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       # taz.de -- Eintritt in Verteidigungsbündnis: Zypern will in die Nato
       
       > Mitglied der EU und der Eurozone ist die Republik Zypern schon, aber
       > nicht in der Nato. Nun will sie dem Nordatlantikpakt beitreten. Die
       > Türkei ist dagegen.
       
   IMG Bild: Eine riesige Flagge ist auf einen Berg im türkisch besetzen Gebiet Zyperns gemalt
       
       Athen taz | „Wir diskutieren mit den USA, welche Möglichkeiten eine
       Nato-Mitgliedschaft der Republik Zypern bietet, so dass, wenn alles unter
       Dach und Fach ist, Zypern Nato-Mitglied werden kann“, sagte Zyperns
       Staatspräsident Nikos Christodoulidis am vorigen Donnerstag in Zyperns
       Hauptstadt Nikosia. Er sei „erfreut über die positive Antwort, die er von
       den USA erhalten hat“, fügte Christodoulidis hinzu.
       
       Regional, aber auch geopolitisch wäre ein Nato-Beitritt Zyperns ein
       Paukenschlag. Denn seit der völkerrechtswidrigen Invasion regulärer
       türkischer Truppen im Sommer 1974 in den Inselnorden und der seither
       währenden Besetzung von etwa einem Drittel der Inselfläche ist Zypern
       faktisch geteilt. Rund 160.000 Zyperngriechen wurden aus dem Inselnorden in
       den Inselsüden vertrieben, Tausende Zyperntürken verließen den Inselsüden
       in Richtung Norden. Die Zyperngriechen kontrollieren den Inselsüden, die
       Zyperntürken den Inselnorden.
       
       Die 1983 ausgerufene „Türkische Republik Nordzypern“ wird nur von der
       Türkei anerkannt. Die Republik Zypern wurde 2004 EU-Mitglied und trat 2008
       der Eurozone bei. De jure gehört die ganze Insel zur EU. Die letzten
       bilateralen Gespräche zur Lösung der Zypernfrage scheiterten Mitte 2017.
       
       Die Türkei will eine Zwei-Staaten-Lösung, das lehnt die Republik Zypern
       jedoch vehement ab. Der Inselnorden zählt 350.000 Bewohner, die Türkisch
       sprechen und fast alle Muslime sind. Der Süden hat 900.000 Bewohner, die
       Griechisch sprechen und fast alle orthodox sind. Nikosia ist die letzte
       geteilte Hauptstadt der Welt.
       
       ## Strategische Kooperation mit den USA
       
       Nach Russlands Invasion im Februar 2022 in die Ukraine hat sich die
       Republik Zypern endgültig von Moskau abgewandt, nachdem Nikosia
       jahrzehntelang enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen
       zunächst mit der Sowjetunion und später der Russischen Föderation pflegte.
       
       Unterdessen hat Zypern eine strategische Kooperation mit den USA gestartet,
       wie Zyperns Außenminister Konstantinos Kombos erst kürzlich [1][in einem
       Interview der taz] sagte. Sie beruhe auf sechs Grundpfeilern, darunter in
       den Bereichen Bildung, Forschung sowie Technologie.
       
       Zu Zyperns strategischer Kooperation mit den USA in nicht-militärischen
       Feldern ist nunmehr eine strategische militärische Zusammenarbeit
       hinzugekommen: Wie Christodoulidis diesbezüglich nun bestätigte, wolle
       Zypern den USA einen Luftwaffenstützpunkt zur Verfügung stellen.
       
       Für die USA wäre ein Beitritt Zyperns zur Nato und der Aufbau eines
       Stützpunktes für die US-Luftwaffe durchaus bedeutend: Zypern wäre wegen
       seiner geostrategischen Lage im östlichen Mittelmeer für die Nato ein
       wichtiges Land, nicht zuletzt, um Russlands Einfluss, Militärpräsenz und
       militärischen Aktivitäten im Nahen Osten die Stirn zu bieten.
       
       ## Regierung ohne Entscheidungsbefugnis
       
       Schon jetzt werden die beiden exterritorialen britischen Militärstützpunkte
       im Inselsüden – Dekelia nahe Larnaka sowie Akrotiri nahe Limassol – während
       der Krisen in der Region wie jetzt ebenso von den USA genutzt. Die
       libanesische Hisbollah hatte bereits im Juni damit gedroht, Zypern mache
       sich zum Angriffsziel, falls es „seine Flughäfen und Basen für den
       israelischen Feind öffnet“. Dabei hat die Regierung in Nikosia keinerlei
       Entscheidungsbefugnis für die beiden britischen Stützpunkte auf Zypern.
       Denn sie sind Staatsgebiet des Vereinigten Königreichs.
       
       Erstmals hatte die griechische Tageszeitung Kathimerini über die
       Beitrittspläne Zyperns zur Nato berichtet. Darüber habe Christodoulidis bei
       einem Besuch im Weißen Haus am 30. Oktober mit dem scheidenden
       US-Präsidenten Joe Biden gesprochen, so Kathimerini. Hernach habe
       Christodoulidis auch den neuen Nato-Generalsekretär Mark Rutte über Zyperns
       Beitrittspläne in Kenntnis gesetzt.
       
       Der Haken: das Nato-Schwergewicht Türkei sträubt sich mit Nachdruck
       dagegen. Ein Nato-Beitritt Zyperns sei „inakzeptabel“ und würde sich
       negativ auf eine Lösung des Zypernkonflikts auswirken, erklärte das
       türkische Verteidigungsministerium. Fest steht: Um ein neues Land in die
       Verteidigungsallianz aufzunehmen, bedarf es der Zustimmung aller 32
       Nato-Mitglieder. Will heißen: Auch die Türkei muss ihr Plazet dafür
       erteilen.
       
       Staatspräsident Christodoulidis erwiderte, es sei ihm klar, dass die Türkei
       gegen einen Beitritt seines Landes zur Nato sei. Dennoch werde Zypern „zum
       geeigneten Zeitpunkt“ eine Aufnahme in die Nato beantragen. Wann genau dies
       erfolgen werde, will Christodoulidis indes noch nicht verraten.
       
       Für den Ende Februar 2023 ins Amt gewählten Ex-Karrierediplomaten
       Christodoulidis, der nur wenige Monate vor der nunmehr 50 Jahre andauernden
       Inselteilung auf Zypern zur Welt kam und von 2018 bis 2022 als
       Außenminister fungierte, ist deren Überwindung das oberste politische Ziel.
       
       3 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ferry Batzoglou
       
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