URI: 
       # taz.de -- Grüne in Baden-Württemberg: Stimmung besser als die Lage
       
       > Die Grünen in Baden-Württemberg feiern pflichtschuldig ihren neuen
       > Spitzenkandidaten Cem Özdemir. Er will Kretschmann als Ministerpräsident
       > beerben.
       
   IMG Bild: Cem Özdemir beim Landesparteitag der Grünen in Baden-Württemberg
       
       Reutlingen taz | Der Spitzenkandidat trifft zum ersten Mal auf seine
       Landespartei, da sollte nichts schiefgehen, da wissen alle, was von Ihnen
       erwartet wird. Eigentlich treffen sich die baden-württembergischen Grünen,
       um die Landesliste für die vorgezogene Bundestagswahl aufzustellen. [1][Cem
       Özdemir] wird nicht mehr antreten, denn er will ja 2026 Kretschmann als
       grünen Ministerpräsidenten beerben.
       
       Doch gleich zum Auftakt hält der künftige Spitzenkandidat eine „politische
       Rede“, die sichtbar darum bemüht ist, keinem weh zu tun. Özdemir ist
       eigentlich ein guter Redner, auf diesem Parteitag wirkt er eher routiniert.
       Er lobt das Land für seinen Tüftlergeist und betont, Wohlstand müsse erst
       einmal geschaffen werden, bevor er verteilt wird. Mit Blick auf die
       Bundestagswahl teilt er gleichermaßen gegen AfD und BSW aus: „Wer im Team
       Putin spiele, dürfe in einer Bundesregierung nicht auch nur in die Nähe von
       Verantwortung kommen.“
       
       Özdemir geht die CSU, nicht aber die CDU hart an, da das Leistungsprinzip
       gelte, dürfte sie in der nächsten Regierung nicht den Verkehrsminister
       stellen. Und er empfiehlt dem entlassenen Finanzminister ein Kinderbuch
       über „die Streithörnchen“. Dafür kommen weder Klimaschutz [2][noch
       Migration in seiner Rede vor]. Als Özdemir gegen Ende etwas unvermittelt
       sagt, er habe sich dafür entschieden, als Spitzenkandidat anzutreten, da
       ist der Jubel groß, aber auch etwas pflichtschuldig. Er sagt: „Ich hoffe,
       man merkt es mir an, ich trete an, um die Wahl zu gewinnen“.
       
       Seine Chancen, Kretschmann zu beerben, sind mit der vorgezogenen
       Bundestagswahl nach Ansicht vieler Grüner besser geworden. Die Rechnung
       geht so: Wenn Friedrich Merz im Februar nächsten Jahres Kanzler werden
       sollte, wird bis zur Landtagswahl elf Monate später der erste Lack für die
       CDU schon wieder ab sein. Und die CDU im Südwesten, die
       höchstwahrscheinlich mit dem jungen Manuel Hagel ins Rennen geht, und grade
       Umfragenhöhenflüge über 30 Prozent erreicht, wird dann eher Gegenwind aus
       Berlin bekommen. Dazu kommt: Die Grünen sind sich sehr sicher, dass Özdemir
       im persönlichen Vergleich gegen den selbst im Land weitgehend unbekannten
       Manuel Hagel die Nase vorn haben wird.
       
       ## Lang hält die beste Rede
       
       Aber jetzt erstmal einen kurzen Bundestagswahlkampf – und da braucht es
       nach der gescheiterten Ampel Nerven, zumindest wie Zahnseide. Durch das
       neue Wahlrecht gibt es weniger Plätze im Bundestag. Bei Umfragewerten um
       die 12 Prozent werden die Grünen außerdem Sitze verlieren, so sind die
       Plätze bis 20 umkämpft. Die neue Bundesvorsitzende der Grünen, Franziska
       Brantner aus Heidelberg, ist jedoch ohne Gegenkandidaten auf Platz eins
       gesetzt, sie erhält mit 92 Prozent der Stimmen ein ausgezeichnetes
       Ergebnis. Allerdings streichelt ihre Rede weniger die Seele der Partei, als
       es ihre Vorgängerin im Parteivorsitz Ricarda Lang in ihrer Rede tut, die
       auf Platz zwei der Liste kandidiert.
       
