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       # taz.de -- Bürgergeld-Populismus der CDU: Die Neidreflexe bedient
       
       > Der CDU-Generalsekretär will Bürgergeld-Empfänger*innen zur Arbeit
       > zwingen. Dass das verfängt, liegt auch an der verkorksten Politik der
       > Ampel.
       
   IMG Bild: Will den Schweriner Beschluss zum Bürgergeld gleich auf den Bund ausweiten: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann
       
       Das Bürgergeld eignet sich immer ganz hervorragend, um populistische
       Reflexe zu bedienen, und so ist es auch dieses Mal. Der CDU kommt im
       laufenden Wahlkampf ein Antrag aus dem Schweriner Stadtrat zupass. Dort
       beschloss man Mitte Dezember, dass Bürgergeldempfänger*innen
       Hilfsjobs annehmen müssen, ansonsten müssten sie Leistungskürzungen
       befürchten.
       
       Die Details sind noch weitgehend unklar, aber das hindert Generalsekretär
       Carsten Linnemann nicht daran, den Schweriner Beschluss via Bild gleich auf
       den Bund ausweiten zu wollen. Torsten Frei, parlamentarischer
       Geschäftsführer, sekundierte am Dienstag, das sei eine Frage der
       „Gerechtigkeit“.
       
       Gerechtigkeit ist tatsächlich das Stichwort. Die CDU betont schon länger,
       sie wolle Milliarden einsparen beim Bürgergeld – aber wie genau diese Summe
       zustande kommen soll, ist unklar. Laut Jobcenter-Daten gab es im
       vergangenen Jahr rund 1,7 Millionen erwerbsfähige
       Bürgergeldempfänger*innen. Allerdings weigerte sich nur ein
       Bruchteil gänzlich, irgendeine Arbeit anzunehmen. 2023 wurden deshalb in
       14.000 Fällen Sanktionen ausgesprochen. Den erwerbsunfähigen
       Bürgergeldempfänger*innen das Existenzminimum kürzen will selbst die
       Union nicht, und es wäre wohl auch ein Fall für das
       Bundesverfassungsgericht.
       
       ## Abstiegsangst ermöglicht Neiddebatte
       
       Aber es ist einfach, die Mär vom faulen Arbeitslosen zu bedienen. Und es
       funktioniert – vor allem dann, wenn die von Abstiegsangst geplagte
       Bevölkerung sowieso latent Panik hat: weil die Butter im Einkaufswagen
       gerade so teuer ist, weil man den Kindern einen Job bei VW oder Ford nicht
       mehr uneingeschränkt empfehlen kann. Und weil viele in schlecht entlohnten
       Jobs zudem das Gefühl haben, dass sie am Ende des Monats dennoch kaum mehr
       als Bürgergeldempfänger*innen zur Verfügung haben (tatsächlich
       beträgt der Abstand bei Single-Haushalten rund 500 Euro).
       
       Die Arbeitnehmervertreter in der Mindestlohnkommission wollten den
       Mindestlohn 2023 auf mindestens 13,50 Euro anheben. Sie wurden überstimmt,
       und auch die SPD in der Ampel konnte oder wollte ebenfalls keine größeren
       Sprünge machen.
       
       Immerhin: Im Wahlprogramm fordern die Sozialdemokrat*innen nun 15
       Euro. Und auch eine stärkere Besteuerung höherer Einkommen und Erbschaften
       – wer hat, der kann auch geben – steht noch immer auf den Wunschlisten von
       SPD und Grünen. Ob es dafür jedoch absehbar noch mal Mehrheiten in diesem
       Land gibt, ist ungewiss.
       
       Es ist einer linksgrünliberalen Regierung nicht gelungen, eine Politik
       gegen die Abstiegsangst zu machen. Deshalb kann man nun mit dem Bürgergeld
       so prima Populismus betreiben.
       
       7 Jan 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
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