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       # taz.de -- Mobilitätswende in Hamburger Bezirken: Zurück in die Auto-Zukunft
       
       > Ein Bündnis warnt vor der Wende zur autogerechten Stadt in Hamburg-Nord.
       > Im Nachbarbezirk Wandsbek werden schon Poller für mehr Parkplätze
       > rausgerissen.
       
   IMG Bild: Wieder mehr Parkplätze oder nicht? Darüber gibt es in Hamburg-Nord Streit
       
       Hamburg taz | Im Bezirk Hamburg-Nord soll am 12. Dezember Donnerstag die
       SPD-Politikerin Bettina Schomburg zur Bezirksamtsleiterin gewählt werden
       und den [1][Grünen Michael-Werner Boelz] vorzeitig ablösen. Sie soll von
       SPD, CDU und FDP gewählt werden, die eine gemeinsame Koalition anstreben.
       Ein Bündnis aus Umwelt- und Verkehrsverbänden warnt vor einem
       verkehrspolitischen Rollback, da die drei Parteien das Auto und Parkplätze
       „ins Zentrum ihrer Politik“ stellten.
       
       Damit werde die in Hamburg gerade erst begonnene [2][Mobilitätswende]
       gestoppt. „Dazu sagen wir klar ‚Nein!‘“, [3][heißt es in dem am Freitag
       veröffentlichten Aufruf] von 13 Organisationen wie Greenpeace, Nabu, dem
       Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), aber auch dem Stadtteilrat
       Barmbek-Nord und dem Fussgänger-Verein. Verbesserungen für Fußgänger
       [4][und Radfahrer] dürften nicht „kurzsichtigen, machtpolitischen“
       Interessen geopfert werden, Lebensqualität und Sicherheit der Menschen
       hätten „Vorrang vor der Bewahrung jedes einzelnen Parkplatzes“.
       
       Die Gruppen fordern die Mitglieder der Bezirksversammlung auf, sich zur
       Mobilitätswende zu bekennen und „gegen die Rückkehr zur autogerechten
       Stadt“ zu stimmen. Sie sollten offen für neue Koalitionsgespräche sein.
       
       ## Radroute soll gestoppt werden
       
       Rechnerisch gibt es eine Mehrheit für Grüne, SPD und die
       [5][Newcomer-Partei Volt]. Doch die Grünen waren an den
       Koalitionsverhandlungen nach der Bezirkswahl im Mai nicht beteiligt.
       Stattdessen sprachen SPD, CDU, FDP und Volt miteinander. Die [6][junge
       Partei stieg dann aber aus], weil die anderen Parteien nicht bereit waren,
       Parkplätze zugunsten von Rad- und Fußwegen aufzugeben. Das sei auf Druck
       eines CDU-Bundestagsabgeordneten geschehen, berichtet Christian Hinkelmann
       vom Online-Magazin „Nahverkehr Hamburg“.
       
       Mit der nun anstehenden Wahl der SPD-Frau, die Michael-Werner Boelz
       vorzeitig ablösen würde, steht und fällt nach Ansicht von Beobachtern die
       Mobilitätswende in den Bezirken. Zwar könnten Bezirke überregionale
       Verkehrsprojekte nicht verhindern, aber bei Parkplätzen und bezirklichen
       Radwegen hätten sie „die Oberhand“.
       
       Im Netz findet sich bereitsein [7][Eckpunktepapier], auf das sich das nach
       seinen Farben Rot, Schwarz und Gelb auch Deutschland-Koalition genannte
       Parteien-Trio geeinigt hat. Darin heißt es unter anderem, man werde die
       „Radroute Plus ab Langenhorn nochmals kritisch überprüfen“ und erwäge, die
       Planungen zugunsten anderer sanierungsbedürftiger Radwege einzustellen.
       
       ## Masterplan Parkplätze
       
       Man setze sich für den Neubau von Quartiersgaragen sowie für eine „ehrliche
       Evaluierung des Anwohnerparkens“ ein und halte am Ausbaustopp für diese
       Gebiete ebenso fest wie an der „Leistungsfähigkeit der
       Hauptverkehrsstraßen“ mit dem Ziel, den Wirtschaftsverkehr nicht zu
       behindern und den Durchgangsverkehr aus den Wohngebieten herauszuhalten.
       
       „Ich finde den Vorwurf des Rollbacks nicht gerechtfertigt“, sagt
       SPD-Bezirkfraktionschefin Tina Winter. „Wir machen in dem Papier deutlich,
       dass wir auch am Umweltverbund und der Förderung von ÖPNV, Fuß- und
       Radverkehr weiter festhalten“. Es gehe aber darum, moderate Lösungen zu
       finden und zum Beispiel zu verhindern, dass Autos durch Wohngebiete statt
       auf Hauptverkehrsstraßen fahren.
       
