# taz.de -- Hörspiel und Klanginstallation: Der Feind nistet schon in deinem Ohr
> Nik Nowaks hat ein Hörstück zur hybriden Kriegsführung gemacht. „A War of
> Decibels“, gibt es als Album und Klanginstallation im Militärhistorischen
> Museum Dresden.
IMG Bild: Nik Nowak: „Schizo Sonics“ (2024), Ausstellungsansicht, MHM Dresden © Nik Nowak / VG Bild-Kunst Bonn, 2020
Vor Kurzem berichtete die New York Times über eine neuartige Waffe, die die
Armee des nordkoreanischen Diktators Kim Yong Un gegen das Nachbarland im
Süden einsetzt. Von ohrenbetäubendem Krach war da die Rede, dem
Bewohner*innen eines südkoreanischen Dorfes nahe der Grenze zu
Nordkorea ausgesetzt waren.
[1][Es war auch die Rede von einem finsteren Gong, der des Nachts immer
wieder angeschlagen wurde, von Wolfsgeheul, knirschendem Metall und
geisterhaftem Geschrei.] Eine Klangkulisse wie aus einem Horrorfilm, mit
Soundeffekten von einschlagender Artillerie bis zu wildem Klaviergeklimper.
Jene verstörenden Sounds werden zur Einschüchterung der „feindlichen“
Bevölkerung genutzt. Gelesen hat den Text auch der Berliner Künstler Nik
Nowak. [2][Seit einiger Zeit schon beschäftigt er sich mit akustischer
Kriegsführung] und damit, wie Klang zu Propagandazwecken eingesetzt wird
oder als Folterinstrument. Gerade erst hat er ein Album zu diesem Thema
veröffentlicht „Schizo Sonic – A War of Decibles“, erschienen beim
britischen Label Flatlines.
## Found-Footage und Klangcollage
Ein Hörspielessay wie eine Mischung aus Spoken Word – mit eingesprochenen
Textpassagen der britischen Kulturwissenschaftlerin Jessica Edwards und
Musik vom Dubstep-Duo Infinite Livez. Dazu Found-Footage und Klangcollage
mit umfangreicher Begleitpublikation. Fast zeitgleich hat Nowak eine
Ausstellung im Militärhistorisches Museum der Bundeswehr in Dresden
eröffnet, in dem dieser Soundessay ebenfalls zu hören ist.
„Schizo Sonic“ bildet dort den akustischen Part einer Installation von zwei
seiner Soundpanzer, „Panzer“ (2011) und „The Mantis“ (2019), mit denen er
in verschiedenen Formationen bereits in den vergangenen Jahren des Öfteren
gearbeitet hat. [3][Präsentiert hat er diese in einer ersten Variante 2021
bereits im Kindl Zentrum für zeitgenössische Kunst in Berlin], einem
Ausstellungsort mit anderer Konnotation freilich als dem von der Bundeswehr
betriebenen Museum in Dresden.
Und zu einem Zeitpunkt, in dem das Thema der Schau durch die
weltpolitischen Entwicklungen seitdem, durch den russischen Angriffskrieg
in der Ukraine vor allem, dringlicher noch erscheinen als damals. Von zwei
Beispielen dafür, wie Sound zu Zeiten des Kalten Krieges als Waffe
eingesetzt wurde, erzählt die Arbeit. Aufgewachsen ist Nowak mit dem Thema
quasi, beim Gespräch in seinem Studio in Berlin-Kreuzberg berichtet er
davon, wie ihn die Präsenz der US-amerikanischen Soldaten im
Rhein-Main-Gebiet, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte, geprägt hat.
## Krieg der Lautsprecher im Berlin der 1960er
Auf „Schizo Sonic“ geht es einerseits um den sogenannten Lautsprecherkrieg,
bei der von 1961 bis 1965 die deutsch-deutsche Grenze beidseitig mit
Propaganda beschallt wurde, [4][andererseits, um die politische
Instrumentalisierung jamaikanischer Reggae-Soundsysteme in sogenannten
„Soundclashes“, wie sie vor allem in den 1970er Jahren währen der
Wahlkämpfe auf der Karibikinsel stattgefunden haben.]
2021, zur Berliner Ausstellung, veranstaltete Nowak auch ein von Jessica
Edwards kuratiertes Symposium – „The Wall Continuum“ – zur schleichenden
Rückkehr des Kalten Krieges, einer neuen Teilung der Welt und der Rolle von
Propaganda dabei. Mehr Echo hätte sich Nowak dafür gewünscht: „Ich hatte
Schwierigkeiten, Gehör dafür zu finden“, erinnert er sich.
Weiterverfolgt hat er sein Projekt dennoch. Auf Albumlänge fällt es
leichter, der 43-minütigen Aufnahme mit der nötigen Aufmerksamkeit zu
folgen. Zwar hat Nowak sie keineswegs linear konzipiert, quasi an jeder
Stelle, ist es möglich einzusteigen, was die Rezeption auch in der
Ausstellungssituation erleichtert. Besucher*innen betreten diese
schließlich jederzeit und bleiben unterschiedlich lang, sind außerdem
womöglich durch die visuellen Parts der Installation abgelenkt.
## Manipulation und Propaganda
Fast schon selbst als ein Zeitdokument erscheint das Stück heute, Donald
Trump kommt darin während seiner ersten Amtszeit vor. Auf „Schizo Sonic“
hört man ihn Reden schwingen über jene Mauer, die er im Süden der USA
aufbauen will. Nowak spricht von sich wiederholenden Mustern, von Miss- und
Falschinformationen, Manipulation und Propaganda.
Heute finden sie eben mit anderen technologischen Mitteln statt, die
„aufgrund der Vielschichtigkeit im Internet viel komplexer seien“ und von
einem „unüberschaubaren Wust an Medien-Outlets, die alle ideologisch
funktionieren und ihre aggressiven politischen Interessen vertreten, die
man kaum noch sortiert bekommt“.
Ein anderes Publikum als im Kindl wird er im Militärhistorischen Museum der
Bundeswehr mit seiner Installation sicherlich erreichen, wieder andere mit
seinem Album. Denkanstöße möchte er liefern, gerade auch in Bezug auf die
gegenwärtige Situation, auf die sich wieder aufbäumenden Feindseligkeiten
des Kalten Krieges und deren Echo in Lausch-Propaganda.
Sie ist inzwischen Teil der hybriden Kriegsführung, deren Strategien eine
gezielte Steuerung von Diskussionen in sozialen Medien und die Manipulation
von Informationen und Nachrichtenportalen strategisch umfasst. Würde er
diese darstellen wollen, bräuchte er für seine Installation allerdings
keine großen Lautsprecherwagen mehr. Diese haben längst kleine Geräte
ersetzt, die sich jeder freiwillig ans Ohr hält. Smartphones und soziale
Medien haben die manipulative Wirkkraft perfektioniert.
6 Dec 2024
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## AUTOREN
DIR Beate Scheder
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