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       # taz.de -- taz-adventskalender „24 stunden“ (20): 20 Uhr im Waschsalon
       
       > Im „Wash and Dry“ in Neukölln ist am Abend noch reger Betrieb. Freiwillig
       > ist keine*r hier: es ist teuer, langweilig und manchmal wird Wäsche
       > geklaut.
       
   IMG Bild: Waschsalon ohne Kund*innen: während der Pandemie durfte auch nicht mehr gewaschen werden
       
       Stressig und chillig, hässlich und schön, herzerwärmend und abstoßend:
       Berlin hat viele Seiten, rund um die Uhr. In diesem Advent hangeln wir uns
       durch 24 Stunden Hauptstadtleben und verstecken jeden Tag aufs Neue 60
       Minuten Berlin hinter unserem [1][taz-berlin-Kalendertürchen]. Heute: ab 20
       Uhr im Waschsalon in Neukölln. 
       
       Elf Waschmaschinen und acht Trockner rahmen den sterilen, grell
       erleuchteten Raum. In der Mitte des Salons steht ein langer Holztisch, an
       dessen Ende eine gepolsterte Holzbank. Darauf: Ali*.
       
       Zweimal die Woche kommt Ali zum Wäschewaschen in den Salon „Wash and Dry“
       in der Mainzer Straße in Neukölln. Seit einem halben Jahr ist die
       Gemeinschaftswaschmaschine in seinem Haus kaputt. „Der Vermieter kümmert
       sich seit Monaten nicht, wir haben alles versucht“, erzählt er. Lieber
       würde er zu Hause waschen – sowohl aus Aufwands- als auch Kostengründen.
       
       „Hier ist es teuer“, findet er. Zu Hause koste eine Wäsche nur 3 Euro. Im
       „Wash and Dry“ werden 4,20 Euro fällig, um 7 Kilogramm 28 Minuten lang bei
       30 Grad durch die Maschine zu jagen. Je wärmer, desto teurer. Für 16 Kilo
       werden mindestens 10 Euro fällig, Waschmittel kostet 50 Cent extra,
       Weichspüler 30. Das verrät der Automat neben dem Eingang, an dem das
       gewünschte Programm ausgewählt werden kann.
       
       Ali, der noch 25 Minuten auf seine Wäsche warten muss, lümmelt auf der Bank
       und scrollt durch sein Handy. Das Entertainment-Programm des Waschsalons
       ist ausbaufähig: Aus dem Lautsprecher an der Decke schallen abwechselnd
       Weihnachtslieder, Blitzermeldungen oder Nachrichten. Im Hintergrund klopft
       sanft der Trockner Nummer 3. Immerhin gibt es einen Snackautomaten, an dem
       Kund*innen sich mit Red Bull, Twix, Capri-Sonne und anderen Schweinereien
       die Zeit vertreiben können.
       
       Ob er hier mal Leute kennenlerne, will ich von Ali wissen. Der
       [2][Waschsalon als Begegnungsort] und so. „Manchmal helfe ich anderen, weil
       sie kein Deutsch sprechen und nicht wissen, wie sie die Maschinen
       bedienen“, erzählt er.
       
       ## Viele Kund*innen
       
       Am Wochenende sei der Salon, der täglich von 7 bis 22 Uhr geöffnet ist,
       häufig so voll, dass er ewig auf eine freie Maschine warten müsse – [3][und
       das, obwohl laut Statista rund 96 Prozent der Bundesbürger*innen eine
       Waschmaschine besitzen]. Dennoch gibt es in Deutschland bis zu 1.000
       Waschsalons, so eine Schätzung des Verbands der Waschcenter-Betreiber.
       
       Nicht alle folgen noch dem klassischen Konzept. Der „Waschsalon 115“ in
       Mitte etwa verbindet Waschort mit Café, in dem Paninis, Cappuccino und
       Orangensaft in Wohnzimmer-Ambiente angeboten werden. Parallel dazu wächst
       der Markt für Online-Wäschedienste, die die Wäsche bei den Kund*innen zu
       Hause abholen, reinigen und zurückliefern.
       
       Kurz nach 20 Uhr betritt ein Mann mit blond gefärbten Haaren, Kopfhörern
       und riesigem schwarzen Schalenkoffer den Salon. Er wirft Bettwäsche und
       Handtücher in Maschine 1, Pullover und Unterwäsche in Maschine 2. Während
       Ali seine Zeit absitzt, verlässt er entschlossen den Salon. Ali schüttelt
       den Kopf: „Ich warte immer“, sagt er. Denn die Wäsche werde häufig geklaut.
       „Du weißt ja“, sagt er verschwörerisch, die sind hemmungslos geworden.“
       
       *Name von der Redaktion geändert
       
       20 Dec 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Lilly Schröder
       
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