Urteil] des Landgerichts Dortmund in Gänze
       vorzugehen“, sagte die Juristin der taz. Damit habe der Bundesgerichtshof
       (BGH) in Karlsruhe „die Möglichkeit, den Blick auf die Rolle aller
       einzelnen Angeklagten zu richten“.
       
       Der als suizidgefährdet geltende Dramé war am 8. August 2022 in der
       migrantisch geprägten Dortmunder Nordstadt durch sechs Schüsse aus einer
       Maschinenpistole der Polizei getötet worden. Zuvor war der Plan des
       Einsatzleiters Thorsten H., den Geflüchteten aus dem Senegal durch den
       massiven Gebrauch von Pfefferspray zu überwältigen, katastrophal
       gescheitert: Der in einer Hofecke einer Jugendeinrichtung hockende Dramé
       sollte durch das Reizgas dazu gebracht werden, sich an die Augen zu fassen
       und ein Messer, das er gegen seinen eigenen Bauch gerichtet hatte,
       fallenzulassen.
       
       ## Schüsse nur 0,8 Sekunden später
       
       Doch das Gas traf den jungen Mann nicht effektiv. Eingehüllt in einen
       diffusen Pfefferspraynebel, nutzte Dramé die einzige Fluchtmöglichkeit, die
       ihm blieb – in Richtung der Polizeibeamten. Die beschossen ihn daraufhin
       mit zwei Elektroschockgeräten. Nur 0,771 Sekunden später zog auch Fabian S.
       sechs Mal den Abzug seiner Maschinenpistole.
       
       Dennoch hatte das Landgericht Dortmund alle Angeklagten am Donnerstag
       freigesprochen. Vor Ort hätten die Beamt:innen davon ausgehen dürfen,
       sich in einer „Notwehrsituation“ zu befinden, so der Vorsitzende Richter
       Thomas Kelm. Einsatzleiter Thorsten H. habe schnellstmöglich eingreifen
       müssen, um einen Suizid zu verhindern – andernfalls habe er sich sogar
       strafbar machen können.
       
       Im Publikum hatte das Urteil Entsetzen ausgelöst. „Das war Mord“, wurde
       noch im Gerichtssaal skandiert. Zwar habe der Prozess „keine konkreten
       Anhaltspunkte“ für eine rassistische Motivation der [3][angeklagten
       Polizist:innen erbracht], sagt Nebenklage-Vertreterin Grüter – und
       fragt dennoch: „Wäre die Polizei gegen einen weißen deutschen Leon aus dem
       reichen Dortmunder Süden genauso schnell und genauso gewalttätig
       vorgegangen?“
       
       ## 13 Wochen Zeit zur Begründung
       
       Unklar bleibt, wann der BGH den Dortmunder Richterspruch prüft. Allein für
       die schriftliche Urteilsbegründung hat Richter Kelm 13 Wochen Zeit. Danach
       stehen Staatsanwaltschaft und Nebenklage weitere vier Wochen zu, um ihre
       Revisionen zu begründen.
       
       17 Dec 2024
       
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