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       # taz.de -- Medizinerin über Forschung zu Parasiten: „Kleine Kinder leiden besonders unter Malaria“
       
       > Wie kann eine Malaria-Infektion besser verhindert werden? Damit
       > beschäftigt sich eine neue Studie. Gespräch mit der Medizinerin Beate
       > Kampmann.
       
   IMG Bild: Mückenforschung im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem World Mosquito Program (WMP)
       
       Es gibt Medikamente, Impfungen und andere Maßnahmen, und trotzdem ist
       Malaria weiterhin eine der tödlichsten Infektionskrankheit für junge
       Kinder. Bisher kommt sie vor allem in Afrika und Südostasien vor.
       [1][Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO)] zufolge erkrankten
       im Jahr 2023 rund 263 Millionen Personen an der Parasitenkrankheit, mit
       etwa 597.000 Todesfällen. 
       
       Ein [2][Forschungsteam des Leiden University Medical Centre in den
       Niederlanden] hat nun untersucht, ob eine genetisch veränderte Variante des
       Malaria-Parasiten Plasmodium als Impfstoff wirken könnte. Sie ließen ihre
       gesunden europäischen Testpersonen, die noch nicht in Kontakt mit Malaria
       gekommen waren, zunächst von Anopheles-Mücken stechen, die den
       modifizierten Erreger in sich trugen. Diese gelangten so in den
       Blutkreislauf und von dort in die Leberzellen. Normalerweise vermehren und
       entwickeln sich die Parasiten in der Leber, bis sie wieder in den Blutstrom
       entlassen werden und sich dann im ganzen Körper ausbreiten und
       Krankheitssymptome verursachen. Die veränderten Plasmodien jedoch sterben
       in der Leber ab. Die Idee: So können keine Symptome entstehen, das
       Immunsystem erkennt die Parasiten aber bei der nächsten Infektion und
       bekämpft sie effektiver. 
       
       taz: Frau Kampmann, wie beurteilen Sie die Studie? 
       
       Beate Kampmann: Zunächst einmal muss man sagen, dass es eine sogenannte
       Proof-of-Concept-Studie war: Es ging darum, zu sehen, ob sich genetisch
       veränderte Plasmodien überhaupt als Impfstoff eignen könnten und wie genau
       das Immunsystem darauf reagiert. Die Ergebnisse sind durchaus interessant:
       Die Forschenden konnten zeigen, dass eine bestimmte Art von Immunzellen
       durch die abgestorbenen Parasiten in der Leber auf die Abwehr einer
       Infektion vorbereitet wurden.
       
       taz: Die Testpersonen waren dadurch also immun gegen Malaria? 
       
       Kampmann: Zumindest waren sie besser gegen eine Infektion gewappnet. Um das
       zu sehen, ließen die Forschenden ihre Testpersonen hinterher zusätzlich von
       Mücken mit unveränderten Plasmodien stechen. In den Vergleichsgruppen
       bekamen fast alle Teilnehmenden dadurch Malaria. Der veränderte Parasit
       hingegen hat acht von neun Personen vor einer Infektion mit dem normalen
       Erreger geschützt – also 89 Prozent. Allerdings war es mit neun Leuten in
       der Testgruppe eine sehr kleine Untersuchung. Daraus lässt sich nicht
       ablesen, dass eine solche Impfung zwangsläufig auch bei größeren Gruppen
       eine so hohe Schutzwirkung hätte.
       
       taz: Gibt es solche Versuche in der Malariaforschung häufig – in denen
       Menschen absichtlich mit dem Erreger infiziert werden? 
       
       Kampmann: Diese Art von Untersuchung nennt sich Controlled Human Challenge
       Study. Das bedeutet, gesunde menschliche Testpersonen werden einer
       Krankheit unter ganz kontrollierten Bedingungen ausgesetzt. Das ist an sich
       nicht sehr gefährlich, solange das Blut täglich untersucht wird. Sobald der
       erste Parasit festgestellt wird, bekommen die Betroffenen die
       Anti-Malaria-Tabletten. So ein Vorgehen ist in der Forschung etabliert.
       Der Vorteil ist, dass man mit relativ wenig Menschen abschätzen kann, wie
       gut eine Impfung oder Therapie funktioniert. Ansonsten wären riesige
       klinische Studien nötig, wo man die Leute impft und dann abwartet, wer sich
       [3][auf natürlichem Wege mit Malaria infiziert], und daraus die
       Effektivität bestimmt. Das sind dann große, klassische klinische Studien
       mit Kontrollgruppen, welche die neue Impfung nicht bekommen haben.
       
       taz: Weshalb sucht die Forschung nach neuen Impfstoffen, wenn es
       zugelassene Impfungen gibt? 
       
       Kampmann: Bei den bisherigen Stoffen haben wir nur eine begrenzte
       Effizienz. Kinder zwischen 5 und 36 Monaten müssen dafür dreifach geimpft
       werden, und trotzdem werden die Infektionen im besten Fall nur um etwa zwei
       Drittel reduziert, teils auch deutlich weniger. Und der Schutz nimmt
       relativ schnell wieder ab, sodass regelmäßige Booster-Impfungen nötig sind.
       Dazu kommt, dass die Impfstoffe noch recht teuer sind und es schwierig ist,
       sie in ausreichenden Mengen herzustellen und dorthin zu bekommen, wo sie
       benötigt werden.
       
       taz: In der neuen Studie haben Anopheles-Mücken den veränderten Erreger
       übertragen. Könnten in Zukunft die Mücken genutzt werden, um den Impfstoff
       schnell und weit zu verbreiten? 
       
