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       # taz.de -- ZDF-Serie „Der Palast“: Ab jetzt müssen wir Geld verdienen
       
       > Aller Anfang nach der DDR war schwer, aber das Ende kann nicht schlecht
       > sein. Die zweite Staffel von „Der Palast“ lebt von Figuren in der zweiten
       > Reihe.
       
   IMG Bild: Steht für Palast-Glamour: Taynara Silva Wolf als Tänzerin Karla
       
       Berlin taz | Paris hat das Lido, die Folies Bergère und natürlich das
       Moulin Rouge. Die alte BRD hatte nichts dergleichen – die DDR immerhin den
       [1][Friedrichstadt-Palast]. Aber ach, als anno 1990 die DDR plötzlich
       ausgedient hatte, die Ossis nur noch nach Westen schauten, wo die Wessis
       jenseits des Paris-Urlaubs mit der Form des Varietétheaters nichts
       anzufangen wussten, was sollte da nur aus dem Friedrichstadt-Palast werden?
       
       „Ey, ich bin froh, wenn endlich mal wieder mehr Leute im Publikum sitzen,
       als auf der Bühne steh'n“, formuliert konsterniert eine Tänzerin.
       [2][„Warum schließen wir den Palast nicht sofort?“], fragt unverzagt ein
       Adlatus den Kultursenator. „Ich will endlich meine Girl-Reihe wieder
       vollständig haben“, wünscht sich die altgediente Ballettdirektorin
       (Jeanette Hain). „Der Sozialismus ist vorbei. Ab jetzt muss leider erst mal
       was geleistet werden, bevor man den Mund aufmacht“, knallt ihr das
       arrogante Arschloch von neuem Intendanten, das Abziehbild eines
       Besserwessis, vor den Latz.
       
       In der mehr oder weniger fiktiven zweiten Staffel des vor genau drei Jahren
       [3][im ZDF debütiert habenden „Palastes“] (Buch damals wie heute: Rodica
       Doehnert), einer (vom ZDF) so genannten „Event-Serie“, geht es gleich
       genregemäß zur Sache.
       
       Die drei wirklich hübsch anzusehenden neuen Tänzer des Ensembles – ein sich
       auf rührige Weise zugetanes Geschwisterpaar von der Ostsee (Lary Müller und
       Lukas Brandl) und eine Münchnerin (Taynara Silva-Wolf) von der Sorte, wie
       man sie in „Ku’damm 56“, einer anderen ZDF-„Event-Serie“, burschikos
       genannt hätte – sie sind nicht die eigentliche Attraktion des Programms.
       
       ## Eher handfest
       
       Das übernehmen vielmehr die vermeintlichen Nebenfiguren: jene sich nach
       außen hart gebende („Ballett und Sentimentalität schließen sich aus“), dann
       aber auf denkbar romantische, um nicht zu sagen Soap-gemäße Art
       (ausgerechnet auf der Loveparade) mit dem signifikant jüngeren männlichen
       Part des Geschwisterpaars anbandelnde Ballettdirektorin; die im Stile von
       Waldorf und Statler aus der „Muppet Show“ das Geschehen kommentierenden
       zwei Faktoten, der Kostüm- und der Maskenbildner, gespielt von Bernd Moss
       und Matthias Matschke, bei dem es in Sachen Berlinern noch immer so hapert
       wie schon in der ersten Staffel, aber egal; die eher handfeste
       Kittelschürzen-Kantinenchefin (Petra Kleinert), die mit der Idee des neuen
       Intendanten, ihre Kantine in ein Gourmetrestaurant zu verwandeln,
       erwartungsgemäß fremdelt; der neue Intendant, gegeben von einem in „Babylon
       Berlin“ als Fiesling gestählten Benno Führmann, mit seinen Flausen: „Ab
       jetzt müssen wir Geld verdienen. Und wir werden Geld verdienen. Viel Geld.
       Der Palast wird Casino. Las-Vegas-Style.“
       
       Das ZDF bedient seine Zielgruppe mit der traumwandlerischen Sicherheit
       eines öffentlich-rechtlichen Dickschiffs, an dem sämtliche neuen
       Erzählformen abprallen. Die Serie lässt sich in der hauseigenen Mediathek
       streamen, aber Netflix und „Squid Game“ sind Lichtjahre entfernt.
       
       Stattdessen werden (Film-)historische Motive aufgerufen von „Fame“ (1980)
       bis „Anna“ (1987), eine maximal künstlich anmutende Kulissenstraße lässt an
       „Sonnenallee“ (1999) denken. Uli Edel (1947) hat es schon, als im Grunde
       einziger Regisseur, der als Kontroll-Freak und Grantler berüchtigten
       Produzentenlegende Bernd Eichinger recht zu machen gewusst. Da ist der
       gemeine ZDF-Zuschauer (Durchschnittsalter: 65) für ihn gewissermaßen ein
       gefundenes Fressen.
       
       Und wer weiß, dass der Friedrichstadt-Palast schließlich sogar den
       einstigen Pariser Größen Jean-Paul Gaultier und Thierry Mugler ein neues
       Zuhause (oder immerhin: eine Beschäftigung) gegeben hat, der weiß, dass das
       Ende kein schlechtes sein kann.
       
       6 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.palast.berlin/
   DIR [2] /Intendant-Berndt-Schmidt-ueber-Kuerzungen/!6054367
   DIR [3] https://www.zdf.de/serien/der-palast
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Müller
       
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