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       # taz.de -- Über einen zu Unrecht unbekannten Maler: Der Sonnenmaler aus dem Norden
       
       > In Skandinavien sind die Bilder von Jens Ferdinand Willumsen Ikonen.
       > Schloss Gottorf zeigt eine Werkschau des in Deutschland noch unbekannten
       > Dänen.
       
   IMG Bild: In Italien beobachtet und beim Malen in den Norden versetzt: „Badende Kinder am Strand von Skagen“
       
       Die Sonne leuchtet aus vielen Bildern von Jens Ferdinand Willumsen, der
       1863 in Kopenhagen geboren wurde und 1958 in Cannes starb. In seinen 94
       Lebensjahren schuf der Däne ein weitgefächertes Werk als Maler, Grafiker,
       Keramiker, Fotograf und Architekt. Darunter sind Bilder, die in
       Skandinavien als Ikonen gelten. In Deutschland ist Willumsen praktisch
       unbekannt. Das schleswig-holsteinische [1][Landesmuseum Schloss Gottorf]
       entdeckt den Sonnen-Maler aus dem Norden neu und zeigt bis März 2025 unter
       dem Titel „Generalprobe“ rund 100 Werke aus allen Schaffensperioden.
       
       Mädchen und Jungen, die an einem Strand und im grünblauen Wasser spielen,
       darüber ein pastellfarbener, strahlender Himmel: „Badende Kinder am Strand
       von Skagen“, entstanden zwischen 1902 bis 1909, ist ein Hauptwerk
       Willumsens. Das großformatige Bild, das in Schleswig hängt, ist das erste
       von zwei fast identischen Werken, eben die „Generalprobe“, die der
       Ausstellung den Titel gab.
       
       „Es war Teil von Willumsens Arbeitsprozess, dass er bei größeren Werken
       nicht nur kleine Vorstudien und Details anfertigte, sondern das gesamte
       Bild zweimal malte“, erklärte Ausstellungs-Kurator Ingo Borges bei einem
       Rundgang zur Eröffnung der Ausstellung. Das Motiv der badenden Kinder ist
       typisch für die Zeit, auch andere Künstler wie Max Liebermann malten
       Strandszenen. Willumsen zeigt Jugendliche beiderlei Geschlechts und aller
       Altersstufen, die im Sand spielen oder sich in die Fluten stürzen, ein
       Mädchen wirbelt ein kleines Geschwister herum. Die Kinder hat Willumsen in
       Italien beobachtet und fotografiert, das Sujet dann nach Skagen versetzt,
       unter einen nordischen Sommerhimmel.
       
       ## Unbeabsichtigte Skandale
       
       Der Gastwirtssohn aus [2][Kopenhagen] absolvierte eine Ausbildung zum
       Bauingenieur, besuchte die Kunstakademie, scheiterte dort aber dreimal an
       der Abschlussprüfung. Dennoch gab er seine Pläne nicht auf. 1888 reiste er
       zum ersten Mal nach Frankreich und Spanien, kam in Kontakt mit
       Avantgarde-Künstlern und sorgte 1891 für einen Skandal in seiner Heimat:
       Rund 20.000 Neugierige sahen die Grafik „Fruchtbarkeit“, ein Portrait von
       Willumsens erster Frau, Juliette Meyer, während ihrer Schwangerschaft – ein
       damals ungehöriges Motiv.
       
       Auch die „Bergsteigerin“ von 1902, ein sportlich-lässiges Portrait von
       Willumsens zweiter Frau, der Bildhauerin Edith Wessel, zog den Spott und
       Kritik der Zeitgenoss:innen auf sich: „Venus von Milo im Wollpullover“,
       lästerte ein Kritiker. Diese Skandale waren nicht beabsichtigt, heißt es in
       einem Aufsatz im Katalog zur Ausstellung: „Ich wollte nie den Konflikt,
       sondern wünschte mir, sofort verstanden zu werden“, sagte Willumsen.
       
       Der ganz große Durchbruch blieb dem Künstler versagt. Aber er konnte trotz
       zeitweiliger Geldprobleme gut von der Kunst leben, und auch der Plan eines
       eigenen Museums, für das er unter anderem großformatige Selbstportraits und
       Bilder seiner dritten Lebensgefährtin, der Tänzerin Michelle Bourret,
       schuf, entstand früh. Er war mit den Großen seiner Zeit bekannt und
       befreundet, darunter [3][Paul Gauguin] und [4][Emil Nolde].
       
       Menschen, Natur und Stadtlandschaften sind seine hauptsächlichen Motive,
       aber es gibt auch Grafiken, die Kriegsszenen schildern. Sein Werk lasse
       sich nicht in Gattungsgrenzen zwängen, sagte Thorsten Sadowsky, Direktor
       des Landesmuseums, der stolz darauf ist, Willumsens Werke nach Deutschland
       geholt zu haben.
       
       Zusätzlich zu Willumsens Bildern und Keramiken zeigt die Ausstellung auch
       ein besonderes Schulprojekt, an dem sich Klassen der dänischen A. P.
       Møller-Skolen in Schleswig und dem Deutschen Gymnasium für Nordschleswig in
       Aabenraa beteiligt haben. Die Jugendlichen bearbeiteten grenzübergreifend
       verschiedene Aspekte von Willumsens Werk. Entstanden sind unter anderem
       eine textile Arbeit, in der Punkte für Willumsens Frauen und Kinder stehen,
       ein Video und Fotos.
       
       25 Dec 2024
       
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