# taz.de -- Rechtsruck in Rumänien: Kampf mit dem Wahlchaos
> Der rechtsradikale Kandidat Georgescu kritisiert die Annulierung der
> ersten Runde der Präsidentschaftswahl. Die Polizei will Wahlbetrug
> aufklären
IMG Bild: Anhänger der rechtsgerichteten AUR halten Plakate mit der Aufschrift „Stoppt die Diktatur – Öffnet die Wahllokale für die Rumänen“
Berlin taz | Der parteilose Präsidentschaftskandidat [1][Călin Georgescu]
präsentierte sich am Sonntagvormittag mit einer Gruppe von Anhängern vor
dem Wahllokal, in dem er vor zwei Wochen seine Stimme abgegeben hatte. Am
24. November fand nämlich die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt,
die am Freitagnachmittag [2][vom Verfassungsgericht annulliert wurde].
In die Stichwahl kamen Georgescu, für den rund 23 Prozent gestimmt hatten,
und die Kandidatin der neoliberalen Technokratenpartei Union Rettet
Rumänien (USR), Elena Lasconi, die rund 19 Prozent der Stimmen erhalten
hatte. In einem Interview mit dem Fernsehsender [3][Realitatea] erklärte
Georgescu am Samstag, er werde sich trotz der Wahlannullierung in seinem
Wahllokal einfinden und auf diese Weise gegen das Urteil des
Verfassungsgerichts protestieren.
Das Urteil wurde allerdings auch von Lasconi kritisiert, die es als
„unmoralisch“ und „demokratiezerstörend“ bezeichnet hatte. In mehreren
öffentlichen Erklärungen stufte sie den Gerichtsbeschluss als einen Verstoß
gegen demokratische Prinzipien und Gepflogenheiten ein. Der amtierende
Staatspräsident Klaus Johannis erklärte, er werde so lange im Amt bleiben,
bis ein neuer Staatschef gewählt und vereidigt wird. Wie lange das dauert,
ist ungewiss.
Sein Mandat müsste am 21. Dezember enden. Dann sollte auch das am 1.
Dezember neu gewählte Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung
zusammenkommen. Eine Annullierung der Parlamentswahlen forderte nun in
einem Eilantrag die Minipartei Recht und Respekt in Europa (Drept). Er
wurde jedoch vom Obersten Gerichtshof (ÎCCJ) als unbegründet abgelehnt. Die
Partei hatte an den Parlamentswahlen teilgenommen, überwand jedoch nicht
die Fünfprozenthürde.
## Zukunft unklar
Angesichts der konfusen Lage und der offensichtlichen politischen Krise, in
der Rumänien steckt, weiß niemand, wann eine neue Regierung zustande kommt
und welche Parteien sich zu einer Koalition zusammenschließen, um im
Parlament über eine stabile Mehrheit zu verfügen.
Annäherungsversuche gibt es zurzeit zwischen den Sozialdemokraten des noch
amtierenden Ministerpräsidenten Marcel Ciolacu, den National-Liberalen
(PNL), den Vertretern des Demokratischen Verbandes der Rumänienungarn
(UDMR) und der Neoliberalen Technokratenpartei (USR). Eine aus vier
Parteien bestehende Regierung würde auch von den 19 Abgeordneten der
nationalen Minderheiten unterstützt werden. Die rechtsradikalen Parteien
verfügen im neugewählten Parlament über rund 32 Prozent der Mandate. Diese
hatten ihre Wähler aufgefordert, Georgescu in der Stichwahl zu
unterstützen.
Eine zukünftige Regierung muss die Wiederholung der Präsidentschaftswahlen
neu organisieren. Ob Georgescu dann wieder antreten darf, ist kaum
anzunehmen. Ihm werden unlautere Wahlkampfmethoden im digitalen Bereich
vorgeworfen. Er bestreitet jegliche Vorwürfe und behauptet zudem, weder aus
dem Ausland noch aus dem Inland irgendwelche finanziellen Mittel erhalten
zu haben.
Inzwischen haben die rumänischen Behörden den Jungunternehmer Bogdan
Peşchir als einen der Unterstützer Georgescus identifiziert. Peşchir soll
381.000 Dollar an TikTok-Influencer überwiesen haben, um für Georgescu zu
werben. Hausdurchsuchungen fanden in den letzten Tagen sowohl bei ihm statt
als auch bei einigen bekannten Rechtsextremisten, die seit der Revolution
von 1989 ihre Propaganda unbehelligt verbreiten konnten.
## Orden für Rechtsradikalen
Selbst Präsident Klaus Johannis zeichnete kurz nach seiner Amtsübernahme
2014 den für seine rechtsradikalen Äußerungen umstrittenen Octavian Bjoza
mit dem höchsten Staatsorden aus. Der Chef des Verbandes ehemaliger
politischer Häftlinge ist wiederholt mit Vertretern der Neuen Rechten
aufgetreten, ebenso mit den Rechtsextremisten aus der Stiftung „Ion Gavrilă
Ogoranu“.
Gegen den stellvertretenden Vorsitzenden dieser Stiftung, Florin Dobrescu,
wurde ein Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremer Propaganda eingeleitet.
Auch gegen andere rechtsextremistische Agitatoren wird jetzt plötzlich
ermittelt.
Mitte November postete die USR-Kandidatin Bilder bei Facebook, auf denen
sie händeschüttelnd mit Bjoza zu sehen ist. Diese entgegenkommende Haltung
gegenüber erklärten Rechtsextremisten ermöglichten den ungebremsten
Aufstieg Georgescus sowie europaskeptischer, nationalistisch-autoritärer
rumänischer Parteien, die weite Teile der politischen Landschaft besetzt
haben.
8 Dec 2024
## LINKS
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DIR [3] https://www.realitatea.net/
## AUTOREN
DIR William Totok
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