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       # taz.de -- Meduza-Auswahl 12. – 18. Dezember: Rekrutierung von Soldaten? Bitte nicht in Moskau!
       
       > Weil im Raum Moskau höhere Rekrutierungsprämien gezahlt werden, melden
       > sich Kampfwillige vermehrt dort beim Militär. Deswegen steuert die Stadt
       > nun gegen.
       
   IMG Bild: Ein Werbeplakat der Russischen Armee in Moskau
       
       Das [1][russisch]- und [2][englischsprachige] Portal Meduza zählt zu den
       wichtigsten unabhängigen russischen Medien. [3][Im Januar 2023 wurde Meduza
       in Russland komplett verboten]. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme
       gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter
       taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber
       Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der [4][taz Panter Stiftung]
       gefördert. 
       
       In der Woche vom 12. bis zum 18. Dezember 2024 berichtete Meduza unter
       anderem über folgende Themen: 
       
       ## Ohne Russischkenntnisse kein Schulbesuch
       
       Kürzlich stimmte die russische Staatsduma dafür, dass Kinder von
       Migrantinnen und Migranten einen Russischtest ablegen müssen, bevor sie in
       die Schule aufgenommen werden können. Die neue Regelung, die im April 2025
       in Kraft treten wird, könnte nach Berechnungen der Journalisten von
       iStories bis zu einem Prozent der Schulkinder des Landes das Recht auf
       Bildung verwehren. Meduza [5][veröffentlicht eine Übersetzung ihres
       Berichts] über die möglichen Folgen des neuen Gesetzes auf Englisch.
       
       Das neue Gesetz schaffe Hindernisse für den Zugang zu Bildung und die
       künftige erfolgreiche Integration der Kinder, sagt Irina Abankina,
       Direktorin des Instituts für Bildungsentwicklung an der Moskauer Higher
       School of Economics.
       
       Die Russland-Direktorin von Amnesty International, Natalia Zviagina,
       reagiert mit einer noch schärferen Erklärung: „Dieses Gesetz verstößt nicht
       nur eklatant gegen internationales Recht, an das Russland gebunden ist,
       sondern auch gegen die eigene Verfassung des Landes, die Diskriminierung
       verbietet und jedem das Recht auf kostenlose Schulbildung garantiert.“
       
       Die genaue Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund in Russland ist nicht
       bekannt. In den vergangenen drei Jahren hat das Bildungsministerium jedoch
       Daten über Schüler:innen mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder
       staatenlose Schüler:innen gesammelt. Im Jahr 2023 gab es 178.000 solcher
       Kinder in russischen Schulen, was etwa einem Prozent aller Schüler:innen
       entspricht.
       
       ## Weniger Militärwerbung im Moskauer Raum
       
       Die Moskauer Behörden haben die Werbung für den Vertragsdienst im Militär
       zurückgefahren, insbesondere an den Rekrutierungskiosken in U-Bahnhöfen,
       Bahnhöfen und auf den Straßen. Auch die Zahl der Plakate und Poster, die
       für den Dienst in der „besonderen Militäroperation“ – wie der Kreml seinen
       Krieg gegen die Ukraine nennt – werben, ist zurückgegangen.
       
       Kreml-Insider sagen, dass die auffälligen Anzeigen der Stadt viele Rekruten
       anzogen. Die kommen aber gar nicht aus Moskau, sondern aus anderen Regionen
       – und melden sich in Moskau, da sie dort höhere Anmeldeprämien erhalten.
       Das führt wiederum dazu, dass andere Regionen Schwierigkeiten haben, ihre
       Quoten zu erfüllen. [6][Meduza sprach mit Regierungsvertretern], um zu
       erfahren, was hinter den Veränderungen steckt (englischer Text).
       
       Ein Beamter der Stadtverwaltung bestätigte die Reduzierung der
       Rekrutierungsbemühungen: Es gebe bereits genug Leute, die an die Front
       geschickt werden. Quellen, die Putins Regierung nahestehen, gaben ähnliche
       Erklärungen ab: „Es gibt genug Rekruten“, sagt einer. Es gehe außerdem
       nicht nur darum, Leute zu rekrutieren – man müsse sie auch bewaffnen
       können.
       
       Auf Moskau und die umliegende Region entfallen rund 20 Prozent aller
       russischen Vertragssoldaten, die an der Front eingesetzt werden. Die
       meisten dieser Männer stammen jedoch aus anderen Teilen Russlands, da für
       die Rekrutierung kein Nachweis des Wohnsitzes erforderlich ist. Viele von
       ihnen werden durch die beträchtlichen Einberufungsprämien angelockt: 1,9
       Millionen Rubel (ca. 18.300 US-Dollar) in Moskau und 2,3 Millionen Rubel
       (ca. 22.200 US-Dollar) in der Region Moskau. In anderen Regionen wird
       weniger geboten.
       
