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       # taz.de -- Meduza-Auswahl 5. – 11. Dezember: Der Sturz von Baschar al-Assad ist eine Niederlage für Putin
       
       > Russland rettete einst Assads Regime vor dem Untergang. Doch nun ist das
       > Geschichte und Moskaus Glaubwürdigkeit als Sicherheitsgarant dahin. Was
       > ist da passiert?
       
   IMG Bild: Syrische Oppositionskämpfer entfernen ein Bild Baschar al-Assads am internationalen Flughafen in Aleppo, am 8.12.2024
       
       Das [1][russisch]- und [2][englischsprachige] Portal Meduza zählt zu den
       wichtigsten unabhängigen russischen Medien. [3][Im Januar 2023 wurde Meduza
       in Russland komplett verboten]. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme
       gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter
       taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber
       Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der [4][taz Panter Stiftung]
       gefördert. 
       
       In der Woche vom 5. bis zum 11. Dezember 2024 berichtete Meduza unter
       anderem über folgende Themen: 
       
       ## Warum der Sturz von Assad auch eine Niederlage Putins ist
       
       Der Sturz des Assad-Regimes in Syrien stellt eine unbestreitbare Niederlage
       für den russischen Präsidenten Wladimir Putin dar. Er erhielt Assads Macht
       nach dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011. Das verlieh
       Russland das Image einer Weltmacht – und das eines Garanten für Stabilität.
       So sahen das zumindest einige Regierungen, von Zentralasien bis Afrika.
       Meduza erklärt, warum Putin ursprünglich einmal in Syrien interveniert
       hatte – und warum Moskau nun nicht stärker versuchte, den Zusammenbruch des
       Regimes zu verhindern. [5][Meduza geht außerdem der Frage nach, was der
       Sturz Assads für Russlands Zukunft bedeutet] (englischer Text).
       
       Als Wladimir Putin 2015 russische Truppen nach Syrien schickte, schreibt
       der politische Analyst Alexander Baunow in einem Essay für Meduza und das
       Carnegie Russia Eurasia Center, verfolgte er drei Ziele: Russland sollte
       „aus der Isolation nach der Krimkrise ausbrechen“ und die globale Relevanz
       Russlands erhöhen. Zweitens wollte Putin Russland in den Nahen Osten
       zurückbringen, wo es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion an Einfluss
       verloren hatte. Dieses Ziel wurde erreicht: Auf dem Höhepunkt seiner
       Intervention hatte Russland bis zu 6.000 Kämpfer in Syrien stationiert,
       darunter auch Söldnertruppen. Drittens sollte „Russland auf der Weltkarte
       als eine Macht dastehen, die in der Lage ist, einen Regimewechsel zu
       verhindern und einen Verbündeten überall auf der Welt zu unterstützen“,
       schreibt Baunow.
       
       Jahrelang war dieses Modell ein Erfolg: Das Überleben des Assad-Regimes,
       das von Russland und Iran unterstützt wurde, verschaffte Moskau
       Glaubwürdigkeit als Sicherheitsgarant, etwa für Regime in Ländern wie Mali
       und der Zentralafrikanischen Republik.
       
       ## In Russland lebt die Skinhead-Szene wieder auf
       
       Ein dunkler Trend ist nach Russland zurückgekehrt: Rechtsextreme
       Nationalisten verbreiten Videos von brutalen Angriffen auf ethnische
       Minderheiten und andere „Außenseiter“. Jeden Monat erscheinen mindestens
       100 neue Clips von Gewalt gegen Migranten aus dem Kaukasus und
       Zentralasien, LGBTQ+-Personen und Obdachlose im Internet. Nach Ansicht von
       Experten, die vom RFE/RL-Projekt Kavkaz.Realii befragt wurden, geht dieses
       Wiederaufleben der Neonazi- und Skinhead-Kultur Hand in Hand mit der
       allgegenwärtigen Kriegspropaganda der russischen Behörden. [6][Meduza
       veröffentlicht eine gekürzte Übersetzung des Berichts des Projekts auf
       Englisch.]
       
       Die beliebteste Plattform für den Austausch von Videos von
       Neonazi-Angriffen ist Telegram, wo die Nutzer anonym bleiben können und die
       Moderation durch die Plattform sehr schwach ist. Wenn ein Kanal auf privat
       eingestellt ist, gibt es keine Beschränkungen für die Inhalte, die darin
       gepostet werden können. Russische Neonazis machen sich diese Funktion
       zunutze, indem sie private Kanäle erstellen und jeden hinzufügen, der ihnen
       beitreten möchte. So gewinnen sie letztlich Tausende von Abonnenten. Zu
       diesen Abonnenten gehören auch Antifaschisten, die darin Informationen
       sammeln.
       
