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       # taz.de -- Regierungskrise in Österreich: Auf der anderen Seite der Brandmauer
       
       > Österreichs Parteien kennen weder eine Brandmauer, noch haben sie aus dem
       > Erfolg der rechtsradikalen FPÖ gelernt. Sie sind unfähig zur
       > Selbstkritik.
       
   IMG Bild: Karl Nehammer (ÖVP) gibt den Abbruch der Koalitionsverhandlungen bekannt und löst damit die Regierungskrise aus
       
       Die rechtsradikale Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) blickt auf ihr
       erfolgreichstes Jahr überhaupt zurück: [1][gewonnene EU-Wahl], der erste
       FPÖ-Landeshauptmann seit Jahrzehnten, vor allem aber der Sieg bei der
       [2][Nationalratswahl. 28,9 Prozent] wählten die „Freiheitlichen“, die
       Österreich zum illiberalen Staat nach ungarischem Vorbild umbauen wollen.
       
       Wie mit der extremen Rechten umgehen? Diese Frage stellt sich in Österreich
       nicht zum ersten Mal. Anders als in Deutschland gibt es keine Brandmauer
       nach rechts außen. Es gab sie auch nie, jedenfalls nicht explizit. Lange
       spielte die 1956 gegründete FPÖ keine Rolle, denn ÖVP und SPÖ teilten sich
       die Republik untereinander auf.
       
       Mitte der 1980er Jahre begann der FPÖ-Erfolgslauf unter Jörg Haider, der
       vor allem auf Ausländerfeindlichkeit setzte. Seitdem hat die Partei zweimal
       auf Bundesebene mitregiert. Sie schafft es immer wieder, fast alle
       Proteststimmen auf sich zu ziehen. Trotz ihrer vielen Skandale.
       
       Auch diesmal. Die anderen Parteien haben unterschätzt, wie groß der Unmut
       über die übersteuerte und populistische Coronapolitik war. Vor allem die
       beschlossene, am Ende nie umgesetzte Impfpflicht trieb die Wähler in
       Scharen zur FPÖ. Ihre erratische Politik hat die schwarz-grüne Regierung
       nie vollständig aufgearbeitet.
       
       ## Ernte für die FPÖ
       
       Ebenso wenig hat die ÖVP einen klaren Schnitt gemacht, als etwa die
       Skandale rund um v[3][on der Regierung bezahlte Inserate unter Sebastian
       Kurz] aufkamen. Viel Vertrauen in Medien und Politik wurde verspielt. Die
       FPÖ holt die Enttäuschten ab, setzt auf Alternativmedien, wettert gegen das
       „System“.
       
       Auch haben fast alle anderen Parteien unterschätzt, wie wichtig die
       Sozialpolitik ist. In Zeiten von Rekordinflation, steigender
       Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdung ein grobes Versäumnis. Da halfen
       weder der Populismus eines Andreas Babler noch die ÖVP, die Unternehmen in
       der Coronazeit bewusst überförderte, sich aber gegen eine Anhebung des
       Arbeitslosengelds stellte.
       
       Die geplante Dreierkoalition zusammen mit den Neos ist nun fulminant
       gescheitert, weil ÖVP und SPÖ nicht über ihren Schatten springen konnten.
       Schon rechnerisch gibt es dazu keine Alternative ohne FPÖ. Sollten sich die
       Parteien nicht in Neuwahlen flüchten – und selbst dann –, ist eine
       FPÖ-geführte Regierung wohl unvermeidlich. In der ÖVP gibt es längst laute
       Fürsprecher dieser Variante.
       
       Nun rächt sich, dass SPÖ und ÖVP nicht die Zeichen der Zeit erkannten.
       Österreichs Politik bräuchte Selbstkritik, Transparenz, überfällige
       Reformen. Stattdessen ging es viel zu lang um Machtpolitik und die
       Absicherung eigener Pfründen. Die Ernte fährt die FPÖ ein.
       
       6 Jan 2025
       
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