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       # taz.de -- Letzte Ampel-Vorhaben im Bundestag: Rot-Grün sucht Last-Minute-Mehrheiten
       
       > SPD und Grüne bringen das Kritis-Dachgesetz und NSU-Dokumentationszentrum
       > trotz Ampel-Bruch in den Bundestag ein. Die Union hat ein anderes
       > Projekt.
       
   IMG Bild: Angehörige gedenken der Opfer des NSU am 5. Jahrestag 2016 in Berlin
       
       Berlin taz | Eine Mehrheit haben SPD und Grüne im Bundestag seit dem Bruch
       der Ampel-Regierung nicht mehr. Nun aber wollen beide Fraktionen in den
       wenigen verbleibenden Sitzungen des Bundestags vor der Neuwahl neben der
       [1][Abschaffung des Paragrafen 218], dem Verbot von
       Schwangerschaftsabbrüchen, noch innenpolitische Vorhaben auf den Weg
       bringen. Sie wollen [2][das Kritis-Dachgesetz] für einen besseren Schutz
       der kritischen Infrastruktur in Deutschland einbringen genauso wie das
       [3][Gesetz für eine Stiftung, die das zu schaffende
       NSU-Dokumentationszentrum] betreiben soll. Beide Projekte sollen am
       Donnerstag in erster Lesung im Parlament diskutiert werden.
       
       SPD-Innenexperte Sebastian Hartmann erklärte das Kritis-Dachgesetz für
       zwingend nötig. „Deutschland befindet sich seit einiger Zeit in einer
       dauerhaften Lage der Bedrohung auch durch ausländische Mächte mit Angriffen
       auf unsere Infrastruktur“, sagte er der taz. „Der von der FDP verschuldete
       Bruch der Regierung hindert uns nicht, unser Land und seine kritischen
       Infrastrukturen stärker und resilienter aufzustellen. Wir müssen unsere
       Daseinsvorsorge und unser tägliches Leben sichern und dazu brauchen wir
       dieses Gesetz.“
       
       Auch Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic warb darum, dass
       Union und FDP dem Kritis-Dachgesetz noch in dieser Restlegislatur
       zustimmen. „Fast täglich gibt es Sabotage-Meldungen. Kritische
       Infrastrukturen wie Krankenhäuser oder die Strom- und Wasserversorgung sind
       die Lebensadern unserer Gesellschaft“, so Mihalic zur taz. „Ihr Schutz ist
       so relevant wie nie zuvor und darf keinen parteipolitischen Spielchen zum
       Opfer fallen.“
       
       Das Kritis-Dachgesetz hatte die Ampelkoalition [4][bereits in ihrem
       Koalitionsvertrag von 2021 versprochen.] Damit sollen erstmals
       Mindestvorgaben für den Schutz der kritischen Infrastruktur in Deutschland
       festgelegt werden, also für Unternehmen aus den Bereichen Energie, Verkehr
       oder Gesundheitswesen. Nach längeren Beratungen mit den Ländern und
       Nachbesserungen hatte das Ampel-Kabinett den Gesetzentwurf [5][schließlich
       am 6. November verabschiedet] – wenige Stunden vor dem Platzen der
       Koalition. Deutsche Sicherheitsbehörden hatten zuletzt [6][vor vermehrten
       Sabotageakten hierzulande gewarnt], die vor allem Russland zuzurechnen
       seien.
       
       ## NSU-Dokumentationszentrum sei „längst überfällig“
       
       Zugleich werben SPD und Grüne auch um Stimmen der Union und FDP für die
       [7][Errichtung eines NSU-Dokumentationszentrums]. Auch dieser Gesetzentwurf
       ging erst vor einer Woche durch das Bundes-Rumpfkabinett von SPD und
       Grünen. Das Zentrum soll in Berlin entstehen und an die Opfer der
       rechtsextremen Terrorgruppe erinnern.
       