       Kampmann: Ganz klar: Nein! Das ist völlig unmöglich und war nie die Absicht
       der Forschungsgruppe. Praktisch gesehen müsste bei einem solchen Ansatz
       eine riesige Anzahl von Mücken mit Blut gefüttert werden, das die
       modifizierten Plasmodien enthält. Immer und immer wieder. Denn die Tierchen
       tragen ja nur die Erreger in sich, die sie aus den Blutmahlzeiten bekommen.
       Das hätte nicht einmal theoretisch die Chance, sich über größere Flächen
       und Zeiträume auszubreiten.
       
       taz: Andere Forschungsgruppen beschäftigen sich damit, die Mücken so
       genetisch zu verändern, dass sie sich nicht mehr fortpflanzen können. Wie
       vielversprechend ist das? 
       
       Kampmann: Auf diese Weise sollen die Mückenpopulationen verkleinert oder
       sogar ganz ausgerottet werden. Dann käme der Erreger nicht mehr in den
       Menschen. Das ist an sich ein guter Gedanke. Ein Problem ist aber, dass wir
       die Konsequenzen für die Ökosysteme nicht abschätzen können. Die Mücken
       sind schließlich Teil von Nahrungsketten. In kleinen Gebieten,
       [4][beispielsweise auf Inseln], kann man das ausprobieren und beobachten.
       Aber großflächig gesehen, gibt es da auch einige Risiken, von denen uns
       viele noch unbekannt sind.
       
       taz: Umgekehrt verändern sich die Ökosysteme durch den Klimawandel. Könnten
       Anopheles-Mücken sich auch bei uns ausbreiten? 
       
       Kampmann: Das ist durchaus denkbar. Wir sehen es bereits mit anderen
       Mückenarten, die beispielsweise das [5][Dengue-Fieber] und das
       West-Nil-Virus übertragen. In Italien gab es früher Malaria, weil die
       Anopheles-Mücke sich in den Sümpfen dort wohl fühlte. Erst, als alles
       trockengelegt wurde, sind die Mücken verschwunden. Wenn nun aber durch den
       Klimawandel in Europa die Lebensbedingungen für die Mücke wieder besser
       werden, können sie sich hier verbreiten. Wichtig wäre dann, die
       Mückenpopulationen sehr schnell zu kontrollieren und die Ausbreitung zu
       verhindern. Je mehr Leute den Erreger importieren und je mehr Mücken
       infiziertes Blut aufnehmen, desto wahrscheinlicher kommt es auch bei uns zu
       Malaria-Ausbrüchen. Nur leider denkt da bisher noch kaum jemand daran.
       
       taz: Was muss nun getan werden? 
       
       Kampmann: Einerseits ist die Aufklärung entscheidend: Die Immunität gegen
       Malaria baut sich auf, je öfter man infiziert oder geimpft war. Deshalb
       leiden kleine Kinder ganz besonders unter der Krankheit. Hier treten die
       größte Komplikationsrate und Sterblichkeit auf. Der Schutz lässt zudem mit
       der Zeit wieder nach, wenn man nicht erneut exponiert ist. Dann sollten wir
       auf eine Kombination aus Maßnahmen setzen: [6][Moskito-Netze über den
       Betten, schützende Kleidung und Anti-Mücken-Sprays], wie wir es bei uns in
       der Reisemedizinberatung im Institut für Internationale Gesundheit
       empfehlen. Was die Impfungen angeht, ist für mich die Entwicklung von
       effektiveren Stoffen nach wie vor ein Thema.
       
       taz: Werden dabei auch die genetisch veränderten Parasiten eine Rolle
       spielen? 
       
       Kampmann: Das lässt sich noch nicht abschätzen. Die Studie hat erst mal
       wichtige Erkenntnisse über die Immunantwort in der Leberphase der
       Plasmodien-Entwicklung gegeben. Das kann durchaus bei der Entwicklung neuer
       Malaria-Impfstoffe von Bedeutung sein. Wir müssen vor allem verstehen, wie
       wir einen längerfristigen Impfschutz aufbauen können, der nicht regelmäßig
       mit einer Booster-Impfung erneuert werden muss. Denn die hohen Kosten
       belasten die Gesundheitssysteme, und es verringert die Durchführung und
       Akzeptanz.
       
       26 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.who.int/teams/global-malaria-programme/reports/world-malaria-report-2024
   DIR [2] https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2313892
   DIR [3] /Impfstoff-gegen-Malaria/!5949677
   DIR [4] /Malariabekaempfung-auf-Kap-Verde/!5985233
   DIR [5] /Dengue-Fieber-in-Brasilien/!5996049
   DIR [6] /Mueckenplage-im-Klimawandel/!6031420
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefanie Uhrig
       
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   DIR Schwerpunkt Klimawandel
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