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       # taz.de -- Sexismus im Sport: Tja, wie springen die denn?
       
       > Frauensport gilt als minderwertig, nicht nur der Skisprung. Schimpfen
       > über Duschgel genügt aber nicht.
       
   IMG Bild: Weltklasse, die kaum jemand kennt: Nika Prevc bei der Two Nights Tour
       
       Katharina Schmid ist der deutschen Sportöffentlichkeit einigermaßen
       bekannt. Zumindest wenn erwähnt wird, dass sie bis zu ihrer Hochzeit
       [1][Althaus] hieß und bei Olympischen Spielen Silber gewonnen hat. Nach
       solchen Zusatzinformationen fällt vielen Menschen Schmids Sportart ein,
       doch sind ihre [2][Skisprungkolleginnen] Nika Prevc, Anna Odine Ström und
       Erin Maria Kvandal hierzulande ähnlich bekannt? Eher nicht.
       
       Zu den lobenswerten Besonderheiten des Sportjournalismus gehört, dass er
       den Sport ernst nimmt. Das, was Athleten und Athletinnen körperlich
       leisten, wird betrachtet, gewürdigt und auch mal kritisiert. Hier wird der
       Sport also nicht (oder zumindest nicht zuvörderst) als Metapher für
       gesellschaftliche Entwicklungen im Guten und (häufiger) im Bösen genommen.
       
       Über Schmid, Prevc, Ström und Kvandal wurde dieser Tage bekannt, dass der
       Siegerin in der Qualifikation ihrer halben Vierschanzentournee – Frauen
       wurde nach jahrelangem Kampf nur eine Serie über zwei Sprunganlagen
       zugestanden – eine Prämie von [3][Duschgel, Shampoo und vier Handtüchern]
       in die Hand gedrückt wurde. Empörung über diese demütigende Geste setzte
       ein, sie ist nachvollziehbar und völlig berechtigt.
       
       Nur heißt das noch lange nicht, dass sich die empörte Öffentlichkeit für
       den Skisprung interessiert, den die Sportlerinnen auf Weltklasseniveau
       betreiben. Es ist genau dieser Punkt: Die Sportlerinnen und ihre miese
       Behandlung durch die Veranstalter werden als Ausdruck einer allgemeinen
       miesen Behandlung betrachtet. Das geschieht aus guten und starken Gründen.
       Und doch wird es in dieser Argumentation gleichgültig, ob es sich um
       Fußballerinnen, Uniprofessorinnen, DAX-Vorstände oder Skispringerinnen
       handelt.
       
       Dass dies so ist, hat Gründe. Einer davon, muss man selbstkritisch
       feststellen, betrifft uns, den Sportjournalismus. Von der
       [4][Vierschanzentournee] der Männer gibt es viele Berichte, viele Fotos,
       viele Hintergrundinformationen. Von der [5][„Two-Nights-Tour“], die den
       Frauen zugestanden wurde und über die im Vorfeld kaum berichtet wurde –
       wird nun vermeldet, dass kaum Zuschauer kamen. Surprise, surprise.
       
       ## Die Ignoranz hat Gründe
       
       Doch auch das hat Gründe, die leider nachvollziehbar sind: Journalistinnen
       und Journalisten, die für Agenturen, für größere Redaktionen oder als
       Freelancer das Skisprungspektakel begleiten, verzichten auf Berichte von
       der Frauentour, weil es sich für sie „nicht rechnet“, wie man im
       Betriebswirtschaftssprech formuliert.
       
       Und das wiederum beschreibt das strukturelle Problem der miserablen
       Wahrnehmung von Frauensport ganz gut: Dass es Diskriminierung gibt, findet
       eigentlich kaum jemand gut, aber die ökonomischen und sozialen Bedingungen,
       dass dieser Sport einen höheren Stellenwert erhält, werden nicht in Angriff
       genommen.
       
       Die unangenehme Überzeugung, dass Frauensport stets eine Veranstaltung
       minderer Güte, ein Event der zweiten oder dritten Kategorie sei, steckt
       sehr tief drin. Der Sport ist ganz wesentlich von diesem Sexismus geprägt.
       Leider nur wenig übertrieben formuliert: Frauensport wird bestenfalls mit
       gelangweiltem Wohlwollen goutiert, nicht mit der Seriosität, die die
       professionelle Leistung der Sportlerinnen eigentlich verlangt.
       
       Die Qualifikation der Skispringerinnen in Garmisch-Partenkirchen wurde
       übrigens von Selina Freitag gewonnen. In der Gesamtwertung kam die
       Springerin, die sympathisch deutlich ihren Unmut über das Duschgelpräsent
       vorgetragen hatte, nur auf Platz vier. Die Weltspitze im Skisprung der
       Frauen ist nämlich schon sehr breit aufgestellt. Das weiß nur kaum jemand.
       
       3 Jan 2025
       
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