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       # taz.de -- Proteste in Georgien: Razzien und Festnahmen
       
       > Die Behörden gehen weiter massiv gegen ihre Kritiker*innen vor. Der
       > Ombudsmann zeigt sich ob massiver Polizeigewalt alarmiert.
       
   IMG Bild: Kunstschaffende protestieren vor dem Rustaveli-Nationaltheater in Tbilissi am 5. Dezember 2024
       
       Berlin taz | Sie lassen nicht locker: In Georgien gehen [1][die Proteste
       gegen die Regierung auch den achten Tag in Folge weiter]. In der Hauptstadt
       Tbilisi blockierten Demonstrant*innen am Donnerstag den zentralen
       Rustaveli-Boulevard, nachdem der Direktor des Rustaveli Theaters
       Kulturschaffenden den Zugang zu dem Gebäude verweigert hatte.
       
       In der drittgrößten Stadt Kutaisi gingen erneut Student*innen auf die
       Straße. Für den Abend war ein Marsch zum Rathaus angekündigt. Die Straße
       zwischen Jvari und Mestia, die die beiden Provinzen Swaneti und Megrelien
       miteinander verbindet, wurden von Protestierenden blockiert. Diese
       verlangten Neuwahlen nach dem, eine Wiederaufnahme der Bemühungen auf dem
       Weg hin zu einer EU-Integration sowie die Freilassung aller Personen, die
       bei den Kundgebungen der vergangenen Tage festgenommen worden waren. Die
       Opposition hatte nach den Parlamentswahlen am 26. Oktober massive
       Fälschungsvorwürfe erhoben.
       
       Die Proteste hatten am 28. November begonnen und waren mehrfach in
       Gewaltexzesse seitens von Polizei- und Sicherheitskräften auch gegen
       Journalist*innen ausgeartet. Ultimativer Auslöser war [2][die
       Ankündigung von Ministerpräsident Irakli Kobachidze gewesen, die
       Beitrittsverhandlungen mit der EU bis 2028 auf Eis zu legen]. Im Dezember
       vergangenen Jahres hatte die Südkaukasusrepublik den Status eines
       EU-Beitrittskandidaten erhalten.
       
       In der Nacht zu Donnerstag waren die Sicherheitskräfte zwar nicht mehr ganz
       so brutal gegen die Demonstrant*innen vorgegangen, hatten sich dafür
       jedoch auf Razzien bei Oppositionellen verlegt. Bei einem dieser
       „Hausbesuche“ wurde Nika Gwaramia festgenommen, einer der Vorsitzenden der
       „Koalition für Veränderungen“. Ihm werden Rowdytum und Widerstand gegen die
       Polizei vorgeworfen. Laut seines Anwaltes sei er bei seiner Festnahme
       massiv geschlagen worden.
       
       ## Schwere Gesichtsverletzungen
       
       Laut Levan Ioseliani, Ombudsmann des Parlaments, seine bei den jüngsten
       Protesten insgesamt 260 Personen festgenommen und davon 1988 von
       Polizeikräften misshandelt worden. Sein Büro habe Haftanstalten in 15
       Städten besucht. Dabei seien alarmierende Fälle polizeilichen
       Fehlverhaltens zutage getreten, inklusive der Festnahme des Vertreters der
       Partei „Starkes Georgien“ Aleko Elisaschwili, der schwere
       Gesichtsverletzungen erlitten hatte. Die Kausa sei einer
       Spezialermittlungseinheit übergeben worden. Zudem seien die Rechte von
       Bürger*innen in der Nähe von U-Bahn-Stationen während der Proteste
       verletzt worden.
       
       Unterdessen legten Vertreter der Regierungspartei Georgischer Traum (KO) am
       Donnerstag mit Hasstiraden gegen die Opposition noch einmal nach.
       Ministerpräsident Irakli Kobachidze sprach von einem Aufruhr, der aus dem
       Ausland finanziert worden sei, um Radikalisierung und Polarisierung zu
       befeuern. Ausländische Akteure wollten mit undurchsichtigen Mitteln eine
       Revolution orchestrieren. Gelder aus dem Ausland stünden hinter diesem
       „liberalen Faschismus“, der für den Staat destruktiv sei.
       
       Erneut verteidigte Kobachidze das sogenannte Agentengesetz. Das Gesetz
       hatte das Parlament trotz massiver Proteste im vergangenen Frühjahr
       verabschiedet, seit August ist es in Kraft. Nichtregierungsorganisationen
       und Medien, die mehr als 20 Prozent ihrer Finanzierung aus dem Ausland
       erhalten, unterliegen einer verschärften Rechenschaftspflicht und müssen
       sich in ein spezielles Register eintragen lassen.
       
       Die Regierung werde alles tun, um derartige schädliche Gruppen und
       Nichtregierungsorganisationen aus der politischen Landschaft zu
       eliminieren, sagte Kobachidse. Eltern rief er dazu auf, ihre Kinder von
       diesen „Brutstätten des liberalen Faschismus“ fern zu halten.
       
       ## Noch keine Sanktionen
       
       Laut eines Berichts des georgischen Webportals JAMNews hätten sich bislang
       382 Organisationen registrieren lassen. Informationen der georgischen
       Statistikbehörde Geostat zufolge gebe es landesweit über 32.000
       Gruppierungen, davon seine 3900 aktiv. Bislang werden Organisationen, die
       in Sachen Registrierung säumig sind, nicht sanktioniert. Das könnte sich
       jedoch bald ändern.
       
       Der georgische Politikanalyst Gia Nodia, den JAMNews zitiert, sieht die
       Regierung so verletzlich wie nie zuvor. Selbst Bürger*innen, die in den
       vergangenen 12 Jahren geschwiegen hätten, gingen jetzt auf die Straßen. Zum
       ersten Mal gebe es ein Licht am Ende des Tunnels.
       
       „Der Teil der Menschen, der als „Gesellschaft“ bezeichnet werden kann,
       fordert Veränderungen und hat begriffen, dass ohne radikale Schritte,
       nichts passieren wird“, so Nodia. „Ich weiß nicht, wie sich die Ereignisse
       entwickeln werden, aber es eine reale Gelegenheit ist jetzt da und wir
       dürfen sie nicht verpassen.“
       
       5 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
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