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       # taz.de -- Airporthotels für Haustiere: Der Flughafen als Zufluchtsort
       
       > In den Böllerverbotszonen rund um die Flughäfen bieten Airporthotels
       > Übernachtungspakete für gestresste Hunde an. Ein Besuch im Flughafen
       > Köln-Bonn.
       
   IMG Bild: Endlich Ruhe!
       
       Köln taz | Am Ausgang von Terminal 1 geht Sabine, Lehrerin aus Köln, mit
       ihrer Hündin Natti (3) nochmal Gassi. Gerade haben die beiden nebenan im
       Moxy-Hotel eingecheckt, zum zweiten Mal schon. „170 Euro sind viel Geld,
       aber bei Nattis erstem Silvester haben wir zu Hause drei Stunden im
       Schlafzimmer auf dem Boden verbracht“, erzählt sie. „Völlig panisch“ sei
       das arme Tier gewesen. Und traumatisiert: „Bis zum 5. Januar konnten wir
       nicht rausgehen.“
       
       Für viele Tiere ist der Jahreswechsel [1][die Hölle]. Explosionen,
       Lichtblitze, Raketengeheul. Wildtiere rennen verschreckt durchs Gehölz; in
       Tierheimen, Gestüten und Zoos werden die Tiere notdürftig schallgeschützt.
       Landwirte lassen ihre Trecker im Kuhstall lautstark durchdieseln, damit der
       gewohnte Traktorenkrach die Böller übertönt. Hunde und Katzen verkriechen
       sich zitternd hinter Kloschüsseln, unter Betten oder in Kellern.
       
       Es helfen: Flughäfen. Da herrscht Böllerverbot.
       
       Kurz nach 19 Uhr, auf zum Moxy, 200 Meter vom Terminal entfernt. Wau & Wow!
       Was für ein Bild: Gut zwei Dutzend Leute samt ihrer Vierbeiner warten in
       langer Schlange vor dem Aufzug. Viele Tiere haben die Schwänze eingezogen,
       die Blicke sind scheu: Man kommt aus dem Vorkriegsgebiet. Oben, im 5.
       Stock, am Check-in wieder lange Schlangen. Über hundert Hunde werden hier
       schallgeschützt die Nacht verbringen.
       
       Alex Sälzer ist der Manager des Hotels. Im Vorjahr seien, ziemlich
       überraschend, „auf einmal so an die 40 Hunde da gewesen“. Anfang 2024 habe
       sich dann eine Hundeschule aus Köln gemeldet. Man handelte eine Kooperation
       aus: Übernachtung für zwei Personen (plus Hund oder Hunde), Frühstück,
       Tapas-Bufett, dazu diverse Doggie-Goodies, Frage-Antwort-Session zu
       Hundeerziehung im Meetingraum. Die 70 Zimmer für „Knallerhunde Special“
       waren schon im Sommer ausgebucht. Viele andere haben hier, ohne
       Spezialpaket, weitere Betten und Körbchen bezogen.
       
       ## Gepolsterter Kinderwagen
       
       Die Böller-Flüchtlinge kommen von überall. Aus Münster („Unser Flughafen
       hat heute Nacht zu“) stammt ein Paar samt der Dackeldamen Alba und Lotte,
       hereingeschoben im kuschelig ausgepolsterten Kinderwagen. Aus Öhningen am
       Bodensee sind die Eheleute Massler angereist samt ungarischem
       Wollknäuelmischling Szuszi. „Wir machen halt mal Kurzurlaub im Rheinland.“
       
       Die Leute der Hundeschule verteilen derweil Willkommenspakete:
       Bergkäsewurst, Dosen-Ente, Rabattgutscheine, QR-Codes für Trainingsvideos,
       Suppenpulver Moro gegen Durchfall („sensationelles Zeug“). Noch besser
       gefallen Mitarbeiterin Laureen Ley die Anfragen von gleich zwei
       Düsseldorfer Airporthotels, solche Übernachtungspakete 2025 auch dort
       anzubieten.
       
       Zurück zum Flughafen selbst, dort ist der letzte Flug des Jahres
       abgefertigt. Geblieben sind: Hunde, Hunde, Hunde – auch in den Terminals.
       Angeleint flanieren sie durch die weiten Abflughallen, viele Dutzend, viele
       lange Stunden. Auf Wartebänken und Campingstühlen sitzen Rudel von
       HundehalterInnen die letzten Stunden des Jahres ab und tauschen
       Horrorgeschichten ihrer Lieblinge aus. Der Airport hatte öffentlich
       Tierasyl angeboten.
       
       Geschäfte und Cafés sind zu – bis auf Podolskis Dönerladen. Am Tisch sitzt
       ein Mann aus Jülich samt Hundi. „Der ist schon alt und herzkrank. Die
       Vorjahre waren die Hölle. Hab überlegt mit dem teuren Hotel, aber die paar
       Stunden kriegen wir auch so rum.“ Nein, sagt der Mitarbeiter am Tresen,
       einen speziellen Poldi-Hundedöner gebe es nicht. Vielleicht nächstes Jahr.
       
       Am Anfang von Terminal 1 ein Klapptisch mit allerlei Salatschüsseln drauf,
       Brot, Teller, rot-weiße Tote-Hosen-Becher. Drumherum ein Dutzend Leute mit
       acht Hunden auf Schlafdecken. Eine Hundeschule aus dem Neandertal bei
       Düsseldorf hat zum Silvester-Picknick geladen. „Ich habe alle Kunden
       angefragt“, erzählt Leiterin Yvonne Rockel, „die Flughafenverwaltung war
       sehr kooperativ, ein paar Telefonate, dann durften wir mit Biergarnitur und
       Essen anrücken.“
       
       ## Zitternde Bernhardiner
       
       Von wenig erfolgreichen Ablenkungsmanövern zu Hause berichten alle hier:
       Rollläden runter, laute Musik, brüllende Fernsehgeräte, Beruhigungsmittel,
       gemeinsames Verkriechen in Schränken und Kellern.
       
       Welche Tiere knallpanisch sind, sagt Yvonne Rockel, sei unabhängig von
       Rasse oder Größe. Ja, es gebe auch zitternde Bernhardiner. Übernachten
       wolle sie hier nicht, sie wohnt in der Nähe. „Wenn es etwas ruhiger wird“,
       vielleicht schon gegen zwei Uhr, gehe es wieder heim.
       
       Ein Stück weiter haben sich Herr und Hundi auf einer Isomatte mit Decke
       eingekuschelt, alle Sechse von sich gestreckt. Draußen sind die Kanonen und
       Raketen nur als fernes, leises Geknatter zu vernehmen.
       
       3 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Müllender
       
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