URI: 
       # taz.de -- Haushaltsbeschluss im Abgeordnetenhaus: Der Vorhang ist gefallen
       
       > CDU und SPD setzten das drei Milliarden schwere Einsparungsupdate des
       > Haushalts durch. Vor dem Parlament gibt es erneut Proteste gegen die
       > Kürzungen.
       
   IMG Bild: Proteste gegen Kürzungen in der Wissenschaft prägten die Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus parallel zur Haushaltsdebatte
       
       Berlin taz | Es ist ja sowieso die Zeit von „Alle Jahre wieder“. Und
       Weihnachtslieder sind auch im Abgeordnetenhaus regelmäßig kurz vor den
       Feiertagen zu hören. Das passiert allerdings im Foyer, nicht im Plenarsaal
       des Parlaments. Dort bedeutet am Donnerstag „Alle Jahre wieder“, dass die
       grüne Oppositionsführerin Bettina Jarasch CDU und SPD für ihren
       Nachtragshaushalt und die Milliardenkürzungen genauso geißelt [1][wie vor
       einem Jahr für den ursprünglichen Haushaltsbeschluss] für 2024 und 2025.
       
       Was sich am Donnerstagmorgen ereignet, lässt sich mit vielerlei Vergleichen
       belegen: Es ist ein Finissage, eine Dernière, der letzte Akt einer
       Haushaltstragödie, bei der nun mit dem Parlamentsbeschluss der Vorhang
       fällt. Jarasch scheint auch in diesen Begriffen zu denken, denn sie
       skizziert Nachtragshaushalt und Kürzungen als gar nicht weihnachtliches
       Drama in mehreren Kapiteln.
       
       Die beginnen mit einer These: Die CDU, so Jarasch, „hat sich die Koalition
       mit üppigen Zusagen an die SPD erkauft“. Zur Erinnerung: Jaraschs Grüne
       hatten im Frühjahr 2023 mit der CDU über ein Regierungsbündnis geredet,
       [2][als die SPD sich abrupt und konkret als Partnerin anbot] – und die vom
       heutigen Regierungschef Kai Wegner geführten Christdemokraten schnell
       darauf eingingen. Vor diesem Hintergrund hätten diese beiden Parteien Ende
       2023 „einen aufgeblähten Haushalt beschlossen“.
       
       Im nächsten Kapitel der Geschichte lässt Jarasch den Finanzsenator Stefan
       Evers (CDU) zwar dunkle Bilder über die Lage malen, durch die sich aber
       nichts ändere. Bis eben im vorletzten Kapitel Mitte November die
       Kürzungsliste vorliegt. Deren damals vor Journalisten präsentierter Inhalt:
       Zwei Milliarden einsparen, eine dritte über trotz Schuldenbremse erlaubte
       Kredite und erhöhte Einnahmen abdecken.
       
       ## Jarasch spricht Wegner Berlin-Kompetenz ab
       
       Und nun eben im Schlusskapitel ein Nachtragshaushalt, der „in weiten Teilen
       nicht mal umsetzbar ist“. Jarasch bezieht sich damit auf Fälle, in denen
       Kürzungen gar nicht möglich sind, weil es feste Verträge über Zahlungen
       gibt. Das Finale Grande ihrer Rede: Jarasch spricht Wegner ab, was der –
       geboren und aufgewachsen in Spandau und dort Abgeordneter auf drei
       Parlamentsebenen – als seine Kernkompetenz betrachtet.
       
       „Da können Sie berlinern wie Sie wollen, Herr Wegner, Sie verstehen nicht,
       was Berlin am Laufen hält“, sagt Jarasch, die gebürtige Augsburgerin.
       Berlin erinnert sie inzwischen an „ein Schiff auf offener See, dem der
       Steuermann abhanden gekommen ist“.
       
       Bei diesem argumentativ unterlegten Abwatschen gerät fast in Vergessenheit,
       womit Jarasch ihre Rede begonnen hat: mit einem Lob für Wegner und den
       Senatsbeschluss zur Verwaltungsreform, an dessen Vorbereitung auch ihre
       Partei beteiligt war. „Dass wir so weit gekommen sind, dafür gebührt Ihnen
       Dank, Herr Wegner“, sagt sie – und leitet daraus ab: Die Regierungsarbeit
       funktioniere offenbar nur, wenn Grüne und Linkspartei mit dabei sind.
       
       Für die CDU geht daraufhin ihr Fraktionschef Dirk Stettner ans Rednerpult.
       Während Jarasch in diesem Haushaltsdrama zwar auch nicht mit dem filigranen
       Florett, aber immerhin noch mit leichtem Degen gefochten hat, haut der mit
       schwerem Säbel auf die Gegenseite ein. Es gebe „eine unfassbar schlechte
       Opposition in diesem Haus“, sagt er gleich zu Anfang – was verblüfft, weil
       Kai Wegner auch an diesem Tag schon Grüne und Linkspartei für ihre
       Mitarbeit bei der Verwaltungsreform gelobt hat. Keine eigenen sinnvollen
       Vorschläge habe die gemacht, meint Stettner – dabei hat Jarasch nur Minuten
       zuvor das Gegenteil bewiesen.
       
