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       # taz.de -- Deutsche Konzerne in China: Die Chamäleon-Strategie
       
       > Wer auf dem chinesischen Markt eine Chance haben will, muss sich
       > assimilieren – und vom Westen isolieren. Deutsche Unternehmen gehen einen
       > gefährlichen Weg.
       
   IMG Bild: Immerhin: Das Markenlogo der Wolfsburger ist auf dem neuem ID.3 des Joint Ventures SAIC-VW noch zu sehen
       
       Seoul taz | Für Volkswagen hat die Entkopplung vor etwas mehr als einem
       Jahr begonnen. Damals eröffnete der Autobauer im chinesischen Hefei sein
       größtes Entwicklungszentrum außerhalb Deutschlands. „In China für China“,
       pries CEO Ralf Brandstätter die vorgegebene Kursrichtung. Um weiterhin
       konkurrenzfähig zu bleiben, hieß es, müsse man sich in der Volksrepublik
       autonomer machen. Wolfsburg schien bei der Werkseröffnung weit entfernt.
       Und nicht wenige Journalisten scherzten bei dem Termin: Ist Volkswagen
       überhaupt noch eine deutsche Firma, oder bereits im Reich der Mitte daheim?
       
       „Die auffälligste Entwicklung ist die hohe Zahl an Unternehmen, die uns
       sagen, dass sie das Gefühl haben, zunehmend von ihren Zentralen abgetrennt
       zu werden“, sagt Jens Eskelund, Präsident der europäischen Handelskammer
       anlässlich der Vorstellung einer aktuellen Umfrage unter Firmen. „Dass sich
       Tochtergesellschaften europäischer Unternehmen in China zunehmend als
       völlig autonome Einheiten fühlen, dass es nur eine formale Verbindung mit
       der Zentrale gibt.“
       
       In einer neuen Publikation ist die Handelskammer diesem Trend nachgegangen.
       Darin zeigt die [1][Wirtschaftsvertretung auf, wie stark sich die Konzerne
       mittlerweile an dem chinesischen Markt assimilieren] und vom Rest der Welt
       abkoppeln müssen. Und bei immer mehr Konzernen geschieht das nicht aus
       ökonomischen Interessen, sondern auch unter politischem Druck: Ein Drittel
       der befragten Firmen gab an, dass sie sich aus regulatorischen Hürden
       weiter anpassen müssen, ein weiteres Viertel aus Angst vor geopolitischen
       Risiken.
       
       Besonders deutlich wird das [2][bei kritischer Infrastruktur], wobei
       nationale Sicherheit in China extrem weit gefasst wird. Westliche Banken
       sind in China laut Eskelund praktisch nicht mehr von chinesischen zu
       unterscheiden.
       
       ## Eigene Spielregeln
       
       Auch im Automobilsektor müssen die Firmen ihre eigenen IT-Infrastrukturen
       im Reich der Mitte aufbauen. Ebenfalls hat China eigene Spielregeln bei der
       Arznei- oder Lebensmittelsicherheit. Oft lassen sich diese kaum inhaltlich
       rechtfertigen – etwa, wenn US-amerikanischen Pharmaunternehmen zusätzliche
       Tests und Zertifizierungen abverlangt werden, wo doch die Bestimmungen auf
       dem US-Markt als internationaler Goldstandard gelten. Regeln werden so vom
       chinesischen Ein-Parteien-Staat als wirtschaftliches Machtmittel
       eingesetzt, um ausländische Firmen gegenüber heimischen Staatsbetrieben zu
       benachteiligen.
       
       Hinzu kommt: Die Firmen stehen immer mehr unter Druck, vor allem
       chinesische Produkte für ihre eigene Lieferkette zu beschaffen, um
       erforderliche Auflagen zu erfüllen. Hintergrund ist, dass Staatschef Xi
       Jinping seine Volkswirtschaft autarker gestalten möchte – auch, um
       möglichst wenig angreifbar für westliche Sanktionen zu sein. [3][Donald
       Trump als künftiger US-Präsident] dürfte diese Entwicklung weiter
       beschleunigen.
       
       ## Vorsicht: Isolation!
       
       Die zunehmende Anpassung an den chinesischen Markt sei in eine
       unfreiwillige Isolation gekippt, befindet die EU-Handelskammer. „Das ist
       nicht etwas, was Unternehmen tun, weil sie ihren Betrieb optimieren, die
       Kosten senken oder neue Verbraucher erreichen möchten. Sie tun es, weil sie
       das Gefühl haben, es tun zu müssen“, sagt Eskelund.
       
       Eine starke Präsenz in China wird für europäische Firmen zunehmend zur
       Bürde. „[4][Vor Covid war China unter unseren Unternehmen ziemlich
       unangefochten das wichtigste Investitionsziel]. Mittlerweile haben wir eine
       Erosion festgestellt“, sagt Eskelund. China sei mittlerweile nur noch unter
       den Top 5 – Tendenz weiter sinkend.
       
       10 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.europeanchamber.com.cn/en/press-releases/3682/european_chamber_warns_of_high_costs_of_siloing_operations_in_china
   DIR [2] /Gasturbinen-von-MAN/!6021484
   DIR [3] /China-als-Feindbild/!6059228
   DIR [4] /!5984643&s=investitionen+in+china&SuchRahmen=Print/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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