       Der russische Politiker Michail Lobanow, der derzeit in Europa lebt, sagt:
       Die Förderung des Nationalismus ist ein wirksames Mittel für die Behörden,
       um die russische Gesellschaft vom Krieg mit der Ukraine abzulenken. „Alle
       paar Jahre verbreiten die Behörden eine Welle von Informationen, die zu
       interethnischer Gewalt führen. Im Moment hängt dies zweifellos mit der
       überwältigenden Kriegsmüdigkeit der Öffentlichkeit zusammen.“ Die Regierung
       versuche, die Aufmerksamkeit von sozialen Fragen und vom Krieg mit der
       Ukraine hin zum „bequemeren Ziel“ des interethnischen Hasses zu lenken.
       
       ## Nur raus aus dem staatlichen Bildungssystem
       
       Das private Bildungswesen boomt in St. Petersburg – dank der Bedenken
       vieler Eltern gegenüber einem stumpfsinnigen Lehrplan, überfüllten
       Klassenräumen und patriotischer Gehirnwäsche. Seit die Coronapandemie
       Millionen von Familien dazu gezwungen hatte, die Ausbildung ihrer Kinder zu
       Hause selbst zu organisieren, hat ein wachsendes Angebot an informellen
       Schulen den privaten Unterricht auch für die Mittelschicht erschwinglich
       gemacht.
       
       Die Journalisten des Mediums Bumaga sprachen mit den Machern von „Simply
       Learn“, einem Projekt, das die Privatschulen der Stadt für interessierte
       Eltern katalogisiert. [7][Meduza fasst den Bericht auf Englisch zusammen.]
       
       Marina Ragozina und Natalia Korol, die Gründerinnen des Projekts „Simply
       Learn“, erklären: Eltern können ihre Kinder heute in sogenannten
       „Familienschulen“ unterrichten lassen, einer wachsenden Zahl von – in der
       Regel nicht lizenzierten – Fern- oder Heimunterrichtsprogrammen.
       Homeschooling ist sogar möglich, ohne ein Kind von der öffentlichen Schule
       abzumelden, etwa durch informelle Vereinbarungen oder die Angabe von
       „externen Studien“, bei denen Schülerinnen und Schüler weiterhin an einer
       staatlichen Schule angemeldet bleibt.
       
       Die Qualität und die pädagogische Philosophie von Familienschulen ist sehr
       unterschiedlich: Einige Eltern loben die Flexibilität dieses Ansatzes in
       Bezug auf den Lehrplan und die Sensibilität für die Bedürfnisse der
       einzelnen Schüler. Gleichzeitig wird befürchtet, dass die Familienschulen
       die Schüler nicht auf die standardisierten Tests vorbereiten, die Russland
       für die Hochschulzulassung verwendet.
       
       ## Zahl neuer Soldaten geht zurück
       
       Die Rekrutierung von Soldaten für die russischen Streitkräfte ist im
       dritten Quartal 2024 im Vergleich zum zweiten Quartal zurückgegangen. Dies
       geht aus dem Bericht über die Ausführung des russischen Haushalts hervor.
       [8][Meduza hat die Daten analysiert (russischer Text).]
       
       Bis zum 1. Oktober wurden insgesamt 48,56 Milliarden Rubel für Zahlungen
       aus dem föderalen Haushalt an die unter Vertrag stehenden
       Militärangehörigen ausgegeben. Das sind 16,14 Milliarden Rubel mehr als in
       der ersten Jahreshälfte.
       
       Doch gemäß Wladimir Putins Dekret vom 31. Juli wurde die föderale
       Pauschalvergütung für Verträge mit dem Verteidigungsministerium vom 1.
       August bis Ende 2024 von 195.000 auf 400.000 Rubel erhöht. Die Kosten pro
       Person sind also höher – und nach Berechnungen von Meduza die Anzahl der
       neuen Rekruten damit geringer.
       
       11 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://meduza.io
   DIR [2] https://meduza.io/en
   DIR [3] /Russische-Medien-im-Exil/!5911767
   DIR [4] /!v=4269299f-23bb-40f2-a4ea-2b1b1ae40192/
   DIR [5] https://meduza.io/en/feature/2024/12/10/a-personal-defeat-for-putin
   DIR [6] https://meduza.io/en/feature/2024/12/06/neo-nazi-street-attacks-are-making-a-comeback-in-russia-experts-link-it-to-2000s-nostalgia-internet-clout-culture-and-the-war
   DIR [7] https://meduza.io/en/feature/2024/12/05/worried-parents-and-a-changing-education-economy-are-fueling-an-unschooling-boom-in-russia-s-northern-capital
   DIR [8] https://meduza.io/feature/2024/12/04/pritok-dobrovoltsev-v-rossiyskuyu-armiyu-zametno-sokratilsya-hotya-za-zaklyuchenie-kontrakta-stali-platit-vdvoe-bolshe
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tigran Petrosyan
       
       ## TAGS
       
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