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       # taz.de -- Donald Trump und rechte US-Medien: Fake News in der Echokammer
       
       > Der erneute Siegeszug von Donald Trump verdankt sich dem Einfluss rechter
       > US-Medien. Bleibt kritischer Journalismus nach seiner Amtsübernahme
       > erhalten?
       
   IMG Bild: Medienmächtiges Bündel: Donald Trump und „X“-ex-Twitter-Besitzer Elon Musk bei einer Gala des America First Policy Institute
       
       Wenn Donald Trump am 20. Januar 2025 offiziell sein Amt als 47.
       US-Präsident in Washington antreten wird, dann verdankt er das der
       Tatsache, dass ihn rechtsgerichtete US-Medien schon im Wahlkampf tatkräftig
       unterstützt haben. Ohne quotenstarke Privatsender und obskure
       Internetanbieter gleichermaßen wäre sein Erdrutschsieg undenkbar. Warum
       konnten die eingeführten kommerziellen und nicht-kommerziellen Medien
       Trumps erneuten Sieg nicht verhindern? Das liegt an einem Strukturwandel
       der medienkonsumierenden Öffentlichkeit in den USA, und dieser hat sicher
       nicht erst mit seiner Wiederwahl eingesetzt. Trumps Wahlsieg hat auch nicht
       nur mit neuesten Medientechnologien und Geschäftsmodellen im
       Internetzeitalter zu tun. Es geht auch nicht nur um die Funktion der Medien
       bei diesem bedeutenden Ereignis. Trumps erratisches Verhalten vor und nach
       der Wahl am 5. November 2024 unterstreicht doch nur, dass mit ihm die
       Regierungsform Demokratie insgesamt auf dem Spiel steht.
       
       Der erneute Siegeszug des Straftäters an die Staatsspitze ist nur das
       auffallendste Anzeichen für ein zunehmend komplexer gewordenes Verhältnis
       zwischen Medien, Macht und politischem Einfluss. „Trump und seine
       schwerreichen Gönner haben es zunächst geschafft, soziale Medien für ihre
       Zwecke zu nutzen und dann vollständig unter Kontrolle zu bringen“, stellt
       Ian Williams fest, der Vorsitzende der Vereinigung ausländischer
       Medienschaffender in New York (NYFPA).
       
       Neurechte Medienkonglomerate gestalten inzwischen entscheidend daran mit,
       welches ideologische Bild die US-Gesellschaft von der Welt vermittelt
       bekommt. Dieses Weltbild ist viel radikaler und liegt jenseits der alten
       Wasserscheide konservativ versus liberal, denn es geht dabei um eine
       fundamentale Transformation: Welche Nachrichten dringen überhaupt noch zu
       den Amerikaner:innen durch und wie werden diese aufgenommen? Dass
       haitianische [1][Migranten in Ohio angeblich Haustiere essen, diese
       haarsträubende Falschmeldung] kam zunächst in der rechtsradikalen
       Medienszene auf. „Trump eifert den rechtsradikalen Medien nach“, erklärt
       Ian Williams. „Viele seiner Ideen und Themen bezieht er direkt aus der
       rechten Medienbubble. Er saugt rechtsradikale Ideologien auf, das macht ihn
       besonders gefährlich.“
       
       ## Der grassierende Autoritarismus
       
       Ian Williams ist der Ansicht, dass diese Strategie Trump noch mächtiger
       erscheinen lassen wird. Denn der zukünftige Präsident sieht sich nicht nur
       als Meinungsführer, er wirkt als medienwirksamer Verstärker für die
       vorhandenden Vorurteile seiner Wählerschaft. Auch die Journalistin Diane
       Nottle, früher Redakteurin bei der New York Times, heute Dozentin an der
       renommierten Newmark-Journalistenschule in New York, erkennt an Trumps
       Verhalten Anhaltspunkte eines weltweit grassierenden Autoritarismus. „Die
       Sehnsucht nach dem starken Mann ist eine Entwicklung, die sich bei
       rechtspopulistischen Bewegungen überall beobachten lässt.“
       
       Während in vielen US-Städten Lokalzeitungen und regionale Redaktionsbüros
       dichtgemacht haben, erhöhte sich zeitgleich die Reichweite von korporativen
       rechten Medien. Michael Tomasky vom konservativen Politikmagazin New
       Republic zählt dazu „Fox News und seine eigene Nachrichtenagentur, Newsmax,
       One America News Network, die Rundfunk-, TV-Sender und Zeitungen der
       Sinclair-Gruppe, iHeartMedia (früher Clear Channel), das evangelikale
       Bott-Radio-Network, Podcasts von Sportmoderator und Comedian Joe Rogan und
       nicht zuletzt den Räuberbaron Elon Musk und X“. All die Genannten setzen
       inzwischen landesweit die Themen auf ihren Kanälen. „Sie haben ihre
       Zielgruppen mit verzerrten und einseitigen Nachrichten aufgeputscht –
       wahlentscheidend für Donald Trump.“
       
       Nehmen wir nur mal die Sinclair-Gruppe und ihre heimliche Revolution auf
       dem Markt der Lokalnachrichten. Ihre Expansionsstrategie hat sich ehemals
       unabhängige Lokalredaktionen einverleibt und diese in synchronisierte
       Massenmedien verwandelt, deren Nachrichtenangebot exakt aufeinander
       abgestimmt ist. Dadurch werden spezifische politische Narrative wie in
       einer Echokammer quer durch verschiedene Zielgruppen und Communitys
       gesendet und dabei vielfach verstärkt. Zugleich haben digitale Plattformen
       in den USA neue Kraftzentren gebildet.
       
