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       # taz.de -- DVD „Kill“ von Nikhil Nagesh Bhat: Die Kamera schneidet messerscharf mit
       
       > Heimliche Liebe und indischer Action-Splatter: in „Kill“ erzählt
       > Regisseur Nikhil Nagesh Bhat ganz ohne Singen und Tanzen über einen
       > Überfall im Zug.
       
   IMG Bild: Unterwegs im Zug mit dem indischen Action-Splatter „Kill“
       
       Als Content Warning und zur Genre-Einordnung gleich dies: Kein Knochen
       bleibt in diesem Film ungebrochen, das ein und andere Genick erwischt es
       auch. Der ganze Film ein Hauen und Stechen, ein Action-Splatter, wie es der
       Titel „Kill“ schon verspricht. Harmlos genug geht es los, ganz wie im
       Bollywood-Kino-Klischee.
       
       Eine heimliche, jedenfalls vor den Eltern verborgene Liebe verbindet Tulika
       (Tany Maniktala) aus einflussreicher Familie und den Elitesoldaten Amrit
       (Lakshya). Nur widerwillig und mit dem Hintergedanken an ihre eigentliche
       Verlobung fügt sich Tulika in die Verlobung mit einem Fremden, den ihre
       Eltern für sie ausgesucht haben. Man feiert und im Zug geht es dann mit der
       ganzen Familie nach Hause zurück.
       
       Im selben Zug aber sitzt Amrit, die beiden verschlingen einander auf der
       Toilette mit Blicken. Alles scheint auf den Weg gebracht für eine
       Liebesgeschichte. Es sind jedoch noch andere Gäste an Bord: eine Gruppe bis
       an die Zähne mit Messern bewaffneter Banditen, die die Passagiere ausrauben
       wollen. Das klappt, bis sie an Tulikas Familie geraten. Bald bekommen sie
       es mit Amrit und seinem Elitesoldaten-Best-Buddy Viresh (Abishek Chauhan)
       zu tun, die schon von Berufs wegen im Hauen und Stechen und Knochenbrechen
       geübt sind.
       
       ## Enthemmter Blutrausch
       
       Die Räume sind eng, es ist ein Zug der schmalen Gänge, die von Abteilen mit
       Vorhang gesäumt sind. Eine ganze Weile geht es zur Sache, bis etwas
       passiert, das vermutlich auch den hartgesottenen Kenner des Genres durchaus
       überrascht: eine narrative Entgleisung, die nicht zuletzt durch die nun
       erst, nach einer runden Dreiviertelstunde erfolgende Titel-Einblendung
       markiert wird: „KILL“ steht im kurz eingefrorenen Bild. Der Rest ist nicht
       Schweigen, sondern ein alle Beteiligten zusehends enthemmender Blutrausch.
       
       Action in Zügen, das ist im Kino eine alte Geschichte. Mit dem Zwölfminüter
       „The Great Train Robbery“, einem der ersten Western überhaupt, ging es 1903
       im Stummfilm schon los. Zuletzt hat etwa [1][Bong Joon-ho mit „Snowpiercer“
       (2013)], seiner Verfilmung eines französischen Comics, eine
       postapokalyptische Klassenkampf-Story zum im rasenden Zug spielenden
       Thrillride gemacht. In [2][David Leitchs so brutalem wie komisch gemeinten
       „Bullet Train“ (2022)] verhackstückt Brad Pitt als Profikiller Ladybug den
       einen und anderen Co-Passagier des Shinkansen (der aus der japanischen
       Romanvorlage stammt).
       
       „Kill“ dagegen hat letztlich weder an Klassenkampf-Allegorien noch an Komik
       viel Interesse. Auch nicht am Masala-Bollywood-Drama. „Du bist hier nicht
       Amitabh Bachchan in „Mohabbatein“, sagt eine der Figuren einmal, in
       Anspielung auf eine grandiose Schnulze, bei der Karan Johan Regie geführt
       hat, einer der Großen im Hindi-Kommerzfilm, der nun auch „Kill“
       koproduziert hat.
       
       ## Kein Singen und Tanzen
       
       Das kann man wohl sagen, denn gesungen und getanzt wird in diesem Film
       nicht. Die Gewalt ist roh, aus Körpern wird Matsch, das Hackebeil fliegt,
       die Kamera schneidet messerscharf mit.
       
       Dabei spielt den finstersten und gelenkigsten der Gegenspieler Amrits sogar
       ein Tänzer, Raghav Juyal, in Indien ausgerechnet für seinen extravaganten
       Slow Motion Dance prominent. Hier aber nichts mit Slow Motion, die
       Darsteller haben sich vor dem Dreh in Mixed Martial Arts fortgebildet, die
       Kämpfe in Gängen sind dementsprechend extrarasant.
       
       Regisseur und Drehbuchautor Nikhil Nagesh Bhat erzählt, die Sache gehe auf
       einen Überfall im Zug zurück, den er selbst vor dreißig Jahren erlebte.
       Schön, dass er die Welt nun so eindrücklich an seiner Traumabearbeitung
       teilhaben lässt. Und ob man nun immer hinschauen mag oder nicht: Für den
       Hindi-Kommerzfilm ist „Kill“ in seiner Fixierung auf stumpfe Gewalt etwas,
       das es so noch nicht gab.
       
       18 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ekkehard Knörer
       
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