       Sie ist es, die die Partei mit ihrer Bewerbungsrede an diesem Tag von den
       Sitzen reißt. Lang betont, eine Partei der Mitte, die die Grünen ja sein
       wollen, müsse „immer eine Partei der sozialen Gerechtigkeit“ sein. Sie habe
       sich befragt, ob sie wirklich nochmal antreten solle nach ihrem Rücktritt
       und entschieden: „Ich habe noch nicht fertig“. Dafür wird sie mit 94
       Prozent auf Platz zwei der Landesliste gewählt.
       
       Und so ist die Stimmung an diesem Adventssamstag bei den [3][Grünen] besser
       als die Lage. „Startklar“ ist das Motto, erst für die Bundestagswahl, dann
       für die Landtagswahl. Da trübt ein Abgang aus der Landtagsfraktion kaum die
       Parteistimmung. Am Vorabend des Parteitags gab die Landtagsabgeordnete Ayla
       Cataltepe aus dem Wahlkreis Göppingen bekannt, die Grünen zu verlassen und
       der CDU beizutreten. Sie begründet den Schritt ausgerechnet mit fehlender
       Resonanz zu ihrer Arbeit zum politischem Islam und extremistischen
       Gruppierungen. Themen, in denen es der neue Spitzenkandidat Özdemir bisher
       nicht an Klarheit hat vermissen lassen.
       
       Der Abgang erinnert an die Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen aus Mannheim,
       die im Juli ihren Übertritt zur CDU bekannt gab und inzwischen auch von der
       Mannheimer CDU als Bundestagskandidatin nominiert wurde. Wenn man in die
       Partei hinein hört, ist Cataltepe ihrer Abwahl im Kreisverband zuvor
       gekommen. Das Signal nach außen sei unschön, aber der Verlust verkraftbar,
       heißt es in der Fraktion. Die Grünen wollen sich die gute Stimmung einfach
       nicht verderben lassen.
       
       8 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Cem-Oezdemir-will-nach-Baden-Wuerttemberg/!6043046
   DIR [2] /Migrationsdebatte/!6040628
   DIR [3] /Letzte-Ampel-Vorhaben-im-Bundestag/!6054856
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Stieber
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Landtagswahl in Baden-Württemberg
   DIR Baden-Württemberg
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR Cem Özdemir
   DIR Ricarda Lang
   DIR Social-Auswahl
   DIR Grüne Hessen
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR Bildung
   DIR Cem Özdemir
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Grünen-Politiker Cem Özdemir: Der letzte Aufstieg liegt noch vor ihm
       
       Cem Özdemir wird offiziell grüner Spitzenkandidat für die Landtagswahl in
       BaWü. Ist er der Richtige in schlechten Zeiten für seine Partei?
       
   DIR Stress bei den Grünen in Hessen: Rücktritt nach teurer Lobbyreise
       
       Es kracht im für die Grünen wichtigen Landesverband Hessen: Die Vorsitzende
       Anders wirft ihrer Partei Intransparenz und unzulässige Zuwendungen vor.
       
   DIR Schwarz-Grün als Option nach der Wahl: Söder, sei still!
       
       Die CDU liegt in Wahlumfragen vorne. Sollte das so bleiben, wäre sie
       schlecht beraten, eine schwarz-grüne Koalition nicht in Erwägung zu ziehen.
       
   DIR Parteitag der Grünen: Die Grünen – ein Wintermärchen
       
       Auf ihrem Parteitag küren die Grünen Robert Habeck mit 96,48 Prozent der
       Stimmen zum „Kandidaten für die Menschen“ und gehen motiviert in den
       Wahlkampf.
       
   DIR Digitalpakt 2.0 vor dem Aus: Die Schulen hoffen auf Özdemir
       
       Mit dem Ampel-Aus steht der Digitalpakt 2.0 infrage und damit eine bessere
       IT-Ausstattung an Schulen. Eine neue Studie zeigt: Der Bedarf ist groß.
       
   DIR Nachfolge von Winfried Kretschmann: Özdemir will Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden
       
       Lange war es ein offenes Geheimnis, jetzt ist es offiziell:
       Landwirtschaftsminister Cem Özdemir bewirbt sich 2026 als
       Ministerpräsident.