       Mihalic betonte, ein NSU-Dokumentationszentrum sei „mehr als 13 Jahre nach
       Bekanntwerden der Terrortaten und der schrecklichen Morde längst
       überfällig“. Die erste Lesung zu dem Gesetz sei „ein erster wichtiger
       Schritt“. Dabei dürfe es aber nicht bleiben, so Mihalic. „Wir appellieren
       an FDP und Union, das würdige Gedenken an die Opfer nicht länger zu
       verschleppen und den Gesetzentwurf gemeinsam mit allen demokratischen
       Fraktionen noch in dieser Wahlperiode abzuschließen.“
       
       Auch SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese bezeichnet das NSU-Dokumentationszentrum
       als „wichtigen Beitrag“ zum Gedenken an die Opfer des Rechtsterrors und für
       die historisch-politische Bildung. „Die Fehler und das Versagen des Staates
       machen es unbedingt notwendig, das Geschehene zu dokumentieren, sich
       dauerhaft an die Opfer zu erinnern und ihrer zu gedenken.“ Das Projekt sei
       ein „breit getragenes Anliegen in unserer Gesellschaft und sollte unbedingt
       vor der Bundestagswahl beschlossen werden“, betonte Wiese. „Ich kann nur an
       die Union appellieren, hier keine taktischen Parteispielchen zu spielen und
       den Weg für dieses wichtige Vorhaben freizumachen.“
       
       Erst am Dienstag hatte jedoch Unions-Fraktionschef und Kanzlerkandidat
       Friedrich Merz erneut betont, nur noch „absolut notwendigen“ Gesetzen in
       der Restlegislatur des Bundestags zuzustimmen – und ansonsten keinen mehr,
       die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt haben. Unions-Fraktionsvize Andrea
       Lindholz hatte explizit zum Kritis-Dachgesetz jüngst der taz gesagt,
       [8][der Schutz kritischer Infrastrukturen sei „ohne Zweifel“ wichtig]. Aber
       wie dieser Schutz verbessert werden könne, „will sehr gut überlegt und
       diskutiert sein“. Soll heißen: Einen schnellen Beschluss wird es nicht
       geben.
       
       ## Die Union will noch IP-Adressenspeicherung durchsetzen
       
       Die Union setzt dafür für Donnerstag wiederum einen Gesetzentwurf für ein
       Projekt auf die Tagesordnung, für das auch die SPD-Fraktion und
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser eintreten: [9][die Speicherung von
       IP-Adressen zur Strafverfolgung]. Das Vorhaben war in der Ampel aber an der
       FDP gescheitert. Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der
       Union, hatte erklärt, die IP-Adressspeicherung stehe „ganz oben auf unserer
       To-do-Liste“. IP-Adressen seien als digitales Beweismittel gerade bei der
       Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch im Internet „unabdingbar“. Es
       käme einer Art Vorratsdatenspeicherung gleich.
       
       SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese gab sich zurückhaltend. „Ziel der
       SPD-Bundestagsfraktion ist eine rechtssichere und pragmatische Lösung und
       kein erneuter unbrauchbarer Regelungsversuch von CDU und CSU, der zum
       wiederholten Mal in Karlsruhe scheitert“, sagte Wiese der taz. Es brauche
       einen Gesetzentwurf für die Speicherung von IP-Adressen, der „sowohl
       berechtigte Sicherheitsinteressen der Ermittlungsbehörden als auch die
       Grundrechte Einzelner berücksichtigt“. Die Urteile des Europäischen
       Gerichtshofs gäben hier „klare Leitplanken“ vor.
       
       In der Grünen-Fraktion wird sich dagegen grundsätzlich kritisch zur
       IP-Adressenspeicherung geäußert. Auf Länderebene zeigte sich die Partei
       offener: So sprachen sich in Hessen die Grünen für eine Speicherung für
       wenige Wochen aus. Wenn „rechtsstaatliche Grundsätze“ eingehalten würde,
       sei eine befristete Speicherung „sinnvoll“, [10][erklärte die
       Landtagsfraktion].
       
       5 Dec 2024
       
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   DIR [10] https://www.gruene-hessen.de/landtag/pressemitteilungen/gruene-landtagsfraktion-spricht-sich-fuer-die-speicherung-von-ip-adressen-als-ergaenzung-zum-quick-freeze-verfahren-aus/
       
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   DIR Konrad Litschko
       
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