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       # taz.de -- Windräder auf Hochtouren: Neujahr war zu 125 Prozent erneuerbar
       
       > Am 1. Januar wurde in Deutschland mehr Ökostrom produziert als insgesamt
       > Strom verbraucht. Warum trotzdem fossile Kraftwerke laufen mussten.
       
   IMG Bild: Vortrag im Maschinenraum eines Windrads: Tag der Erneuerbaren Energien Mecklenburg-Vorpommern 2024
       
       Freiburg taz | Am Neujahrstag hat Deutschland mehr Strom aus erneuerbaren
       Energien erzeugt, als im Land insgesamt verbraucht wurde: Einer Nachfrage
       von 1.160 Gigawattstunden stand eine erneuerbare Erzeugung von 1.196
       Gigawattstunden gegenüber.
       
       Vor allem die Windkraft an Land trug mit 915 Gigawattstunden zur Erzeugung
       bei. So lagen die Erneuerbaren am Mittwoch bei bis zu 125 Prozent des
       Verbrauchs, wie aus Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare
       Energiesysteme hervorgeht.
       
       Das aber hieß nicht, dass in diesen Stunden die [1][fossilen Kraftwerke]
       verzichtbar waren. Trotz der bilanziellen Deckung des Verbrauchs durch
       Ökostrom wurden am Neujahrstag noch immer 268 Gigawattstunden in fossilen
       Kraftwerken erzeugt. Diese werden nämlich weiterhin gebraucht; zum
       Beispiel, weil sie oft im Modus der Kraft-Wärme-Kopplung laufen, also neben
       Strom auch Wärme für ein Fernwärmenetz erzeugen.
       
       Ein zweiter Grund für die fossile Stromerzeugung an solchen Tagen sind die
       erforderlichen Systemdienstleistungen, die bisher im benötigten Umfang nur
       diese Kraftwerke bieten können. So geben zum Beispiel die rotierenden
       Massen der tonnenschweren Turbinen und Schwungräder dem Netz die
       physikalische Trägheit, die es für seine Stabilität benötigt, um
       Frequenzschwankungen bei schnellen Laständerungen abzupuffern.
       
       ## Batterien für stabile Netze
       
       Die Photovoltaik bietet diese Trägheit nicht. Auch Windräder sind trotz
       ihrer Rotation dazu nicht in der Lage, weil zwischen der rotierenden Masse
       und dem Netz ein Frequenzumrichter hängt, der den drehzahlvariablen Rotor
       vom Netz physikalisch abkoppelt. Hingegen können Batterien diese
       Systemdienstleistung grundsätzlich bieten, was sie auch zunehmend tun
       werden – etwa mit dem „Netzbooster“, den Energiekonzern EnBW derzeit im
       Südwesten aufbaut.
       
       Bislang sind die fossilen Kraftwerke auch als Lieferanten von Regelleistung
       nicht komplett verzichtbar. Sie müssen die Schwankungen der Stromerzeugung
       von Wind und Sonne sowie Änderungen der Nachfrage abfangen.
       
       Damit ergeben sich zwei Kennzahlen, die es zu unterscheiden gilt: Während
       die Erneuerbaren am Neujahrstag bis zu 125 Prozent des Verbrauchs deckten,
       erreichte ihr Anteil an der Stromerzeugung nur maximal 85 Prozent – weil
       eben zu allen Zeiten mindestens neun Gigawatt fossiler Kraftwerke zur
       Absicherung der Netzstabilität in Betrieb waren.
       
       Es entstanden also deutliche Überschüsse – und die wurden exportiert. Bis
       zu 17 Gigawatt flossen ins Ausland, in der Tagessumme waren es 294
       Gigawattstunden. Zugleich wirkte sich das große Angebot an Strom auf den
       Strompreis aus. Am Neujahrstag war er aufgrund der geringen Nachfrage 14
       Stunden lang negativ, [2][lag also sogar unter null].
       
       Diese Momentaufnahme des 1. Januars steht im Kontrast zur Gesamtbilanz des
       Jahres 2024, die das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme gerade
       vorgelegt hat. Mit fast 25 Terawattstunden (Milliarden Kilowattstunden)
       hatte Deutschland den größten Stromimportüberschuss seiner Geschichte.
       
       Das lag allerdings nicht primär an den knapp 100 Terawattstunden Atomstrom,
       die in den letzten zehn Jahren weggefallen sind, sondern mehr noch an den
       170 Terawattstunden Kohlestrom, die 2024 weniger erzeugt wurden als noch
       vor zehn Jahren. Deutschland produzierte im zurückliegenden Jahr nämlich so
       wenig Kohlestrom wie zuletzt 1957.
       
       Zugleich erreichten die Erneuerbaren mit 275 Terawattstunden einen neuen
       Spitzenwert; vor zehn Jahren hatten sie noch mit 158 Terawattstunden zum
       Strommix beigetragen. Damit lag der Anteil der erneuerbaren Energien [3][am
       gesamten Stromverbrauch mit 55 Prozent ebenfalls auf Rekordhöhe] – wobei
       dieser Wert auch dadurch zustande kommt, dass der Stromverbrauch in den
       vergangenen zehn Jahren um rund zehn Prozent gesunken ist.
       
       3 Jan 2025
       
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