       Gleichzeitig hat das russische Militär zunehmend mit Ausrüstungsengpässen
       zu kämpfen. Bisher wurden die Verluste an Waffen durch den Rückgriff auf
       Bestände aus der Sowjetzeit ausgeglichen. Satellitenbilder zeigen jedoch,
       dass diese Reserven nach drei Kriegsjahren nahezu aufgebraucht sind.
       
       ## Wer war der getötete General Kirillov?
       
       Igor Kirillov, Leiter der Russlands Strahlen-, chemischen und biologischen
       Verteidigungskräfte, wurde in Moskau getötet. Er kam in der Nähe eines
       Hauses am Rjasanskij Prospekt ums Leben, als eine an einem Motorroller
       befestigte Bombe explodierte. [7][Meduza fasst die wichtige biografischen
       Daten von Kirillov zusammen] – sowie seine Aussagen im Zusammenhang mit dem
       Krieg in der Ukraine (russischer Text).
       
       Seit dem Ausbruch des Krieges im Februar 2022 hat Kirillov regelmäßig
       Briefings abgehalten, in denen er die USA und die Ukraine beschuldigte,
       „biologische Waffen“ einzusetzen, die in Biolabors in Kyjiw hergestellt
       worden seien. Kirillov wurde von der Ukraine und dem Vereinigten Königreich
       mit Sanktionen belegt.
       
       Die Zeitung Ukrayinska Pravda, der russische Dienst der BBC sowie Reuters
       zitierten eine Quelle in den Sicherheitsdiensten. Die erklärte, dass die
       Tötung Kirillovs eine spezielle Operation des Ukrainisches
       Sicherheistdinestes (SBU) gewesen sei. „Kirillow war ein Kriegsverbrecher
       und ein völlig legitimes Ziel, weil er den Befehl zum Einsatz verbotener
       chemischer Waffen gegen das ukrainische Militär gegeben hatte“, so die
       Quelle.
       
       ## Wie steht es um Russlands Wirtschaft – und Währung?
       
       Ende des Jahres erlebte die russische Regierung eine unangenehme
       Überraschung: Die Inflation begann sich plötzlich zu beschleunigen und lag
       deutlich über den Prognosen. Der Dollar stieg deutlich an. Die Zentralbank
       sah sich gezwungen, den Leitzins auf ein Rekordniveau in der jüngeren
       Geschichte anzuheben. Das sorgt bei den Unternehmen für Unzufriedenheit.
       Gleichzeitig beharrt Wladimir Putin darauf, dass die Versuche „der
       westlichen Länder, Russland eine strategische Niederlage an der
       Wirtschaftsfront zuzufügen“, gescheitert seien. [8][Meduza erklärt, was in
       der russischen Wirtschaft im Jahr 2024 tatsächlich geschah und welche
       Prognosen für 2025 getroffen werden können] (russischer Text).
       
       Für die Prognosen ist auch der weltweite Rohstoffmarkt relevant: Der
       künftige US-Präsident Donald Trump will diese erhöhen. Die Regierungen von
       Brasilien und Kanada haben die gleichen Absichten. Unter sonst gleichen
       Bedingungen wird dies den Angebotsüberschuss erhöhen, der Preis für
       Rohstoffe wird also allmählich sinken. Wenn ein Barrel der Sorte Brent
       derzeit mit 75 US-Dollar gehandelt wird, wird der Preis im nächsten Jahr
       wohl unter 70 US-Dollar fallen, so die US-amerikanische Geschäftsbank J.P.
       Morgan. Einigen Schätzungen zufolge könnte er aber auch auf 40 US-Dollar
       fallen.
       
       Wirtschaftswissenschaftler sprechen deswegen zunehmend von Stagflation.
       Dabei handelt es sich um eine Situation, in der eine hohe Inflation von
       einer Rezession, also einem Rückgang der Wirtschaftstätigkeit, begleitet
       wird.
       
       18 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://meduza.io
   DIR [2] https://meduza.io/en
   DIR [3] /Russische-Medien-im-Exil/!5911767
   DIR [4] /!v=4269299f-23bb-40f2-a4ea-2b1b1ae40192/
   DIR [5] https://meduza.io/en/feature/2024/12/17/another-right-denied
   DIR [6] https://meduza.io/en/feature/2024/12/16/commercial-mobilization
   DIR [7] https://meduza.io/feature/2024/12/17/v-moskve-ubit-nachalnik-voysk-radiatsionnoy-himicheskoy-i-biologicheskoy-zaschity-igor-kirillov-glavnoe
   DIR [8] https://meduza.io/feature/2024/12/17/sanktsii-vse-esche-opasny-prognozy-teryayut-smysl-buduschee-tumanno
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tigran Petrosyan
       
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