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       # taz.de -- Nach historischer Volksabstimmung: Im Yasuní wird noch gepumpt
       
       > Ecuador hat per Referendum entschieden, dass im größten Nationalpark des
       > Landes kein Öl mehr gefördert wird. Doch die Umsetzung lässt auf sich
       > warten.
       
   IMG Bild: Ein Paradies für viele Arten – und den staatlichen Ölkonzern
       
       Bogotá taz | Es gab großes Trara: In Anwesenheit des Energieministers
       Antonio Goncalves schloss der staatliche Ölkonzern Petroecuador Ende August
       eines von 247 Bohrlöchern in Ecuadors größtem Nationalpark Yasuní. Ein
       symbolischer Akt. Nur:
       
       Drei Tage nach der Veranstaltung hätte das Unternehmen die Ölförderung auf
       dem wertvollen Stück Natur eigentlich schon komplett einstellen müssen. So
       hatte die ecuadorianische Bevölkerung [1][es ein Jahr zuvor in einem
       historischen Referendum beschlossen]. Doch auch zu Jahresende 2024 waren
       erst zehn Bohrlöcher geschlossen.
       
       Der 1,2 Millionen Hektar große Yasuní-Nationalpark in Amazonien ist eins
       der artenreichsten Gebiete unserer Erde. In ihm leben zudem die letzten
       freiwillig isolierten indigenen Völker Ecuadors. Am östlichen Rand des
       Nationalparks befindet sich der Block 43, ein Ölfeld. Es umfasst 162.000
       Hektar, von denen 78.000 Hektar im Nationalpark liegen.
       
       Die Staatsfirma Petroecuador hat zusammen mit der Regierung mehrfach das
       Verfassungsgericht angerufen, um die Frist von einem Jahr zur Umsetzung des
       Referendums zu verschieben. Das Argument: Allein der Stopp dauere
       fünfeinhalb Jahre – [2][im schlimmsten Fall zehn]. Und erst danach will
       Petroecuador mit Reparationen beginnen – was wiederum um sieben Jahre
       dauern soll.
       
       ## Morddrohungen für Öl-Gegner:innen
       
       Denn die Indigenen, die niemals befragt wurden, ob sie das Ölfeld auf ihrem
       Land wollten, haben ein Anrecht auf Wiedergutmachung. Was genau das
       umfassen muss, ist noch unklar. „Wir fordern, dass Abbau und
       Wiedergutmachung simultan passieren“, sagt Manai Prado.
       
       Seit elf Jahren engagiert sie sich für den Yasuní. Sie ist Mitglied der
       Kampagne „Yasuní Sí“, auf Deutsch also „Ja zu Yasuní“, der gleichnamigen
       Koalition und der Umweltorganisation Acción Ecológica sowie
       Gründungsmitglied des Kollektivs Yasunidxs. Sie arbeiten eng mit der
       Indigenen-Vereinigung der Waorani in Ecuador (Nawe) zusammen.
       
       Die Indigenen, vor allem vertreten durch Nawe, haben mehrfach protestiert,
       weil sie bis heute nicht ausreichend beteiligt werden. Am Jahrestag der
       Volksabstimmung zogen sie mit der nationalen indigenen Föderation (Conaie)
       und Gruppen der Zivilgesellschaft zum Protest vors Energieministerium in
       Ecuadors Hauptstadt Quito.
       
       Sie befürchten zudem, dass eine Fristverlängerung keinen kontrollierten
       Stopp der Ölförderung bringt, sondern dass die Bohrlöcher einfach „auf
       natürliche Weise verfallen“. Und sie fürchten um ihr Leben: „Alle
       Waorani-Führungspersönlichkeiten, die sich für die Schließung einsetzen,
       haben Morddrohungen erhalten“, sagt Manai Prado.
       
       ## Natur mit Rechten in Ecuador
       
       Im September reichte eine Delegation der Waorani zusammen mit Verbündeten
       beim Verfassungsgericht von Ecuador einen Aktionsplan für den Yasuní ein.
       Der soll neben dem vollständigen Abbau der Erdöl-Infrastruktur
       sicherstellen, dass die ökologische Wiederherstellung und die soziale
       Wiedergutmachung transparent und effektiv passieren. Neben den Menschen hat
       in Ecuador auch die Natur in der Verfassung festgeschriebene Rechte.
       
       Gibt es Sachgründe für die Verzögerung des Förderstopps? Es fehle immer
       noch die Umweltgenehmigung samt internationaler Ausschreibung, um den Block
       zu schließen, sagt Energie- und Erdölexperte Miguel Robalino. Abschaltung,
       Abbau, Zurücklassung und Überwachung seien ein hochkomplexer Prozess. Bei
       Fehlern könne es zu einer Umweltkatastrophe kommen. Das Feld liegt im
       Dschungel, alles Gerät muss per Fluss hin- und weggeschafft werden. Doch
       der führt nicht ganzjährig genug Wasser.
       
       Robalino schätzt, dass eine geordnete Schließung 17 Jahre dauert. Auch
       bestehe die Gefahr, dass der illegale Bergbau den zurückgelassenen Block
       übernehme, um Gold abzubauen. Dann ist die Frage, was die Abbau- und
       Aufräumarbeiten im Block 43 ans Licht bringen. Wasser, Erde und Luft
       müssten gereinigt werden.
       
