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       # taz.de -- Notlage in Gaza: Kein Krankenhaus mehr in Nordgaza
       
       > Mit dem Kamal-Adwan-Krankenhaus zerstört das israelische Militär das
       > letzte funktionierende Hospital in Nordgaza. Hinzu kommt noch die
       > Winterkälte.
       
   IMG Bild: Gaza-Stadt, 28. Dezember: Ein Mann, der aus dem Kamal-Adwan-Krankenhaus evakuiert wurde, überquert mit seinen Krücken eine Straße
       
       In Gaza sind in der vergangenen Woche vier Kleinkinder an Unterkühlung
       gestorben. Das meldet der US-amerikanische Nachrichtensender CNN. Mahmoud
       al-Faseen, der Vater der dreijährigen Sila, sagte der Nachrichtenagentur
       AP, er habe vergeblich versucht, sie in einer Decke warmzuhalten. Die
       Familie lebt unter einer Zeltplane.
       
       Nachts wird es derzeit 9 Grad kalt, 90 Prozent der Menschen in Gaza sind
       laut den Vereinten Nationen Vertriebene. Es mangelt an Unterkünften, viele
       schlafen in Zelten oder unter freiem Himmel. „Die Kälte macht es fast
       unmöglich zu schlafen“, sagt Omar, ein Vertriebener im
       Nuseirat-Geflüchtetencamp in Gaza, dem UN-Hilfswerk UNRWA. Lieferungen von
       Decken oder Matratzen seien seit Monaten durch fehlende Genehmigungen
       Israels blockiert, meldet UNRWA. Israelische Behörden blockierten weiter
       die meisten Hilfseinsätze, sagte auch das UN-Amt für Nothilfe OCHA am
       Donnerstag.
       
       Täglich gibt es Berichte über getötete und verletzte Zivilist*innen in
       Gaza. Am 26. Dezember töteten [1][israelische Soldaten fünf Journalisten in
       Gaza] durch einen direkten Luftangriff auf ihr Auto. Nach Angaben von
       Nachrichtenmedien trug das Fahrzeug sichtbare Presse-Kennzeichnungen. Am
       Samstag töteten israelische Angriffe mindestens 36 Menschen, zählt
       Al-Jazeera. In der Weihnachtswoche wurden bei Bombardierungen rund um das
       Kamal-Adwan-Krankenhaus mindestens 50 Menschen getötet, darunter fünf
       Krankenhausangestellte, meldet die Weltgesundheitsorganisation WHO.
       
       Israelische Soldaten hatten das Krankenhaus am Morgen des 27. Dezember
       gestürmt, angezündet und den Krankenhausdirektor entführt. Einige Bereiche
       sollen verbrannt und schwer beschädigt sein: das Labor, die chirurgische
       Abteilung, die Technik- und Wartungsabteilung, der Operationssaal und das
       medizinische Lager.
       
       Zwölf Patienten und eine Mitarbeiterin seien in das fast komplett zerstörte
       zweitgrößte Krankenhaus in Nordgaza, das Indonesian Hospital, evakuiert
       worden, wo sie allerdings nicht mehr versorgt werden könnten, schreibt die
       WHO. Der größte Teil des Personals und stabilere Patient*innen seien
       an einen nahe gelegenen Ort gebracht worden. Es gebe nun keine medizinische
       Versorgung der Menschen in Nordgaza mehr.
       
       ## Fast täglich Angriffe
       
       Seit Anfang Oktober 2024 gab es fast täglich israelische Angriffe auf
       Krankenhäuser und medizinisches Personal in Nordgaza, so die WHO. Der
       Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses, Hussam Abu Safeia, wurde bei der
       Razzia des Militärs festgenommen. Ein Foto zeigt, wie er unbewaffnet
       zwischen Trümmern israelischen Panzern gegenübersteht, wohl kurz bevor die
       Soldaten ihn verschleppten. Die WHO hat den Kontakt zu ihm verloren.
       
       Einige Menschen wurden entkleidet und vom israelischen Militär gezwungen,
       in den Süden Gazas zu laufen, so die WHO. Israel weist die Vorwürfe stets
       zurück und rechtfertigt Angriffe auf zivile Infrastruktur damit, dass sich
       „Terroristen“ dort versteckt halten würden.
       
       Zwei Versuche, den belagerten Norden in Gaza zu erreichen, lehnten
       israelische Behörden am Mittwoch und Donnerstag ab, meldet die Nothilfe
       Ocha. Die WHO schreibt, die Krankenhäuser „sind erneut zu Schlachtfeldern
       geworden“. Das stehe dem humanitären Völkerrecht entgegen.
       
       Die israelische Regierung und das Militär würden einen Völkermord in Gaza
       verantworten, sagen Völkerrechtsexpert*innen sowie
       Hilfsorganisationen seit Längerem, darunter die UN-Sonderberichterstatterin
       für die besetzten Gebiete Palästinas und die beiden größten internationalen
       Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International.
       
       Amnesty nennt dafür drei Merkmale: „die weitreichende Beschädigung und
       Zerstörung kritischer Infrastrukturen“, „Zwangsumsiedlungen unter
       unsicheren und unmenschlichen Bedingungen“ und das Blockieren von
       Hilfslieferungen.
       
       Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde ergänzt. Zuvor wurde nicht
       deutlich, dass auch Human Rights Watch den Völkermordvorwurf unterstützen.
       Außerdem wurde bei der verdeutlicht, dass es sich bei der Gegendarstellung
       um die Position des israelischen Militärs handelt. Die Begründung von
       Amnesty International haben wir hinzugefügt.
       
       29 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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