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       # taz.de -- Disruptive Politikwechsel: Christian Lindner hat dieses Mal nun wirklich recht
       
       > Den Joghurtbecher für den Gelben Sack auswaschen? Darüber sind wir
       > hinaus, meint unser Autor. Klein-klein beendet weder die Klima- noch
       > andere Krisen.
       
   IMG Bild: Der Mann braucht Freiheit statt gelber Säcke
       
       Ich lebe ja ein gesetztes Spießerleben. Wann war ich das letzte Mal
       komplett irre und habe total unvernünftig gehandelt? War es das
       Schlachtfest für den Riesen-Schokoladenhasen vor der Glotze? Die
       Entscheidung, für die taz zu schreiben? Die Idee, Kinder in diese Welt zu
       setzen? Egal: Jetzt ist die Zeit, mal richtig durchzudrehen und etwas zu
       riskieren. Und klarzustellen: Christian Lindner hat recht.
       
       Und zwar mit seiner Forderung, man müsse von Javier Milei und Elon Musk
       lernen. Also von [1][dem einen Irren, der in Argentinien die Mittelschicht
       in die Suppenküchen treibt]. Und von dem anderen Durchgeknallten, der als
       reichster Mann der Welt bald den mächtigsten Mann der Welt dabei berät, die
       USA und den Rest der Welt möglichst effizient zu ruinieren.
       
       Dabei geht es mir nicht um den Hass auf den Staat, den Christian Lindner
       sich hier abschauen will, sondern um seine Einsicht: „Deutschland braucht
       einen grundlegenden und an vielen Stellen sogar disruptiven
       Politikwechsel.“ Sein Tenor: [2][Der Wirtschaft geht es schlecht], unser
       Wohlstand ist bedroht.
       
       „Wenn es nicht zu einer Wende kommt, wird der Lebensstandard sinken“ und
       die Polarisierung der Gesellschaft voranschreiten. „Es wird nicht
       ausreichen, ein paar Stellschrauben ein wenig zu drehen und mit wenig
       ambitionierten Reformen die strukturellen Probleme zu überdecken.“ Es
       brauche „tiefgreifende Maßnahmen, um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu
       sichern“.
       
       ## Everything Everywhere All at Once
       
       Halleluja! Lindner hat die Langeweile nach seinem Rauswurf als
       Bundesfinanzminister also gut genutzt und den [3][letzten Bericht des
       Weltklimarats IPCC] gelesen. Und dann hat er sich durch die [4][Reports zum
       weltweiten Artensterben] geackert, durch die Warnungen von Lord Nicholas
       Stern, die Bilanzen der Weltbank und hat sich noch mal die Reden von
       UN-Generalsekretär Antonio Guterres aus den letzten fünf Jahren angeschaut.
       
       Daher kommt nun diese klare Aussage: Ein bisschen Emissionshandel
       reformieren hier und ein paar Flugtaxis entwickeln dort, das rettet nicht
       die Welt. Nein: Wir müssen alles sofort und gleichzeitig machen, wenn wir
       unseren Wohlstand erhalten und Deutschlands Zukunftsfähigkeit sichern
       wollen. Denn beides beruht schließlich darauf, dass das Betriebssystem
       dieses Planeten halbwegs weiterläuft.
       
       Das heißt also: Wir müssen in den kommenden fünf Jahren die weltweiten
       Treibhausgasemissionen halbieren, das Artensterben sofort stoppen, [5][den
       Plastikmüll auf null bringen], das globale Finanzsystem gerecht und
       krisenfest machen, die Hilfen für die armen Länder vervielfachen.
       
       ## Vergangenheit vs Zukunft
       
       Das geht eben nicht mit einem Weiter-so, das hat Lindner klug erkannt.
       Sondern nur mit Disruption, dem Brechen mit dem und auch mit den Alten.
       Genau so steht es in all diesen schlauen Berichten, Analysen und Reporten.
       Schluss mit Klein-Klein und her mit den mutigen Lösungen, die manchen
       wehtun, aber insgesamt eine echte Wende bringen. Weil es umso schlimmer
       wird, wenn sich nichts ändert: Bei Klima, Artenverlust, Plastikschwemme,
       Armut, globaler Ungerechtigkeit.
       
       Deutschland wählt zu einem großen Teil leider statt der guten Zukünfte
       lieber die schlimmen Vergangenheiten. Und viele Menschen fürchten
       Veränderung mehr als alles andere. Da sorgt diese Ansage mal für
       erfrischende Klarheit: Nur mit disruptiven Lösungen haben wir eine Chance
       auf einen lebenswerten Status quo oder einen guten Status futurus. Wir sind
       längst über den Punkt hinaus, wo es reicht, den Joghurtbecher für den
       Gelben Sack auszuwaschen. Wir brauchen einen ganz neuen Sack. Vielleicht
       muss er ja nicht gelb sein.
       
       16 Dec 2024
       
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