       Noch ist die Koalition nicht gebildet, noch sind die Pläne nicht offiziell.
       Die Kritiker befürchten das Schlimmste, nachdem auch SPD-Bürgermeister
       Peter Tschentscher einen [8][„Masterplan Parkplätze]“ ankündigt hatte und
       zudem bekannt wurde, was SPD und FDP im Nachbarbezirk Wandsbek auch unter
       Beteiligung der Grünen planen. „Viele Menschen sind auf das Auto
       angewiesen“, heißt es [9][im dortigen Koalitionsvertrag]. Darauf müsse man
       Rücksicht nehmen.
       
       ## Wandsbek reißt Eichenpfähle raus
       
       Symbolträchtig wollen die Wandsbeker in den ersten 100 Tagen 300 neue
       Parkplätze schaffen. Dazu sollen an fünf Orten Poller und Eichenpfähle
       herausgerissen werden, damit „PKW-Stellplätze wiederhergestellt“ werden.
       Außerdem soll das Gehwegparken wieder erlaubt werden und an bestehenden
       Park+Ride-Plätzen sollen Stellplätze für Kurzparker und Anwohner geschaffen
       werden. Anwohnerparkzonen soll es in Wandsbek nicht geben. Tempo 30 soll
       Ausnahme bleiben.
       
       Die SPD wirbt in ihrem Programm für die Hamburg-Wahl für einen „Masterplan
       Parken“. Für Gebiete mit hohem Parkdruck soll es ein Moratorium beim Abbau
       von Parkplätzen geben, bis überzeugende Konzepte vorliegen. Das könne der
       Bau von Quartiergaragen sein oder die regionale Wiedereinführung einer
       Stellplatzpflicht beim Bau von neuen Wohnungen. „Wir setzen uns mit der
       Lebenssituation der Menschen auseinander“, sagt der SPD-Verkehrexperte Ole
       Buschhüter. „Der Verzicht auf Stellplätze führt nicht dazu, dass die Leute,
       die in neue Wohnungen einziehen, ohne Auto kommen“.
       
       In ihrem Appell drängen die Initiativen darauf, bei der Mobilitätswende
       nicht nachzulassen. „Politik muss Verantwortung für die Zukunft
       übernehmen“, sagt Cajus Priun vom Hamburger ADFC. Dazu müsse der Umbau der
       autogerechten Stadt der 1970er Jahre hin zu einer „nachhaltigen,
       resilienten Stadtstruktur“ konsequent vorangetrieben werden. Der Bau von
       Kfz-Parkplätzen und die Bevorzugung des Autoverkehrs seien „keine Antworten
       auf die Klimakrise“.
       
       ## Auto-Kuschelkurs der SPD
       
       Auch die Gruppe „Parents for Future“ unterstützt den Aufruf. Eine
       Verkehrspolitik, die das Auto bevorzugt, gefährde nicht nur Kinder und
       ältere Menschen, sondern schade mittelfristig allen, sagt ihr Sprecher
       Christian Wöhrl. Denn wo eine Stadt dem Auto viel Raum auf versiegelten
       Flächen gibt, „heizt sie sich schneller auf und nimmt weniger Niederschlag
       auf“. Das sei das Gegenteil von dem, was angesichts zunehmender
       Wetterextreme in der Stadtplanung nötig wäre.
       
       Manch einer im Umfeld der Grünen vermutet sogar eine größere Strategie
       hinter dem „neuen Autokuschelkurs der Hamburger SPD“, schreibt Christian
       Hinkelmann im Online-Magazin „Nahverkehr Hamburg“. Diese wolle sich für
       eine große Koalition nach der Bürgerschaftswahl öffnen und Stimmen von
       CDU-Wählern sichern. Aus der SPD heraus werden solche Ambitionen
       dementiert.
       
       6 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hamburgs-Gruene-nach-Bezirkswahlen/!6013501
   DIR [2] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/bvm/die-themen-der-behoerde/verkehrsentwicklungsplanung/themen-295452
   DIR [3] https://hamburg.adfc.de/neuigkeit/aufruf-zu-den-koalitionsverhandlungen-in-hamburg-nord
   DIR [4] /Ausbau-von-Radwegen-in-Hamburg/!6031337
   DIR [5] /Volt-in-Hamburger-Bezirksparlamenten/!6016429
   DIR [6] /Bezirkspolitik-in-Hamburg/!6050917
   DIR [7] https://www.fdp-hh-nord.de/sites/default/files/2024-12/Eckpunktepapier_oS_SPD_CDU_FDP%20Hamburg_Nord%20BV%20(002-final)-_0.pdf
   DIR [8] https://www.abendblatt.de/podcast/article407821052/hamburg-news-spd-will-abbau-von-parkplaetzen-stoppen.html
   DIR [9] https://www.spd-wandsbek.de/wp-content/uploads/2024/11/Wandsbek-Koalition-Vertrag_171124.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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