       Sogenannte „Manosphere“-Podcasts, zugeschnitten auf angebliche Belange
       junger Männer, und weitere rechte Medienkanäle „für die ganze Familie“ üben
       einen noch nie da gewesenen Einfluss auf die öffentliche Meinung aus und
       erreichen viele Winkel der US-Gesellschaft.
       
       ## Die Besitzverhältnisse der rechten Mediensphäre
       
       Das Problem reicht aber tiefer als nur in die Besitzverhältnisse der
       rechten Mediensphäre. Diane Nottle sieht den Anfang dieser Entwicklung
       bereits im Wahlkampf zu Trumps erster Kandidatur 2016, damals noch gegen
       die Demokratin Hillary Clinton. Der Republikaner Trump habe schon damals
       viel mehr Sendezeit als die Kandidatin der Demokratischen Partei erhalten
       und konnte seinen Sermon oftmals unwidersprochen verbreiten.
       Wahlkampfberichterstattung in den USA vergleicht Nottle mit Pferdewetten-
       und Sportergebnis-Prognosen: „Wer liegt heute vorn? Was sagen die
       Demoskopen?“ Auch im Wahlkampf 2024 waren Umfragen wieder enorm wichtig,
       vielleicht zu wichtig. „Mit der Zeit finde ich ihre Ergebnisse kaum noch
       aussagekräftig.“
       
       Die Fixierung auf Demoskopen und deren teils fragwürdige Prognosen führt zu
       ernsten Konsequenzen. Wenn Medien nur noch die täglichen Umfragewerte im
       Blick haben, tun sich gleichzeitig die US-Bürger:innen immer schwerer,
       aus Qualitätsmedien verlässliche Informationen über Alltagsthemen
       herauszufiltern. Wenn das Wahlvolk merkt, dass seine ökonomische Realität
       in den überregionalen Medien falsch oder nur vereinfacht dargestellt wird,
       schwindet sein Glaube an die Medien als vierte Säule im Staat. Genauigkeit
       und faktenbasierte Berichterstattung erodieren immer weiter.
       
       Es steht viel auf dem Spiel. [2][Wenn Trump in wenigen Wochen seine
       Amtsgeschäfte ein zweites Mal aufnimmt, dreht sich das Hamsterrad aus
       Nonstop-Medienberichterstattung, großem Geld und politischer Macht wieder
       schneller]. Wie kann in den USA in dieser Turbo-Gemengelage überhaupt
       kritische Berichterstattung gewährleistet werden, auf welche Weise können
       Bürger:innen sich objektiv informieren, um den Schutz der
       Gewaltenteilung im demokratischen Regierungssystem weiterhin
       sicherzustellen?
       
       Auch wenn die Ausgangslage am Vorabend von Trumps Machtübernahme 2025 trübe
       erscheint, es liegt nicht alles im Argen. Es gibt in vielen US-Regionen
       inzwischen innovative Finanzierungsmodelle für kritischen und unabhängigen
       Lokaljournalismus, etwa von ProPublica, Democracy Now und The Intercept.
       Genauso gewinnen Lehrangebote an Boden, die Einweisung und Nachhilfe in
       Medienkompetenz an Schulen vermitteln.
       
       ## Eine fundamentale Neuorientierung
       
       Aber solche Initiativen und Lösungsangebote benötigen Zeit, und es bedarf
       weit mehr als nur guter Intentionen, um etwas an der einseitigen
       Berichterstattung zu ändern: Die Polarisierung nach Trumps Wahlsieg
       verlangt nach einer fundamentalen Neuorientierung von dem, wie in den USA
       Nachrichten vermittelt werden.
       
       Die große Frage ist nicht so sehr, ob die US-Medienindustrie im Stande ist,
       sich zu wandeln. Es geht viel eher darum, ob dieser Wandel demokratische
       Institutionen in ihrer Arbeit bestärkt. Wie die US-Gesellschaft diese
       Transformation meistert, wird nicht nur die Zukunft des Journalismus
       besiegeln, sondern es geht dabei letztendlich um den Bestand der
       US-Demokratie als solcher.
       
       Aus dem Englischen von Julian Weber 
       
       Emilie Pons ist eine französisch-US-amerikanische Journalistin aus New
       York.
       
       5 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Harris-vs-Trump/!6036240
   DIR [2] /US-Journalist-zur-Lage-nach-Trumps-Wahl/!6045316
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Emilie Pons
       
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