URI: 
       # taz.de -- Innenministerkonferenz geht zu Ende: „Grundlegende Wende“ bleibt erstmal aus
       
       > Die Innenminister*innen der Länder und des Bundes halten an
       > Abschiebungen nach Afghanistan fest. Den Unionsinnenministern reicht das
       > noch nicht.
       
   IMG Bild: Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf ihrer möglicherweise letzten Innenministerkonferenz
       
       Berlin taz | Die Grenzkontrollen zur Bekämpfung unerlaubter Einreisen nach
       Deutschland sollen über den März nächsten Jahres hinaus verlängert werden.
       Das kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser zum Abschluss der
       Innenministerkonferenz von Bund und Ländern am Freitag im brandenburgischen
       Rheinsberg an.
       
       Die Kontrollen aller Außengrenzen hätten sich bewährt, sagte die
       SPD-Politikerin. So seien 37.000 Personen an den Grenzen abgewiesen und
       1.600 Schleuser festgenommen worden. Die Zahl der Asylgesuche sei binnen
       Jahresfrist um 40 Prozent zurückgegangen.
       
       Die Flüchtlings- und Migrationspolitik war [1][das zentrale Thema auf der
       dreitägigen Konferenz]. Die Innenminister der Union hatten hier [2][eine
       „grundlegende Wende“ gefordert]: mit Zurückweisungen an deutschen Grenzen,
       verlängerten Grenzkontrollen, deutlich mehr Abschiebungen oder der
       Festlegung neuer sicherer Herkunftsstaaten.
       
       Die SPD-Innenminister*innen hatten einige die Forderungen zurückgewiesen.
       Zwar wurde auch dort erklärt, dass „irreguläre Migration dringend spürbar
       reduziert“ werden müsse. Die zuletzt ergriffenen Maßnahmen, wie die
       verschärften Abschieberegeln, hätten aber bereits „spürbare Auswirkungen“
       gezeigt.
       
       ## Unionsinnenminister wollen noch mehr Härte
       
       Die SPD-Seite verwies auf das Sinken der Asylgesuche um 40 Prozent in
       diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr oder auf die um 27 Prozent
       zurückgegangene Zahl der Asylerstanträge. Zugleich seien Rückführungen um
       20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
       
       Es sind Zahlen, die der Union jedoch nicht reichen. Und Streit gab es nach
       taz-Informationen auch bei der Unionsforderung nach direkten
       Zurückweisungen an der Grenze. Die SPD-Innenminister weisen diese als
       rechtswidrig zurück und fürchten, dass es zu Verwerfungen mit den
       EU-Nachbarländern kommen könnte. Sie verwiesen auf rund 37.000
       Zurückweisungen, die bereits in diesem Jahr erfolgten.
       
       Die Unionsinnenminister halten dagegen die Zahl bei gut 235.000 neuen
       Asylanträgen in diesem Jahr für viel zu gering. Sie sehen die
       Zurückweisungen daher als „zwingend geboten“, um die Zahlen deutlich zu
       senken. Da die Innenminister*innen immer im Konsens entscheiden, fiel
       hier ein gemeinsamer Beschluss aus.
       
       Dissens gab es auch bei der Umsetzung der europäischen GEAS-Reform noch in
       der Restlegislaturperiode in Deutschland, was die SPD-Seite forderte. Hier
       wiederum bremsten die Unionsinnenminister, die dies erst unter der neuen
       Bundesregierung tun wollen.
       
       ## SPD-Mann Grote stolz auf Abschiebungen nach Afghanistan
       
       Thema waren auch Abschiebungen von Straftäter*innen und
       Gefährder*innen nach Afghanistan und Syrien. Hier waren sich Union und
       SPD einig, dass die jüngst bereits erfolgten Abschiebungen nach Afghanistan
       fortgesetzt werden sollten. Abschiebungen nach Syrien, wozu die Unionsseite
       ein „Sofortprogramm“ gefordert hatte, wurden indes wegen der aktuellen
       Aufstände in dem Land momentan als nicht umsetzbar erkannt. Hier sollten
       aber „baldmöglichst“ wieder Versuche unternommen werden, hieß es aus der
       Konferenz.
       
       Hamburgs [3][Innensenator Andy Grote] (SPD) betonte, man sehe „bei der
       Begrenzung der irregulären Migration bereits erhebliche Fortschritte“. Die
       Zahl der Ankünfte sinke, die der Rückführungen steige. Auch sei Deutschland
       das einzige EU-Land, dem bisher Abschiebungen nach Afghanistan gelungen
       seien. „Diese Weg müssen wir jetzt konsequent fortsetzen“.
       
