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       # taz.de -- Komitee der Olympische Spiele: Dienerin eines Failed State und bald Chefin beim IOC?
       
       > Kirsty Coventry, Olympiasiegerin, möchte Nachfolgerin von IOC-Chef Thomas
       > Bach werden. Ihre Arbeit in der Regierung von Simbabwe spricht gegen sie.
       
   IMG Bild: Kirsty Coventry hat den siebten IOC-Sinn. Sie spürt vorab, welche Entscheidungen getroffen werden, und handelt entsprechend
       
       In ziemlich genau vier Monaten hat das Internationale Olympische Komitee
       einen neuen Präsidenten. Oder eine neue Präsidentin. In Athen bei der 143.
       Session des IOC stellt sich auch Kirsty Coventry als Nachfolgerin [1][des
       Deutschen Thomas Bach] zur geheimen Wahl. Eine Frau an der Spitze der
       obersten Multisportverwaltung hat es noch nicht gegeben. Aber taugt diese
       Kirsty Coventry als Kandidatin?
       
       In manchen Zeitungen wird sie als Bachs „Kronprinzessin“ bezeichnet, weil
       die ehemalige Weltklasseschwimmerin aus Simbabwe offensichtlich über eine
       überragende Fähigkeit verfügt: Sie erkennt den Willen ihrer Vorgesetzten
       schon, wenn sich dieser in deren Köpfen noch gar nicht ausgeformt hat. Das
       vorauseilende Erahnen von Tendenzen war schon immer ein Karrieremotor, und
       so ist die Olympiasiegerin nicht nur in die Exekutive des IOC aufgestiegen,
       sondern darf im Komitee auch wichtige Aufgaben erledigen, etwa als
       Koordinatorin der Sommerspiele von Brisbane 2032.
       
       Kirsty Coventry und ihren Willen zur Macht versteht man nur, wenn man sich
       ihre Heimat näher anschaut: Simbabwe. Das Land im Süden Afrikas, bis zum
       Sturz des Diktators Robert Mugabe auch schon mal als „Mugabistan“ („Blätter
       für deutsche und internationale Politik“; 2011) bezeichnet, steht in einer
       Tradition von Repression, Verarmung und Kleptokratie. Eine Elite hat sich
       den Staat zur Beute gemacht. Der Zustand des Landes ist erschütternd: Das
       Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 2017 (zitiert nach „Welt-Trends“, das
       außenpolitische Journal) lag 15 Prozent niedriger als zum Zeitpunkt der
       Unabhängigkeit im Jahr 1980. Über 80 Prozent der Bevölkerung leben von
       weniger als 50 Euro-Cent am Tag.
       
       In den Nullerjahren erreichte die Inflation sagenhafte 500 Milliarden
       Prozent. Die Platzierungen in Indices zu Pressefreiheit, Demokratie und
       Korruption lauten: 133, 137 und 157. Simbabwe ist im Grunde ein Failed
       State, und das änderte sich auch nicht, als Mugabe 2017 abgelöst wurde
       durch einen seiner ehemaligen Mitstreiter, Emmerson „das Krokodil“
       Mnangagwa von der Regierungspartei ZANU-PF. Er steht für Kontinuität im
       schlechtesten denkbaren Sinne, weswegen ihn in diesem Jahr auch [2][die
       US-Regierung auf ihre Sanktionsliste], das sogenannte Global Magnitsky
       Program, gesetzt hat. Dort wird Mnangagwa als Profiteur von Gold- und
       Diamantenschmuggel benannt.
       
       ## Großzügiges Geschenk
       
       Warum ist das relevant? Weil Kirsty Coventry, die schon von Diktator Mugabe
       nach ihren Schwimmerfolgen Köfferchen voller Bargeld (50.000 plus 100.000
       Dollar) erhielt, Emmerson Mnangagwa treu dient – als Sport- und
       Kulturministerin, nun schon in dessen drittem Kabinett. Wenn wichtige
       Entscheidungen anstehen, [3][wie die Entmachtung von
       Fußballverbandsfunktionären] wegen allzu offensichtlicher Korruption und
       sexuellen Übergriffen auf Schiedsrichterinnen, holt sie zuerst das Placet
       von Mnangagwa ein – und handelt selbstverständlich erst dann. So etwas wird
       natürlich belohnt: Im Jahr 2020 erhielt sie eine Farm, pikanterweise vom
       Neffen des ehemaligen Präsidenten Robert Mugabe, Robert Zhuwao.
       
       [4][Die Opposition sprach von „Landgrabbing“,] also von Landraub, einer in
       Simbabwe durchaus gängigen Praxis, die seit 1999 vielen, vor allem weißen
       Farmern die Lebensgrundlage genommen hat. Nach dieser Farm-Sache schrieb
       die Oppositionspartei Movement for a Democratic Chance (MDC) an das IOC und
       forderte, Coventry aus dem IOC zu entlassen wegen „ihrer Beteiligung an der
       anhaltenden Brutalisierung und Misshandlung der Simbabwer und den weit
       verbreiteten Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung“.
       
       Coventry sei ein wesentlicher Bestandteil dieser Machenschaften, also
       direkt verantwortlich. Angesprochen wurde auch der offenkundige
       Interessenkonflikt: Sportpolitikerin in Simbabwe und Sportpolitikerin im
       IOC. Kirsty Coventry wäre eine Pionierin an der Spitze des IOC, aber eine
       denkbar ungeeignete.
       
       19 Dec 2024
       
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   DIR [1] /Olympische-Sprechakte/!6024184
   DIR [2] https://www.politicsweb.co.za/documents/the-new-zimbabwe-sanctions-regime--us
   DIR [3] https://www.thezimbabwemail.com/sports/coventry-defends-src-decision-to-suspend-zifa-board/
   DIR [4] https://www.newzimbabwe.com/mdc-wants-olympic-sanctions-on-kirsty-coventry-over-zim-rights-abuses/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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