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       # taz.de -- Anti-Schwarzer Rassismus: Unwissenheit als Strategie
       
       > Vor dem Landgericht geht der Prozess wegen des Mordes an William Chedjou
       > weiter. Der Tatverdächtige sagt aus – mit wenig Erkenntnisgewinn.
       
   IMG Bild: An der Stelle, wo der Ermordete verstarb, haben Hinterbliebene Kerzen angezündet
       
       Berlin taz | „Weiß ich nicht“, das hört man Donnerstag am häufigsten von
       Tolga E. Der 30-Jährige ist im Mordfall von William Chedjou angeklagt, sagt
       erstmals zu der Tat aus – und zeigt Reue. Er soll am Nachmittag des 11.
       Juli 2024 in Gesundbrunnen den damals 37-Jährigen Chedjou mit einem
       Messerstich in den Bauch ermordet haben. Bisher schwieg E. in dem Fall. Er
       sitzt seit mehr als einem halben Jahr in Untersuchungshaft.
       
       Nun, acht Monate nach der Tat, sagt er vor Gericht aus. [1][Am Tattag habe
       er sich mit seinem Vater in der Baufirma seines Bruders befunden]. Dieser
       soll mit seiner Familie in der Böttgerstraße – dem späteren Tatort –
       gewartet haben. E. sagt, sein Bruder habe ihn gefragt, ob er kommen könne,
       um ihn und die Familie abzuholen. „Ich kam nach 10-Minütiger fahrt am
       Tatort an, hörte lautes Geschrei und sah drei Schwarze Männer auf der
       anderen Straßenseite stehen“, sagt E. am Donnerstag im Gerichtssaal.
       
       „Ich habe auch noch Beleidigungen gehört, aber kann mich nicht erinnern,
       von wem, und welche das waren“, sagt er. Sein Vater, der Beifahrer, sei als
       erstes ausgestiegen, er sei zu den Männern gegangen und habe versucht, die
       Situation zu beruhigen. „Sie sind sehr aggressiv und laut gewesen“, sagt E.
       Daraufhin sei auch E. selbst ausgestiegen und habe sich zu seinem Vater
       gestellt. „Ich sagte seid ruhig und hört dem alten Mann zu“, bekundet E. im
       Gerichtssaal.
       
       Im Anschluss kam es laut E. zu einer „komischen Situation“, er kann sich
       nicht mehr erinnern, ob er zuerst geschubst oder geschlagen wurde, sagt er.
       „Ich habe mich nur ein paar Sekunden lang umgedreht und habe dann Schreie
       gehört und gesehen wie mein Vater zu Boden gefallen ist“, erklärt er.
       Daraufhin habe er aus Panik und Angst zugestochen.
       
       ## Keine Angaben bezüglich Tatwaffe
       
       Videoaufnahmen zeigen, dass William Chedjou daraufhin anfing, stark zu
       bluten und zu Boden ging. Auf die vielen Nachfragen seitens des Richters
       und der Staatsanwaltschaft hatte der Angeklagt am Donnerstag keine Antwort
       parat. Woher kam das Messer? Trägt er es sonst auch immer bei sich? Wieso
       braucht man auf einer normalen Baustelle ein so langes und scharfes Messer?
       Wo hat er das Messer gekauft? Wieso sticht er zu, wenn er nur Schreie hört,
       die er nicht einmal zuordnen kann? Alle diese Fragen ließ E. unbeantwortet.
       
       Als der Richter Videoaufnahmen von der Tat zeigt, muss die Verhandlung kurz
       unterbrochen werden. Die Mutter des Ermordeten bricht unter in Tränen
       zusammen und läuft Richtung E. Der Prozess fand mit viel Publikum
       hauptsächlich aus der Schwarzen Community statt. Viele sehen in dem
       [2][Fall Anti-Schwarzen Rassismus.] Der Vorwurf: Niemals würde jemand gegen
       eine weiße Person so schnell so brutal reagieren.
       
       Am Ende seiner Aussage wendet sich der Angeklagte direkt an Chedjous Mutter
       und dessen Lebensgefährtin: „Ich schäme mich für meine Tat. Ich bereue
       meine Tat und hoffe sehr, dass sie mir eines Tages vergeben können“, sagt
       E.
       
       9 Jan 2025
       
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