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       # taz.de -- Keine Konsequenzen für Rechtsbruch: Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
       
       > Ob Eigenbedarf oder Wuchermiete: Vermieter brechen systematisch Gesetze.
       > Manchmal wird der Rechtsbruch aufgehalten. Strafen erhalten sie nie.
       
   IMG Bild: Mindestens ein Verbrecher im Raum
       
       Als fast schon revolutionär gilt die Entscheidung einer Kammer des Berliner
       Landgerichts, [1][im Fall einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung dem
       geprellten Alt-Mieter den Gewinn aus der neuen, höheren Miete
       zuzugestehen]. Das Kalkül des Vermieters, aus dem Rechtsbruch Profit zu
       schlagen, eine Praxis, die in Städten wie Berlin ein Massenphänomen ist,
       wird damit durchkreuzt – zum ersten Mal überhaupt.
       
       Bislang nämlich lief es so: Vermieter:innen vertreiben Menschen aus
       ihrem Zuhause, indem sie ihnen die unbefristeten Mietverträge unter
       Vortäuschung falscher Tatsachen kündigen – und sie kommen damit immer
       durch. In den allermeisten Fällen fehlt den betroffenen Mieter:innen
       schlicht die Energie für einen wenig aussichtsreichen Rechtsstreit, oder
       sie werden mit Vergleichen ruhiggestellt. In seltenen Fällen erkämpfen sie
       sich einen überschaubaren Schadensersatz.
       
       Die Profite der Vermieter:innen blieben dagegen stets unangetastet, die
       für die neuen Mieter:innen erhöhte Miete blieb ihr Gewinn für das
       begangene Unrecht. Vermieter sein heißt Recht brechen, straffrei
       davonkommen und abkassieren. Das gilt im Fall von Eigenbedarfskündigungen
       wie auch in allen anderen Fällen von Vermieter-Unrecht. Vor dem Gesetz sind
       alle gleich? Vermieter sind gleicher.
       
       Auch das neue, gefeierte Urteil, das womöglich nie zur gängigen obersten
       Rechtsprechung werden wird, ändert bei genauerer Betrachtung kaum etwas an
       diesem Zustand. Denn das Abtreten des zusätzlichen Mietprofits ist im
       eigentlichen Sinne keine Strafe. Das Ergebnis des Rechtsbruchs für die
       Vermieter:innen ist, dass alles bleibt, wie es war. Welcher
       Gesetzesbrecher würde sich nach einem solchen Urteil nicht die Finger
       lecken!
       
       ## Logik der Nicht-Bestrafung
       
       Die Logik der Nicht-Bestrafung zieht sich für Vermieter:innen durch.
       Brechen sie – und das tun sie systematisch – die Mietpreisbremse, erhöhen
       die Miete bei Wiedervermietung also unzulässig, haben sie nichts zu
       befürchten. Wehren sich die Mieter:innen nicht, streichen sie den
       betrügerischen Extraprofit ein; wehren sich ihre Opfer, wird die Miete eben
       wieder auf das zulässige Niveau abgesenkt. Der Versuch ist es wert. Eine
       Strafe für den begangenen Betrug? Fehlanzeige.
       
       Vermieter:innen, die es mit ihrer Gier bei ihrer Mietforderung noch mehr
       übertreiben, machen sich des Mietwuchers schuldig – auch das ist kein
       Einzelphänomen. Der Mietwucherrechner der Linken ermittelte zuletzt in 75
       Prozent von 10.000 Berechnungen einen entsprechenden Verdacht. Und was
       müssen Vermieter:innen fürchten? Nichts – denn das Recht schützt sie,
       indem Mieter:innen die absurde Aufgabe zukommt nachzuweisen, dass ihr
       Vermieter die Situation der Knappheit vergleichbarer Wohnungen mutwillig
       ausgenutzt habe. Verurteilungen gibt es deshalb so gut wie keine.
       
       Die Liste an Beispielen, wie Vermieter:innen gegen Gesetze verstoßen,
       ist ellenlang: verbotene Sanierungsmaßnahmen, unerlaubter Leerstand,
       [2][nicht genehmigte Vermietung als Ferienwohnung], [3][Abzocke mit
       Möblierung], unbegründete Befristungen, Einbehalten der Kaution,
       Vernachlässigung von Häusern und Wohnungen oder gar Sabotage, um
       Mieter:innen zu vertreiben.
       
       ## Vermieter abmahnen
       
       Gang und gäbe ist auch der Betrug mit Nebenkostenabrechnungen. Diese sind
       massenweise fehlerhaft, fallen aber nie zu niedrig, sondern stets zu hoch
       aus. Glück haben diejenigen Mieter:innen, die sich wehren können und am
       Ende nur für ihren tatsächlichen Verbrauch zahlen. Während das
       Fehlverhalten der Vermieter:innen folgenlos bleibt, führen schon die
       kleinsten, auch unbeabsichtigten Fehler von Mieter:innen zur Abmahnung
       bis hin zur Kündigung.
       
       Diese strukturelle Bevorteilung der besitzenden Klasse – vom Gesetzgeber so
       gewollt und von den meisten Gerichten exekutiert – ist einem
       rechtsstaatlichen System unwürdig. Wenn Vermieter:innen fehlerhafte
       Abrechnungen vorlegen oder Reparaturen hinauszögern, gehören auch sie
       abgemahnt. Wenn sie Gesetze brechen, gehören sie bestraft.
       
       Wer sich der Vermietung von Wohnraum und damit den Pflichten des Eigentums
       als unwürdig erweist, muss in Konsequenz auch die freie Hand bei der
       Vermietung bis hin zum Recht am Eigentum verlieren können.
       
       20 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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