       ## Was heißt Wiedergutmachung?
       
       Umstritten ist auch, wie die Entschädigungen aussehen sollen. Für Manai
       Prado geht es zum Beispiel nicht unbedingt um Geld, sondern um das
       Bereitstellen von staatlichen Leistungen auf dem Territorium – angefangen
       mit Trinkwasser, Gesundheitsversorgung, Bildung, Strom, Einkommen, kurz:
       „Methoden zum Überleben“. Fischen und Gemüseanbau sei wegen der
       Verschmutzung durch die Ölförderung nicht möglich.
       
       Prado fordert auch einen fairen Entscheidungsprozess. „Die indigenen
       Gemeinschaften müssen gefragt werden, was Wiedergutmachung für sie
       bedeutet“, sagt Prado.
       
       Neben den Sachgründen für die Verzögerung bei der Umsetzung des
       Yasuní-Referendums fehlt es aber auch am politischen Willen. Die
       Volksabstimmung fand am selben Tag statt wie die Präsidentschaftswahl. Vor
       der hatte Präsident Daniel Noboa behauptet, dass der Block 43 nicht
       rentabel sei und er ihn schließen wolle. Im Amt handelt er jetzt anders. Er
       setzte sich für ein Moratorium ein, um die Umsetzung des Referendums
       auszusetzen.
       
       Begründung: [3][Er brauche das Geld, um den „Krieg“ zu finanzieren] – den
       gegen die Drogenmafia. Ecuador befindet sich in einer Sicherheitskrise, die
       die Mordrate in die Höhe schnellen ließ. Hinzu kommen Waldbrände, eine
       Energiekrise, die mit ihren Stromausfällen das Land lahm legt.
       
       ## Qualität des Rohöls ist schlecht
       
       Erdölexporte sind Ecuadors wichtigste Einnahmequelle. Einem Bericht der
       ecuadorianischen Zentralbank zufolge hat der Block 43 zwischen 2016 und
       2022 rund 6,7 Milliarden Dollar in die Staatskasse gespült. Er enthält laut
       Schätzungen 20 Prozent der Erdölreserven des Landes. Die Qualität des
       dortigen Rohöls ist allerdings schlecht, was den Preis drückt.
       
       Es ist nicht klar, wie viel Geld das Öl aus Yasuní theoretisch noch bringen
       könnte. Die Zahlen, mit denen Umweltschützer:innen und Staatskonzern
       hantieren, [4][liegen weit auseinander].
       
       Etwa 2,3 Milliarden Dollar sind in die Entwicklung des Blocks 43 geflossen,
       sagt Miguel Robalino, Energie- und Erdölexperte aus Ecuador. Der Block ist
       einer der jüngsten im Land und sollte eigentlich noch rund 20 Jahre in
       Betrieb sein. Er sei gut in Schuss. Rund 1,4 Milliarden Dollar soll es
       kosten, die Infrastruktur wieder abzubauen.
       
       Zu diesen Kosten kommen noch die Einnahmeverluste hinzu. Laut Robalino sind
       das pro Jahr rund 1,2 Milliarden Dollar – von denen der Staat rund 800
       Millionen bekomme. „Die Schließung wird die wirtschaftliche Lage des Landes
       verkomplizieren“, sagt Robalino.
       
       ## Das Verfassungsgericht muss entscheiden
       
       Er sieht zudem Probleme für die Energiesouveränität Ecuadors. Auch, weil
       das seinen Strom bisher vor allem aus Wasserkraft erhält – ein Problem bei
       der aktuellen Rekorddürre, das die vielen Stromausfälle verschärft. Die
       Politik habe die strategische Planung für den Energiesektor über Jahre
       vernachlässigt.
       
       Würde der Staat den Reichen die Steuernachlässe streichen, könnte er die
       Einnahmen aus dem Yasuní mehr als wettmachen, argumentieren
       Umweltschützer:innen, [5][darunter der Ökonom und ehemalige Erdölminister
       Alberto Acosta], ein Mitinitiator des Yasuní-Referendums.
       
       Wie es weiter geht, soll nun das Verfassungsgericht entscheiden. Wann, ist
       unklar. Umweltschützerin Manai Prado vermutet, im Januar oder Februar 2025
       oder noch später: „Wir müssen kämpfen, damit das Verfassungsgericht
       Petroecuador keine Fristverlängerung gibt.“
       
       5 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Referendum-in-Ecuador/!5950789
   DIR [2] https://www.bbc.com/mundo/articles/cvgw4y122z4o
   DIR [3] https://es.mongabay.com/2024/02/presidente-de-ecuador-plantea-postergar-salida-de-industria-petrolera-del-yasuni/
   DIR [4] https://elpais.com/america-futura/2023-08-21/una-consulta-popular-le-dice-si-a-proteger-el-yasuni.html
   DIR [5] https://www.riffreporter.de/de/international/suedamerika-ecuador-umwelt-klima-erdoel-amazonas
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Wojczenko
       
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       Indigenen.