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       # taz.de -- Doku über deutsche Entertainer-Ikone: Das deutsche Trauma weggelacht
       
       > 20 Millionen Zuschauer schauten zu, wenn Heinz Schenk die alte BRD mit
       > Nonsens und sexistischen Witzen unterhielt. Eine Doku erinnert an sein
       > Werk.
       
   IMG Bild: Lia Wöhr als Wirtin und Heinz Schenk als Oberkellner in der Sendung „Blauer Bock“ des Hessischen Rundfunks, am 01. 05. 1979
       
       Man kannte ihn. Es war ja auch wirklich schwer, an [1][Heinz Schenk]
       vorbeizukommen. Drei TV-Programme gab es damals in der alten
       Bundesrepublik. Im Ersten sang man, witzelte und trank Äppler aus dem
       Bembel, im ZDF kam vielleicht ein US-Spielfilm in der xten Wiederholung und
       das Dritte lieferte eh noch kein vollwertiges Programm.
       
       Und so kam es, dass nicht selten 20 Millionen Menschen eingeschaltet
       hatten, wenn Heinz Schenk zu seiner Show „Zum Blauen Bock“ lud. Ein
       Phänomen, dem sich der hessische Rundfunk [2][mit einer Doku] zum 100.
       Geburtstag dieses Königs der Schlüpfrigkeiten zu nähern versucht.
       
       Einer Frau allzu offensichtlich in den Ausschnitt starren, eine kleine
       Anzüglichkeit darüber, wie das Eheleben unter der geteilten Bettdecke
       aussehen kann oder irgendeine Bemerkung über die Qualifikation von Frauen
       beim Einparken von Autos: Auf Schenk war Verlass.
       
       Die unmöglichsten Pointen reihte der Sprücheklopfer, der seine Haare mit
       feinster Brillantine fest am Schädel zu befestigen pflegte, aneinander. Er
       wusste genau, was er da in den sagenhaften 208 Ausgaben seiner Show von den
       1960er- bis 1980er-Jahren präsentiert hat. Und dass man eigentlich
       [3][nicht sagen durfte], was er da abgesondert hat.
       
       Und so nuschelte er nach seinen billigen Pointen immer etwas ins Mikro, das
       wie eine Entschuldigung klang: Ist doch nicht so ernst gemeint. Die
       Botschaft war klar: Wir sind anständige Leute und wollen hier bloß einmal
       unseren Spaß haben.
       
       Den sieht man den Menschen an, die in den Ausschnitten, die Regisseur Sven
       Waskönig zusammengestellt hat, kräftig mitklatschen, wenn Schenk oder seine
       Gäste einen volkstümlichen Schlager vortragen und ihre Körper in Wallung
       bringen, als wären sie leistungsorientierte Schunkler. Oder wenn Freddy
       Quinn sie mitnimmt zu einem frivolen Ausflug auf die „Reeperbahn nachts um
       halb eins“.
       
       ## Typisch deutsche Geschichte
       
       Es ist zu sehen, wie sie sich diebisch freuen, wenn die vier schwarzen
       Männer des Golden Gate Quartetts das deutsche Volkslied „Schwarzbraun ist
       die Haselnuss“ vortragen. Grauenhaft? Schon. Aber auch nachvollziehbar. Das
       meint Tina Bode in der Doku, die Publizistin, die sich Zeit ihres Schaffens
       mit den Leiden der Kriegsgeneration beschäftigt hat. Die Leute wollten
       weglachen, -klatschen, -trällern, was sie erlebt und getan hatten.
       
       Schenk hat auch so eine typische, deutsche Geschichte. Über die hat er nur
       ungern gesprochen. Er war Soldat und kam aus einer Familie, die man zu
       seiner Zeit wohl als zerrüttet bezeichnet hätte. Mit seiner Frau Gerti
       lebte er in einer Villa mit Swimmingpool in Wiesbaden, die so
       Gelsenkirchnerisch barock eingerichtet war, dass man sie auch zu seinen
       Lebzeiten gewiss nicht als nobel bezeichnet hätte.
       
       Kinder hatte das Paar nicht. Warum eigentlich nicht, wird er einmal
       gefragt. Sie hätten es schon probiert, so sei es ja nicht, antwortet Schenk
       mit geschürzten Lippen und erntet einen Lacher. Ein echter Schenk.
       
       Wer das nicht ausgehalten hat, konnte sich bald umorientieren. Die Zahl der
       Sender wuchs. Freunde der Beatmusik hatten sich da längst aus der
       Schlagerhölle des „Blauen Bocks“ verabschiedet, in denen Gewächse wie das
       Volksmusikduo Marianne und Michael ihre ersten großen Auftritte hatten.
       
       Auch wenn Schenk in der Doku als aus heutiger Sicht beinahe unerklärliches
       Phänomen geschildert wird, das mit der letzten Sendung ein Ende gefunden
       hat, so lebte er doch weiter in all den Volksmusiksendungen, den
       Ballermannschlagern, dem besoffenen Sexismus, der in alkoholgetränkter
       Stimmung in Bierzelten bei einem zünftigen „Leyla“ laut herausgegrölt wird.
       
       Es kann eben auch heute noch so schrecklich lustig sein wie zu Heinz
       Schenks Zeiten. Darauf einen Äppler!
       
       10 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR Andreas Rüttenauer
       
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