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       # taz.de -- Anschlag auf Charlie Hebdo – die Fakten: Mit Kalaschnikows gegen Bleistifte
       
       > Mit dem perfiden Anschlag auf „Charlie Hebdo“ fing 2015 eine
       > islamistische Angriffsserie in Frankreich an. Was am 7. Januar geschah,
       > wie es weiterging.
       
       Die Schlagzeile lautet: „Nicht totzukriegen“. Das ist die makabre
       Quintessenz, die über der aktuellen Charlie Hebdo zum zehnten Jahrestag des
       islamistischen Anschlags auf ihre Redaktion prangt. Es ist eine
       Sonderausgabe, die minutiös und unerbittlich aufzeichnet, welches Leid über
       die Redaktion und ihr Umfeld damals kamen.
       
       Am Dienstag gedenken die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo und
       Staatspräsident Emmanuel Macron der Opfer im Beisein von Angehörigen vor
       den damaligen Redaktionsräumen im 11. Pariser Arrondissement in einer
       schlichten Zeremonie. Der neue Redaktionssitz der Satirezeitung ist seit
       dem Anschlag geheim und steht unter ständigem Polizeischutz. Der gilt auch
       für alle Mitarbeiter:innen, die damals überlebt haben.
       
       An jenem Mittwoch, den 7. Januar 2015, trifft sich die Redaktion von
       Charlie Hebdo wie stets um 10 Uhr zur Sitzung in der Rue Nicolas-Appert.
       Gegen 11.30 Uhr dringen die Brüder Saïd und Chérif Kouachi maskiert und
       schwer bewaffnet mit Kalaschnikows zunächst in das falsche Gebäude mit der
       Hausnummer 6 ein.
       
       Nachdem sie ihren Irrtum bemerken, betreten die beiden Attentäter das Haus
       mit der Nummer 10. Sie erschießen den Hauswart Frédéric Boisseau im
       Eingangsbereich. Danach bedrohen sie die Cartoonistin Corinne Rey alias
       Coco, die sie zufällig im Treppenhaus treffen. Sie zwingen Coco, den
       Zugangscode zu den Redaktionsräumen im zweiten Stockwerk einzugeben.
       
       Anschließend stürmen die Täter die Büroetage, eröffnen dort das Feuer.
       Während der Tat rufen sie „Allahu akbar!“ und: „Wir haben den Propheten
       gerächt!“ Sie töten den bei Charlie Hebdo zum Schutz abgestellten
       Polizisten Franck Brinsolaro und anschließend die Zeichner Charb, Cabu,
       Honoré, Tignous, Wolinski, die Psychiaterin und Autorin Elsa Cayat, den
       unter dem Pseudonym Oncle Bernard schreibenden Bernard Maris und den
       Korrektor Moustapha Ourrad sowie den Besucher Michel Renaud.
       
       Auf ihrer Flucht ermorden die Brüder den Polizisten Ahmed Merabet. Fünf
       Personen, unter ihnen der heutige Redaktionsleiter Riss, erleiden schwere
       Verwundungen, denen der Webmaster Simon Fieschi im Oktober 2024 erliegt und
       damit, zehn Jahre später, das dreizehnte Todesopfer wird.
       
       Am 8. Januar 2015 schießt der mit Chérif Kouachi in Kontakt stehende
       Terrorist Amedy Coulibaly in der Nähe einer jüdischen Schule auf zwei
       VerkehrspolizistInnen, die Praktikantin Clarissa Jean-Philippe stirbt, ein
       Beamter der kommunalen Polizei wird schwer verletzt. Coulibaly wird
       ebenfalls verdächtigt, am Vortag einen Jogger (womöglich als Test) verletzt
       zu haben.
       
       Am 9. Januar betritt Coulibaly den jüdischen Laden Hyper Cacher in
       Vincennes im Osten von Paris. Im Verlauf einer Geiselnahme tötet er einen
       jungen Angestellten, Yohan Cohen, sowie die drei Kunden Philippe Braham,
       François-Michel Saada und Yoav Hattab. Der Ladeninhaber wird verletzt, wie
       auch drei Polizisten, die den schwerbewaffneten und mit Sprengstoff
       ausgerüsteten Terroristen erschießen. Ebenfalls am 9. Januar werden die
       Brüder Kouachi, die behauptet hatten, [1][im Auftrag von al-Qaida Jemen zu
       handeln], in einer Druckerei im Nordosten von Paris aufgespürt und von
       einer Eliteeinheit der Gendarmerie bei einem Schusswechsel getötet.
       
       Rund vier Millionen Menschen demonstrieren am 10. und 11. Januar 2015 in
       ganz Frankreich unter dem Slogan „Je suis Charlie“ (deutsch: Ich bin
       Charlie) gegen Intoleranz und Terrorismus. Darunter sind viele Regierende
       aus aller Welt – der Auftritt des autokratisch regierenden türkischen
       Präsidenten Erdoğan wird zum viel diskutierten Politikum.
       
       Im September 2020 beginnt in Paris der Prozess gegen 14 Personen, die
       indirekt an der Vorbereitung der Anschläge von 2015 beteiligt waren und mit
       den drei Terroristen kooperierten. Sie werden im Dezember [2][2020 zu hohen
       Gefängnisstrafen verurteilt]. Während der Verhandlungen attackiert ein
       Terrorist aus Pakistan zwei Personen vor dem Haus der früheren
       Redaktionsräume von Charlie Hebdo mit einem Messer. Sein Motiv soll Rache
       für Blasphemie durch Zeichnungen sein. Der Mann steht ab 6. Januar 2025 vor
       Gericht.
       
       Am 16. September 2024 beginnt der Prozess gegen den französischen
       Dschihadisten Peter Chérif. Er wird verdächtigt, das Attentat gegen Charlie
       Hebdo beauftragt zu haben. Wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung
       und auch einer Geiselnahme in Jemen wird er zu lebenslanger Haft
       verurteilt.
       
       Am 13. November 2015 töten Terroristen vor dem Stade de France, in Cafés in
       Paris und in dem Konzertsaal Bataclan insgesamt 130 Menschen und verletzen
       mehr als 400. Salah Abdeslam, der einzige direkt Beteiligte, der überlebt
       hat, wird im März 2018 wegen terroristischen Mordversuchs zu 20 Jahren Haft
       verurteilt.
       
       6 Jan 2025
       
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