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       # taz.de -- Amerika-Gerichtshof verurteilt Kolumbien: U'wa-Indigene bekommen mehr Rechte für ihr Land
       
       > Kolumbien darf das Land der U'wa nicht einfach so für Tourismus und
       > Bergbau öffnen. Das sagt der Interamerikanische Gerichtshof für
       > Menschenrechte.
       
   IMG Bild: Der Konzern Ecopetrol bohrt auf indigenem Land
       
       Berlin taz | Es ist ein [1][historisches Urteil] nach mehr als 20 Jahren:
       Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (Corte IDH) hat den
       kolumbianischen Staat verurteilt. Er hat die Menschenrechte der
       [2][indigenen] U’wa mit Füßen getreten – und muss das wiedergutmachen.
       
       Mit dem am Freitag veröffentlichten Urteil, das im Juli erging, wird zum
       ersten Mal ein ganzes indigenes Volk in [3][Kolumbien] geschützt. „Dieses
       Urteil ist nicht nur für die U’wa und Kolumbien von großer Bedeutung,
       sondern für alle Völker der Region, die mit Bergbau und Tourismusprojekten
       konfrontiert sind“, sagt Mitklägerin Alejandra Escobar Cortázar vom
       Anwaltskollektiv Cajar (Colectivo de Abogados y Abogadas José Alvear
       Restrepo).
       
       Die U’wa sind eines von 102 indigenen Völkern in Kolumbien mit rund 8.000
       Menschen. Ihr angestammtes Land ist riesig – 1,4 Millionen Hektar über 4
       Departments und eigentlich geht es bis nach Venezuela, sagt Juan Tegría. Er
       ist U’wa und Anwalt der mitklagenden Indigenenvereinigung AsoU’wa.
       
       Doch zugesprochen hat der Staat den U’wa nur 220.000 Hektar: das Reservat
       Unido U’wa. Und die Abgrenzung ist nach über 20 Jahren immer noch nicht
       abgeschlossen. So haben sich auf dem Land seit den 1940er und 1950er Jahren
       Bauernfamilien niedergelassen, die vor dem Bürgerkrieg geflohen waren,
       erklärt Tegría. Als das Reservat erweitert wurde, sollten sie vom Staat
       umgesiedelt werden. Das sollte vor zehn Jahren abgeschlossen sein.
       
       ## Nationalpark auf indigenem Gebiet
       
       Das Urteil setzt Kolumbien nun dafür eine Frist von einem Jahr. Denn
       stattdessen hat der kolumbianische Staat ohne Mitsprache der U’wa den
       teilweise auf ihrem Land eingerichteten Cocuy-Nationalpark eröffnet und
       Lizenzen für Bergbau vergeben. Es geht um Öl, Gas und Kohle.
       
       Unter anderem sind die kolumbianische teilstaatliche Firma Ecopetrol und
       die internationale Oxy dort aktiv. Das Herz ihres angestammten Lands ist
       die Sierra Nevada del Cucuy, ein Andengebirgszug. Er enthält Kolumbiens
       größtes zusammenhängendes Gletschergebiet. Den U’wa sind die
       schneebedeckten Berge heilig. „Wir dürfen sie nicht einmal anschauen“, sagt
       Tegría.
       
       Tourist:innen hingegen schauen dieses Heiligtum nicht nur an und
       fotografieren es. Für sie wurden Berghütten gebaut, sie urinieren in den
       Schnee und spielen darauf Fußball. Das entweiht es nicht nur, sondern ist
       auch eine Belastung für das sensible Ökosystem. Tegría berichtet zudem,
       dass private Touranbieter illegale Wege angelegt hätten.
       
       Die U’wa haben zeitweise den Zugang zum Park gesperrt und pochen auf
       Mitsprache. Die müssen sie bekommen, urteilt das Gericht – und betont,
       [4][dass Naturschutz und die Rechte der Indigenen grundsätzlich vereinbar
       seien.] In Sachen Bergbau ist die Situation komplex. Befragt wurden die
       U’wa, wenn überhaupt, nur unzureichend, ein Vetorecht steht ihnen in
       Kolumbien nicht zu.
       
       ## Bergbau vergiftet Natur
       
       Das Gericht sagt nun: Auch für Projekte jenseits ihres Reservats müssen die
       Indigenen befragt werden, wenn sie deren Folgen spüren. Das ist ebenfalls
       bahnbrechend. Der Bergbau hat die Flüsse und die Erde vergiftet. „Neben
       diesen Schäden haben die Erkundung und der Abbau von Gas und Öl uns den
       Krieg gebracht“, sagt Tegría.
       
       Die ELN-Guerilla ist berüchtigt für ihre Attentate auf Ecopetrol-Pipelines.
       „Allein dieses Jahr haben sie die Pipeline Caño Limón-Coveñas sechs oder
       sieben Mal gesprengt.“ Hinzu kommen Unfälle. Nun hat das Gericht geurteilt:
       Kolumbiens Staat muss drei Bergbau- und Erdöltitel im Gebiet der U’wa
       annullieren, und er muss den Schaden durch Lecks in den Pipelines
       wiedergutmachen – auch wenn der durch Attentate entstand.
       
       Das Gericht verurteilt Kolumbien außerdem, weil es das Recht auf
       gerichtliche Garantien und Schutz missachtet hat – auch durch Verschleppung
       der vielen Prozesse. Kolumbiens Regierung verspricht, das Urteil zu
       befolgen, schreibt die Zeitung El País. Man bleibt skeptisch – vergangene
       Urteile seien nicht erfüllt worden, sagt Juristin Alejandra Escobar.
       
       Der indigene Anwalt Juan Tegría fordert: „Wir hoffen, dass zumindest die
       Stimme des indigenen Volkes der U’wa berücksichtigt wird und dass unsere
       Bräuche und Traditionen, unsere spirituellen und kulturellen Werte
       respektiert werden. Und dass es uns erlaubt wird, so zu leben, wie wir es
       seit Tausenden von Jahren getan haben. Wir sind auch Menschen. Wir sind
       Beschützer von Mutter Erde.“
       
       22 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://jurisprudencia.corteidh.or.cr/es/vid/1048554331
   DIR [2] /Indigene/!t5020686
   DIR [3] /Kolumbien/!t5008471
   DIR [4] /Indigenen-Vertreterin-ueber-Naturschutz/!6042745
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Wojczenko
       
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