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       # taz.de -- Urteil im Pelicot-Prozess: Höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel
       
       > Dominique Pelicot erhielt die Höchststrafe und muss für 20 Jahre ins
       > Gefängnis. Der Prozess hat die Aufmerksamkeit gegenüber sexueller Gewalt
       > erhöht.
       
   IMG Bild: Paris, 23. November: eine Unterstützerin von Gisèle Pelicot am Tag zur Beseitung der Gewalt gegen Frauen
       
       Das klingt gerechtfertigt: Höchststrafe. [1][20 Jahre muss Dominique
       Pelicot, der Hauptangeklagte im sogenannten Prozess von Avignon, hinter
       Gitter.] Danach will die Justiz über eine anschließende
       Sicherungsverwahrung entscheiden. Pelicot wird also vielleicht nie wieder
       auf freiem Fuß sein. Damit reizte das Gericht den Strafrahmen für den Mann
       wegen Vergewaltigung in rund 200 Fällen, begangen an seiner Ex-Frau Gisèle
       Pelicot, komplett aus.
       
       Und doch mögen diese 20 Jahre Gefängnis vielen Menschen, vor allem Frauen,
       nicht ausreichen. Denn das, was der Täter, der sich im Prozess selbst als
       Vergewaltiger titulierte (ob wahrhaft reumütig, weiß nur er allein), seiner
       Frau angetan hat, ist mit keiner Strafe abgegolten. Pelicot hat um sich
       herum ein wahres Vergewaltigernetzwerk aufgebaut, 50 andere Täter müssen
       jeweils für 3 bis 15 Jahre ins Gefängnis. Und es sind längst nicht alle
       beteiligten Männer ermittelt und vor Gericht gestellt, möglicherweise
       kommen manche Täter sogar davon. Das ist bitter, desillusionierend und
       zutiefst ungerecht.
       
       Und doch ist diesem Prozess, der wegen der Brutalität der Taten und der
       [2][Skrupellosigkeit der Täter] weltweit Aufmerksamkeit erregte, etwas
       Positives abzugewinnen: Es ist durch die breite öffentliche Debatte
       deutlich geworden, dass diese Massenvergewaltigung stellvertretend für
       viele andere Massenvergewaltigungen steht, die es – ja, davon darf man
       ausgehen – in jeder anderen Ecke der Welt so oder ähnlich gibt. Im Grunde
       hat die 2017 gestartete Kampagne, die mit dem [3][Hashtag #MeToo] verbunden
       ist, gerade erst richtig begonnen. Manche sehen durch den Prozess bereits
       einen Paradigmenwechsel angestoßen.
       
       Das ist ein großes Wort, und man hofft, dass der „Fall Pelicot“ eine
       gesellschaftliche Wirkung entfaltet, die jedem Mann klar vor Augen führt,
       was sexuelle Gewalt bedeutet. Die jeden Mann eher zögern lässt, wenn er
       sich einer Frau nähert. Eine solche Wirkung könnte auch „Ja heißt Ja“
       heißen, also die positive Umkehr der Formel [4][„Nein heißt Nein“], die
       2016 in das deutsche Sexualstrafrecht Eingang fand. Oder anders
       ausgedrückt: Nur ein ausdrückliches Ja berechtigt zum Sex. Das mag manchen
       umständlich und als „die Sittenpolizei unterm Bett“ erscheinen. Doch der
       Prozess von Avignon hat einmal mehr gezeigt, dass es nicht genug
       Vorsichtsmaßnahmen gegen sexuelle Gewalt geben kann.
       
       Trotz der gestiegenen Aufmerksamkeit gegenüber Alltagssexismus und
       Misogynie, die dieser Prozess zutage brachte, sollte keine Frau davon
       ausgehen, dass die Welt jetzt für sie sicherer ist.
       
       19 Dec 2024
       
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