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       # taz.de -- Chinesische Militärmanöver: Chinas Kriegsspiele um Taiwan
       
       > Noch nie seit den 90ern hat Peking mehr Kriegsschiffe rund um Taiwan
       > entsandt. Hinter der Eskalation mit Ansage steht Kalkül.
       
   IMG Bild: Das Amphibienangriffsschiff HAINAN der Chinesischen Volksmarine, am 21. November 2024
       
       Seoul taz | Es war nur eine Frage der Zeit, bis die chinesische Marine vor
       den Gewässern Taiwans aufkreuzen würde. Doch die schiere Dimension der
       Militärpräsenz geht deutlich über die üblichen Einschüchterungsmanöver
       hinaus: Noch nie seit der dritten Taiwanstraßenkrise 1996 habe China mehr
       Kriegsschiffe rund um die demokratisch regierte Insel entsandt, schlug ein
       Sprecher des Verteidigungsministeriums am Dienstag in Taipeh Alarm. Fast 90
       Stück habe man registriert. Das von der Volksrepublik beanspruchte Taiwan
       wird international nur von wenigen Staaten anerkannt.
       
       Der Anlass für das Säbelrasseln liegt auf der Hand: Zu Beginn des Monats
       hatte [1][Taiwans Präsident Lai Ching-te] (auch bekannt als William Lai)
       eine Pazifik-Reise zu verbündeten Inselstaaten unternommen – und jeweils
       auf dem Hin- und Rückweg einen Zwischenstopp auf US-Territorium eingelegt.
       Dabei handelte es sich um semi-offizielle Termine, durchaus bedacht darauf,
       die Parteiführung in Peking nicht allzu sehr zu erzürnen. Doch in den Augen
       Pekings ist Lai ein rotes Tuch: Separatist wird der 65-Jährige im Duktus
       der kommunistischen Parteiführung genannt, Unruhestifter und
       Kriegsprovokateur.
       
       Am Dienstagnachmittag wurde Mao Ning, Sprecherin des chinesischen
       Außenministeriums, während der täglichen Pressekonferenz zu den
       Kriegsschiffen rund um Taiwan befragt. Ob [2][erneute Kriegssimulationen]
       bevorstünden, wie es schon mehrfach in den letzten Jahren der Fall war?
       
       ## China sieht Konflikt als innerchinesische Angelegenheit
       
       Ihre Antwort fiel wie zu erwarten aus: Man könne dazu nichts sagen, da
       Taiwan eine innerchinesische und eben keine diplomatische Angelegenheit
       sei. Doch interessant ist, dass die Sprecherin eben auch bevorstehende
       Militärübungen nicht explizit dementiert hat.
       
       Man kann die routinierte Eskalationsspirale der Chinesen als politisches
       Theater abtun; als einstudiert und erwartbar. Und tatsächlich deutet die
       niedrige Aufmerksamkeit darauf hin, dass genau dies passiert: Selbst in den
       großen Zeitungen ist die Nachricht rund um die 90 chinesischen
       Kriegsschiffe nicht einmal eine Randnotiz wert.
       
       Doch dabei handelt es sich um eine eklatante Fehleinschätzung, die der
       Ernsthaftigkeit der Lage nicht gerecht wird. „Je routinierter diese Übungen
       werden, desto weniger Aufmerksamkeit werden sie erregen, was sich darauf
       auswirken könnte, wie Hinweise und Warnungen vor tatsächlich bevorstehenden
       Militäraktionen interpretiert werden“, sagte der mittlerweile pensionierte
       US-General Heino Klinck am Montag in Washington.
       
       Was der zweifache Militärattaché der US-Botschaft in Peking umschreibt, ist
       die sogenannte Salami-Taktik der Chinesen: Scheibchenweise wollen sie die
       Lage eskalieren, mit ständigen Provokationen die taiwanischen Streitkräfte
       mürbemachen. Und vor allem zielt die Strategie darauf ab, wohldosiert den
       Status Quo zu verschieben – so langsam, dass es die internationale
       Staatengemeinschaft nicht bemerkt. Was gestern noch als undenkbar galt,
       wird schon heute als normale Provokation der Chinesen mit einem
       Schulterzucken abgetan.
       
       ## Übungen zunehmend schwerer von Ernstfall zu unterscheiden
       
       Während der letzten Jahre etwa hat sich die [3][Häufigkeit chinesischer
       Kampfflugzeuge], die rund um Taiwans Luftraum schwirren, immer weiter
       erhöht. Sie fliegen immer waghalsigere Manöver, erscheinen auch tief in der
       Nacht, nähern sich bis auf wenige Meter den taiwanischen Jets. Und auch die
       simulierten Inselblockaden finden immer häufiger statt.
       
       All dies erhöht die Gefahr, dass reine Militärübungen zunehmend schwerer
       vom Ernstfall zu unterscheiden sind. Dass China jetzt rund 90 Kriegsschiffe
       entsendet, ist nur ein weiterer Beleg für diese These. Fakt ist jedoch
       auch, dass die Gefahr eines offenen Konflikts derzeit von nahezu allen
       Experten als weiterhin gering eingeschätzt wird. Denn die Risiken eines
       Krieges sind immens.
       
       Möglicherweise jedoch könnte der künftige US-Präsident Donald Trump die
       Risikoabwägung in den Augen der chinesischen Staatsführung verschieben:
       Sollte Peking nämlich davon ausgehen, dass die Vereinigten Staaten im
       Ernstfall nicht ihrem Verbündeten militärisch beistehen würden, dann läge
       Taiwan nahezu schutzlos wie auf dem Präsentierteller.
       
       10 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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