       Grote appellierte nochmal an die Union, noch schnellstmöglich das
       GEAS-Paket umzusetzen. „Statt ständig neue rechtswidrige Forderungen zu
       erheben, ist hier von der Union konkretes Handeln gefragt. Wer ernsthaft
       eine weitere Reduzierung der irregulären Migration erreichen will, hat
       jetzt im Bundestag die Chance, das anzugehen. Alles andere ist nicht
       glaubwürdig.“
       
       Einig waren sich die Innenminister:innen auf ihrer Herbstkonferenz,
       zusätzliche Befugnisse für die Sicherheitsbehörden zu fordern. „Wir müssen
       Terrorverdächtige, Mörder und Vergewaltiger mit KI-basierter Gesichts- oder
       Stimmerkennung identifizieren können“, sagte Faeser. Außerdem brauche es
       eine rechtssichere Speicherpflicht für IP-Adressen. Denn diese seien oft
       der einzige Ermittlungsansatz, um Tätern auf die Spur zu kommen. Das gelte
       insbesondere für sexualisierte Gewalt gegen Kinder und bei der
       Terrorismusbekämpfung.
       
       Der Bundestag hatte das von der Ampelkoalition nach dem Messeranschlag von
       Solingen beschlossene „Sicherheitspaket“ im Oktober angenommen. Die darin
       enthaltenen Regelungen zu Waffen- und Messerverboten, Finanzermittlungen
       des Verfassungsschutzes und Verschärfungen im Aufenthaltsrecht sind
       inzwischen in Kraft getreten. Pläne für den Abgleich von Fotos und anderen
       biometrischen Daten im Internet durch die Sicherheitsbehörden stoppte dann
       aber der Bundesrat, weil sie den von der Union geführten Landesregierungen
       nicht weitreichend genug waren.
       
       „Wir haben eine große Chance genutzt, unseren Sicherheitsbehörden ein
       notwendiges Update zu verpassen“, freute sich der nordrhein-westfälische
       Innenminister Herbert Reul (CDU) über die nun erreichte Verständigung.
       „Jetzt brauchen wir Tempo.“
       
       6 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Innenministerinnenkonferenz/!6050055
   DIR [2] /Innenminister-zur-Migrationspolitik/!6050110
   DIR [3] /Pimmel-Gate-in-Hamburg/!5872715
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nicolai Kary
   DIR Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
   DIR Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
   DIR Migration
   DIR Innenminister
   DIR Nancy Faeser
   DIR Geflüchtete
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR EuGH
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Migration
   DIR Migration
   DIR Schwerpunkt Flucht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Gericht bezweifelt Abschiebung: Rechtsschutz für Berliner Senegalesen
       
       Das Berliner Verwaltungsgericht stellt in Frage, dass der Senegal ein
       sicherer Herkunftsstaat ist. Jetzt muss der Europäische Gerichtshof ran.
       
   DIR Kein Abschiebestopp für Iran: Von Menschlichkeit keine Spur
       
       Trotz täglicher Hinrichtungen beschließt die
       Innenminister*innenkonferenz keinen Abschiebestopp nach Iran. Die
       Debatte in Deutschland ist realitätsfern.
       
   DIR Aufnahmeprogramm für Afghanistan: Scheitern, Schande oder letzte Rettung
       
       Die Bundesregierung wickelt das Rettungsprogramm für afghanische
       Menschenrechtler*innen ab. Das ist schäbig – und bezeichnend für die
       deutsche Politik.
       
   DIR Innenminister*innenkonferenz: Die Liste des Grauens für Geflüchtete
       
       Auf der Innenminster*innenkonferenz wird die Migrationspolitik
       diskutiert. Die aktuellen Vorschläge sind moralisch falsch und rechtlich
       fragwürdig.
       
   DIR Innenminister zur Migrationspolitik: Härter, immer härter
       
       Mehr Zurückweisungen und Abschiebungen: Auf der bevorstehenden
       Innenministerkonferenz soll erneut migrationspolitische Strenge
       demonstriert werden.
       
   DIR Ministerpräsidentenkonferenz: Länderchefs wollen schneller abschieben
       
       Die Konferenz der Länderchefs ist beim Thema Migration überraschend einig.
       Sie setzt auf die umstrittene GEAS-Reform und will weniger Familiennachzug.