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       # taz.de -- Kommunalpolitikerin über Bezahlkarten: „Stimmt, 50 Euro sind zu wenig“
       
       > Brandenburg führt die Bezahlkarte ein, die Landeshauptstadt Potsdam aber
       > nicht. Eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung erklärt, wie das sein kann.
       
   IMG Bild: So sieht die Bezahlkarte für Geflüchtete in Brandenburg aus
       
       taz: Frau Meier, Brandenburg führt die Bezahlkarte ein – Potsdam aber
       nicht. Warum? 
       
       Brigitte Meier: Auch, wenn die Bezahlkarte dem Ministerpräsidenten ein
       großes Anliegen war: Politisch waren wir von Anfang an skeptisch. Vielmehr
       ist es Teil von Integration, dass Geflüchtete ein eigenes Konto haben und
       über ihr Geld selbst verfügen können.
       
       taz: Trotzdem hat die Stadtverwaltung eine Vorlage für die Bezahlkarte
       eingebracht. 
       
       Meier: Ja. Aus einem einzigen Grund: Einheitliches Verwaltungshandeln ist
       ein Grundprinzip der Exekutive, beim Vollzug von Bundesgesetzen muss das
       bundesweit angestrebt werden. Wir haben die Vorlage im Herbst eingebracht,
       da hieß es, Ziel sei, dass alle Bundesländer flächendeckend die Bezahlkarte
       einheitlich umsetzen. Aber es hat sich abgezeichnet, dass wir im
       Stadtparlament keine politische Mehrheit dafür haben – außer mit den
       Stimmen der AfD, und mit deren Stimmen führe ich keine Bezahlkarte ein.
       
       taz: Daran ist es gescheitert? 
       
       Meier: Ja, aber zugleich hat sich gezeigt, dass diese Einheitlichkeit
       bundesweit nicht zu Stande kommt. Bayern hat gar nicht erst auf die
       bundeseinheitliche Regelung gewartet, sondern seine eigene, sehr
       restriktive Karte eingeführt. Der Brandenburger Landkreis Märkisch-Oderland
       hat im gleichen Sinne nachgezogen. Unser großer Nachbar Berlin schlägt
       einen ganz eigenen Weg sein. Warum also nicht auch wir? Darum haben wir die
       Vorlage zurückgezogen. Zumal ich nicht glaube, dass auch nur ein
       Geflüchteter weniger nach Deutschland kommt, weil es Bezahlkarten gibt.
       
       taz: Kritiker*innen sagen, die 50 Euro in bar seien zu wenig, etwa für
       den Einkauf auf dem Markt oder für Schulausflüge. Und manches geht nicht
       ohne Überweisung. 
       
       Meier: Stimmt, 50 Euro sind meines Erachtens zu wenig. Ich war in der
       Landesarbeitsgruppe, die die Bezahlkarte für Brandenburg ausgearbeitet hat.
       Wenn sie schon kommt, wollte ich dazu beitragen, das Schlimmste zu
       verhindern. Es gibt jetzt eine „Black List“ und eine „White List“ für
       Überweisungen.
       
       taz: Was steht da auf welcher Liste? 
       
       Meier: Möglich sind etwa Überweisungen für Sportvereine, das
       Deutschlandticket oder Handyverträge. Auf der Blacklist stehen
       Überweisungen ins Ausland, die gängigen Spielportale oder Onlinemartkplätze
       wie Amazon.
       
       taz: Warum sollen Geflüchtete nicht bei Amazon einkaufen dürfen? 
       
       Meier: Das habe ich auch bis heute nicht verstanden.
       
       taz: Die Karte soll Überweisungen an Schleuser verhindern. Ist das in
       Potsdam ein bekanntes Problem? 
       
       Meier: Wir überprüfen nur kursorisch, wohin die Menschen überweisen. Aber
       ich kann nicht sagen, dass das jemals als Problem aufgefallen ist.
       
       taz: Wie geht es jetzt weiter? 
       
       Meier: Wir führen keine Bezahlkarte ein – außer, es kommt doch noch eine
       Weisung des Landes, wie in anderen Bundesländern auch. Die haben wir bei
       der Landesregierung angemahnt.
       
       taz: Sie wollen, dass das Land Sie anweist, die Karte einzuführen – obwohl
       Sie sie inhaltlich ablehnen? 
       
       Meier: Unser Oberbürgermeister Mike Schubert ist im Präsidium des deutschen
       Städtetags, der solche Weisungen klar gefordert hat – eben wegen des
       einheitlichen Verwaltungshandelns. Wenn es der politische Wille der Länder
       ist, ein solche Bezahlkarte einzuführen, dann muss der Grundsatz eines
       möglichen einheitlichen Verwaltungshandeln beim Vollzug eines
       Bundesgesetzes eingehalten werden. Meines Erachtens aber dann möglichst so
       liberal, dass sie auch Bestand hat. Zuletzt wurden einige Einschränkungen
       zumindest für bestimmte Gruppen ja vor verschiedenen Gerichten gekippt.
       
       22 Dec 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dinah Riese
       
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