       ## Attacken gegen Grüne
       
       Unverdrossen schwingt der CDU-Mann weiter den Säbel Richtung Jarasch: „Ohne
       Sie und Ihren Finanzsenator Wesener hätten wir das Problem gar nicht, das
       wir heute lösen müssen.“ Dabei war es gerade Daniel Wesener, der bis April
       2023 amtierende Chef des Finanzressorts, der in der rot-grün-roten
       Vorgängerregierung zu Ausgabendisziplin mahnte [3][und die Sozialdemokraten
       davor warnte, vermeintliche Überschüsse auszugeben]. Und auch Wegner selbst
       hat in seiner Regierungserklärung eingangs eingeräumt, dass nicht allein
       Rot-Grün-Rot den Haushalt auf Rekordhöhe von 40 Milliarden brachte: „Auch
       wir haben im vorigen Jahr Entscheidungen getroffen, die die Ausgaben erhöht
       haben.“
       
       Den Grünen Wesener selbst bringen Stettners Worten indes nicht auf Distanz
       zur CDU. Beim Anstehen für eine namentliche Abstimmung plauscht er mit
       Regierungschef Wegner, der ihn sogar näher zu sich zieht, um ihm etwas
       mutmaßlich Vertraulicheres direkt ins Ohr zu sagen.
       
       Für Jarasch hat Stettner noch einen Ratschlag: „Kommen Sie mal raus aus
       Ihrer grünen Kuschelgruppe.“ Aus seiner Sicht gibt es durch die Kürzungen
       keinen sozialen Kahlschlag, man könne „voller Optimismus in die nächsten
       zwei Jahre hinein gehen“.
       
       Anne Helm, die Chefin der Linksfraktion, kommentiert seine Worte als
       nächste Rednerin so: „Das war allen im Saal peinlich.“ Sie drängt die
       schwarz-rote Parlamentsmehrheit, [4][noch einen Änderungsantrag von
       Linkspartei und Grünen anzunehmen], bevor der Vorhang fällt: Mit zulässigen
       Krediten von über 800 Millionen ließen sich demnach die schmerzhaftesten
       Sparfolgen vermeiden.
       
       ## Schlusspunkt um 12:02 Uhr
       
       Von SPD-Fraktionschef Raed Saleh ist danach nicht viel mehr Erhellendes zum
       Haushalt zu hören als von Stettner. Zu seiner Gefühlslage sagte er: „Die
       vergangenen Monate waren die härtesten meiner politischen Laufbahn.“
       
       Um 12.02 Uhr ist das Drama um die Landesfinanzen beendet, als
       Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld (CDU) eine Stimmenmehrheit von CDU
       und SPD feststellt und verkündet: „Damit ist der Nachtragshaushalt so
       angenommen.“ Nun stehen also die Finanzen für 2025. Offiziell jedenfalls.
       Denn eigentlich galt das vor einem Jahr auch für den ursprünglichen
       Haushaltsplan.
       
       19 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Berliner-Abgeordnetenhaus/!5976332
   DIR [2] /Suche-nach-Koalitionen/!5919319
   DIR [3] /Halbjahresbilanz-zum-Haushalt/!5873417
   DIR [4] https://www.parlament-berlin.de/adosservice/19/IIIPlen/vorgang/d19-2053-2.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin 
   DIR Haushalt
   DIR Bettina Jarasch
   DIR Raed Saleh
   DIR Raed Saleh
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Humboldt-Universität
   DIR Sparhaushalt
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin 
   DIR Abgeordnetenhaus
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin 
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin 
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Klausurtagung der Berliner SPD-Fraktion: Präsent auch an der Frauenkirche
       
       Traditionell tagt die SPD-Fraktion zu Jahresbeginn außerhalb von Berlin.
       Dieses Mal in Dresden wirkt ihr Chef Raed Saleh einflussreicher denn je.
       
   DIR Klausurtagung der SPD-Fraktion: Muskelspiel in Dresden
       
       Beim Ausflugswochenende zu Jahresbeginn drängt die SPD die CDU zu
       Beschlüssen – von Anwohnerparken und Paritätsgesetz bis zu
       Vorstandsgehältern.
       
   DIR Streit über Ukraine-Hilfen: 3 Milliarden Euro gesucht
       
       SPD und Grüne sind sich einig, dass die Ukraine mehr Geld erhalten soll.
       Doch woher das kommen soll, da gehen die Meinungen auseinander.
       
   DIR Berliner Hochschulen: Sparen teils auf Kosten der Gebäude
       
       Rund 250 Millionen Euro soll Berlin in der Wissenschaft einsparen. Die
       Vorgabe trifft die Universitäten in ihrer Substanz.
       
   DIR Füllhorn Hauptstadtkulturfonds: (K)ein Trostpflaster
       
       Der Sparhaushalt ist beschlossen. Nun flattern einigen Kulturinstitutionen
       gute Nachrichten ins Haus. Der Bund schüttet rund 6,2 Millionen Euro aus.
       
   DIR Kürzungspolitik in Berlin: Die Gesellschaft schafft sich ab
       
       CDU und SPD haben die Kürzungen verabschiedet. Gelöst wird damit kein
       einziges gesellschaftliches Problem – im Gegenteil.
       
   DIR Debatte im Abgeordnetenhaus: Nicht so schlimm?
       
       Bei der ersten Lesung des Nachtragshaushalts im Parlament wirft die SPD der
       Opposition „Schwarzmalerei“ vor. Draußen gibt es zeitgleich Proteste.
       
   DIR Berliner Landeshaushalt: „Jedem muss klar sein: Es wird nicht mehr“
       
       CDU und SPD präsentieren ihre Milliarden-Sparliste. Finanzsenator Stefan
       Evers mag dabei nicht einmal Hoffnung auf die Zukunft machen.
       
   DIR Berliner Landesfinanzen: „Winter is coming“
       
       Finanzsenator Stefan Evers (CDU) zitiert im Parlament aus „Game of
       Thrones“, um auf die Milliarden schweren Kürzungen im Haushalt
       vorzubereiten.